Herz & Lunge

Fit für die Leistung

Auch wenn bei unseren American Quarter Horses wie bei jedem Pferd der Hafermotor in der Hinterhand sitzt – der eigentliche Antrieb ihres Lebens ist tief im Brustkorb verborgen: das Herz, die zentrale Pumpe des Herzkreislaufsystems. Nicht zufällig dicht daneben die Lunge, zuständig für den Gasaustausch. Und beides miteinander und mit dem ganzen Organismus über das Blutkreislaufsystem verbunden.
Viel weiß man heute über die Anatomie und Funktionsweise von Herz und Lunge und auch darüber, was diese Organe fit hält und was sie krank macht. Zum grundsätzlichen Verständnis der dabei relevanten Mechanismen ist zunächst ein Blick auf Anatomie und Aufgabenverteilung notwendig.

Drei Komponenten, eine Funktion: den Organismus des Pferdes mit allem versorgen, was er braucht. Das Herz steht im Mittelpunkt und liefert den Antrieb für den Blutkreislauf. Es ist ein sich rhythmisch zusammenziehender Hohlmuskel mit insgesamt vier Kammern und zwei funktionellen Untereinheiten, jede zuständig für einen der beiden Blutkreisläufe: den Lungenkreislauf („kleiner Kreislauf“) und den Körperkreislauf („großer Kreislauf“). Das Blut muss zum einen durch die Lunge fließen, um dort Kohlendioxid abzuladen – es wird dann ausgeatmet – und neuen Sauerstoff aufzunehmen. Es muss aber auch durch den Körperkreislauf bewegt werden, der den Organismus bis in die entlegenste Zelle mit frischem Sauerstoff und anderen „Gütern“ versorgt und gleichzeitig den „Müll“ abholt.
Der Blutkreislauf fungiert als Transportsystem für Stoffe, Wasser und die physikalische Größe „Wärme“. Je nach Fließrichtung werden Venen (zum Herz) und Arterien (vom Herz) unterschieden. Aufgabe der großen Blutgefäße ist es, lange Strecken möglichst schnell zu überbrücken, die Funktion der Kapillaren, der kleinen und kleinsten Gefäße dagegen sind Tauschgeschäfte. Alle Waren, die
im Blut transportiert werden, müssen irgendwo ab- und aufgeladen werden, und das geschieht in den Kapillaren. Dort ist die Fließgeschwindigkeit minimal; diese Gefäße sind oft so eng, dass etwa die roten Blutkörperchen sie nur hintereinander aufgereiht, quasi im Gänsemarsch passieren können.
Zwischengeschaltet ist die Lunge, zuständig für den Gastaustausch: Kohlendioxid raus aus dem Körper, frischer Sauerstoff rein. Stellen Sie sich einen auf dem Kopf stehenden Apfelbaum mit unendlich reich verzweigtem Astwerk vor, und am Ende jedes Zweiges hängen zahlreiche Äpfel – so etwa ist eine Lunge aufgebaut, mit einem starken Stamm (der Luftröhre), kräftigen Ästen und immer kleiner werdenden Zweigen (den Hauptbronchien, kleineren Bronchien und Bronchiolen) und vielen rundlichen Äpfeln (Alveolen). Die Alveolen (Lungenbläschen) sind hauchfeine kugelige Gebilde, die außen von einem dichten Netzwerk zarter Kapillaren umhüllt und innen mit Atemluft gefüllt sind. Nur wenige Zellschichten trennen deshalb Blut von Luft und das erlaubt den Gasaustausch: CO2 raus, aus dem Blut in die Alveole, O2 rein, aus der Atemluft ins Blut, und von dort aus weiter in den gesamten Organismus.
Bei so enger Zusammenarbeit ist klar: Macht nur eine der Komponenten irgendwo schlapp, ist die Funktion des ganzen Systems in Frage gestellt.
Was also hält Herz, Blutgefäßsystem und Lunge fit, was setzt ihnen zu? Zwei zentrale Aspekte dazu vorweg: Das Herzkreislaufsystem des Pferdes ist nicht, wie das des Menschen, erstes und liebstes Opfer von Zivilisationskrankheiten – die greifen vor allem bestimmte Stoffwechselfunktionen des Pferdes an. Und: Alle Beteiligten profitieren ganz simpel am meisten von regelmäßigem, sachkundigem Training sowie einer artgerechten Haltung mit zahlreichen Bewegungsmöglichkeiten und -anreizen. Werden Herz, Lunge und Kreislaufsystem beständig angemessen gefordert, bleiben sie fit und verbessern zudem die Feinabstimmung untereinander – die untergeordneten Systeme arbeiten dann besonders effektiv und ohne große „Reibungsverluste“.
Was sollte man darüber hinaus wissen, worauf kommt es besonders an, wenn der Pferdefreund Herz, Lunge und Kreislaufsystem seines American Quarter Horses fit machen und gesund erhalten will?

Hilfe fürs Herz

Die vom Herzschlag erzeugte Druckwelle setzt sich als Puls im ganzen Gefäßsystem fort und erzeugt darin den nötigen Blutdruck – ohne diese Pulswelle kein Blutfluss. Je größer die Entfernung vom Herzen, desto mehr nimmt der Blutdruck aber ab. Hat das Blut das Kapillarnetz passiert und ist im venösen Teil angelangt, ist er besonders niedrig. Wie nun das Blut etwa aus den Hintergliedmaßen eines Pferdes trotzdem über einen langen Weg und dazu teilweise entgegen der Schwerkraft zurück zum Herzen transportieren? Unsere Pferde haben das genial gelöst und sich Unterstützung durch „Hilfsmotoren“ gesichert: Hiwi in Sachen Bluttransport ist die
Skelettmuskulatur, die über ihre Aktivität umliegende Venen immer wieder rhythmisch komprimiert und entlastet und so das Blut darin Richtung Herz vorantreibt. Spezielle Venenklappen sorgen dafür, dass es nicht zurücksackt, wenn der Muskel sich wieder entspannt.
Diese Hilfsmotoren – die Muskulatur insbesondere der Hinterhand – sind allerdings, anders als das Herz, nicht andauernd und autonom tätig, sondern nur, wenn das Pferd sich bewegt. Heißt: Ohne ihre Aktivität, ohne ihre Unterstützung wird es schwierig, insbesondere das Blut aus tiefen, herzfernen Gebieten ordnungsgemäß Richtung Herz zu pumpen. Bewegen sich Pferde zu wenig oder werden sie zu wenig, zu kurz bewegt, dann hat das zwei Folgen: Das Herz muss notgedrungen stärker arbeiten, und es kann durch „versacktes Blut“ zu Schwellungen (Ödemen) vor allem im Bereich unterhalb der Sprunggelenke, am Unterbauch und bei Wallachen und Hengsten auch der Vorhaut kommen.
Kann sich das Pferd dagegen viel bewegen, entlastet dies das Herz und sorgt für einen gut funktionierenden Rückfluss des Blutes aus herzfernen Körperregionen. Es kommt dabei weniger auf die Intensität der Arbeit an, sondern vor allem auf die Dauer der Bewegung. Eine Haltung mit vielen Bewegungsmöglichkeiten und – anreizen unterstützt Herz und Blutkreislauf optimal. Auch die Lunge profitiert von pferdegerechten Aufstallungsformen und macht den Vierbeiner umfassend fit für die Leistung!

Frische Luft für fitte Lungen

Mit der Atemluft gelangt unweigerlich auch allerhand Bedenkliches in die Lungen unserer Pferde, doch es fehlt nicht an Abwehrmaßnahmen – die allerdings können vor allem von ungünstigen Haltungsbedingungen regelrecht ausgehebelt werden.
Unterstützt werden die Funktionen des Immunsystems, die auch in der Lunge wirksam sind, vor allem durch rein mechanische Abwehrmaßnahmen. So ist die Lunge nicht nur gegen Keime, sondern auch gegen potentiell schädliches unbelebtes Material wie etwa Stäube gut gewappnet. Spezialisierte Zellen, Becherzellen genannt, produzieren beständig den Bronchialschleim, der die Atemluft befeuchtet und gleichzeitig Fremdstoffe abfängt, bevor sie in die Tiefe der Lunge vordringen können. Unterstützt werden sie dabei von einem dichten Rasen an feinen Härchen auf der Schleimhaut, die eingedrungene Partikel abfangen und durch ihre Eigenbewegung allmählich wieder Richtung „Ausgang“ befördern. Über ein Prusten oder Husten wird die „Bronchialtoilette“ tätig und befördert nach draußen, was nach draußen gehört.
Unterlaufen und ausgehebelt werden diese gut funktionierenden Maßnahmen allerdings gleich an mehreren Fronten und durch zahlreiche „Angreifer“. Kalte, trockene Luft im Winter kann die örtliche Durchblutung der Lunge und die Feuchtigkeit der Schleimhäute ungünstig beeinflussen und so Infektionen Vorschub leisten. Viel gravierender aber sind oft langdauernde Belastungen, die über Monate und Jahre der Lunge zusetzen.
Besonders negativ wirkt sich „schlechte“ Luft aus, Atemluft, die mit Schadgasen und Stäuben belastet ist. Ist ein Pferd dauerhaft schädlichen Gasen wie insbesondere dem Ammoniak ausgesetzt, nimmt die gesamte Innenauskleidung des Atmungsapparats Schaden. Ammoniak ist ein Zellgift, das in der Pferdehaltung bei der Zersetzung der Ausscheidungen entsteht. Nach und nach werden unter ungünstigen Haltungsbedingungen immer mehr Schleimhautzellen zerstört, darunter natürlich auch alle, die mit wichtigen Schutzfunktionen betraut sind.
Auch ein Übermaß an Staub überfordert die Abwehrmaßnahmen – sind alle Flimmerhärchen „belegt“ und ist der Bronchialschleim verklebt, ist das Pferd dem Ansturm nicht mehr gewachsen. Hinzu kommt: Wird etwa in einer staubigen Halle trainiert, gelangen feine Stäube aufgrund der verschärften Atmung auch in tiefere Lungenregionen. Dort aber sind die Abwehrmaßnahmen schwächer ausgeprägt, insbesondere nimmt die Zahl der den Hustenreiz auslösenden Zellen ab. Das führt auch im Zusammenhang mit Atemwegserkrankungen nicht selten zu einem vom Menschen als paradox empfundenen Zustand: Es ist oft das schwerer erkrankte Pferd, das nicht hustet! Schäden und fest sitzender Schleim in den tieferen Lungenregionen können keinen Hustenstoß auslösen, da dort die dafür zuständigen Zellen fehlen. Mithin bleibt der Schleim samt angesammelten Schadstoffen sitzen…
Dauernder Schleim in den Atemwegen behindert nicht nur den Gasaustausch, sondern stellt auch ein mechanisches Hindernis im Atemfluss dar – das Pferd muss für die Ein- und Ausatmung mehr leisten. Im Lungengewebe sind zahlreiche elastische Fasern verbaut. Sie sorgen dafür, dass sich das Lungengewebe nach der Einatmung, die es gedehnt hat, ganz von selbst wieder zusammenzieht. Auch diese Funktion leidet mit der Zeit unter einem Dauerfeuer an schädlichen Gasen und Stäuben, sodass ein chronisch lungenkrankes Pferd gegen die mechanische Behinderung (den zähen Schleim) anatmen und zudem die Ausatmung durch Muskelkraft unterstützen muss. Der erhöhte Druck belastet dann auch das Herz – ein Teufelskreis…
Es gibt noch eine Besonderheit im Bau der Atemwege, die im Zusammenhang mit den Abwehrmaßnahmen berücksichtigt werden muss: Der Weg von der Lunge bis zur Nase ist lang und es muss dabei ein nicht unerheblicher Höhenunterschied nach oben überwunden werden, solange das Pferd mit erhobenem Kopf steht – es ist dann eine schwere Aufgabe, Schleim oder andere „Problemabfälle“ aus dem Körper zu befördern! Anders, wenn das Pferd mit langem Hals und vorgestreckter Nase recht tief gehen darf – dann nämlich kann der Schleim wie auf einer Rutschbahn schräg bergab vom Brusteingang (der tiefsten Stelle) in Richtung Nüstern gleiten. Weidegang, bodennahe Fütterung und ein zumindest phasenweises Reiten vorwärts-abwärts lässt das Pferd Fremdpartikel und Schleim ganz unauffällig und ohne Aufwand loswerden – nicht nur im Falle einer Erkrankung, sondern im Alltag.

Was tun im Fall des Falles?

Atemwegserkrankungen gehören zu den häufigsten, das tägliche Training belastenden Gesundheitsstörungen unserer Pferde, kaum aber primäre Herzprobleme. Bei der Behandlung werden häufig drei Ansätze verfolgt: Therapie der Grundursache, Unterstützung von Selbstheilungskräften und körpereigenen Abwehrmechanismen, langfristige Optimierung von Haltung, Management und Training. Zum Einsatz kommen etwa Medikamente zur besseren Durchlüftung der Lunge, zur Verflüssigung hartnäckigen Schleims, dazu Inhalationstherapien auf unterschiedlichen Wegen und unter Nutzung verschiedener Produkte, gekoppelt mit einem individuell abgestimmten Bewegungsprogramm.
Die Prophylaxe dagegen ist einfach: Viel Bewegung auch in Vorwärts-Abwärtshaltung, dauerhaft belüftete Stallungen in Verbindung mit guter Hygiene, die Verwendung von staubarmen Raufuttermittel und Einstreu, dazu ein wirklich rasches und nachhaltiges Eingreifen bei Atemwegsproblemen jeglicher Art – das macht Herz, Lunge und Blutkreislaufsystem für die Anforderungen im Training und in der Showarena fit. Unterstützung insbesondere beim Bewegungsprogramm versprechen beispielsweise offene Longierhallen und Führanlagen. Die Gruppenauslaufhaltung im Offenstall und auf der Weide ist ein all inclusive Herz-und-Lunge-Fitnessprogramm.

Text: Angelika Schmelzer, Foto: Johanna Koch