Ein feiner Start in die Showkarriere

Die Longe Line

Sie ist für viele junge Pferde der Einstieg in ihre Laufbahn als erfolgreiche Turnierpferde und soll ihnen nicht nur erste Erfahrungen in der Showarena ermöglichen, sondern ihre spätere Eignung als Reitpferd demonstrieren. Die Rede ist von der Longe Line, einer Prüfung für zwei- und dreijährige nicht gerittene Pferde. 

Die Longe Line ist – richtig gelesen – nicht gerittenen Pferden vorbehalten und soll verhindern, dass junge Pferde zu jung unter dem Sattel gestartet werden, um dann zu früh auf Reitklassen hin trainiert zu werden. Eigentlich eine prima Idee, die allerdings auch das Risiko birgt, dass bereits Jährlinge in Vorbereitung auf diese Prüfung zu viel longiert und damit einseitig belastet werden. Verantwortungsvolle Pferdeigentümer und Trainer jedoch praktizieren das LL-Training und die Prüfung als behutsame Vorbereitung des Pferdes auf den Turniersport. Sie wissen, dass eine zeitige, gute Erziehung der Jungpferde, verbunden mit moderatem, zielgerichtetem Training und schonendes Heranführen an den Turniersport die besten Voraussetzungen für eine lange Showkarriere ihrer vierbeinigen Schützlinge sind. „Ein Pferd, welches das Turniergeschehen schon von klein auf kennt, tut sich später leichter, wenn es darum geht, unter dem Sattel zu starten“, bestätigt auch Franca Bartke, die junge Pferde erfolgreich auf die In-Hand-Prüfungen wie Longe Line und Trail in Hand vorbereitet und showt.

Longe Line – was ist das?

In der Longe Line wird das Pferd auf beiden Händen an der Longe vorgestellt. Dabei soll es sich als zukünftiges Reitpferd zeigen – Bewegungsqualität, Verhalten und Ausdruck, aber auch das Exterieur fließen in die Bewertung mit ein. Die jungen Pferde sollen sich ihrem Alter gemäß so präsentieren, dass die Richter sie hinsichtlich der o. g. Punkte beurteilen können. Übrigens wird unterschieden, ob sich das Pferd für eine spätere Laufbahn wahlweise als Pleasure- oder Hunterpferd eignet. 

Die Prüfung besteht aus zwei Teilen: Zunächst wird das Exterieur des Pferdes begutachtet und danach wird es für 90 Sekunden an der Longe vorgestellt.

Im ersten Teil werden die Pferde für die Beurteilung des Exterieurs einzeln nacheinander im Schritt auf den Richter zugeführt. Danach wird das Pferd gerade vom Richter weg getrabt und um eine Pylone abgewendet. Nacheinander stellen sich alle teilnehmenden Pferde – pro Gruppe dürfen 15 Pferde starten – an der Bande auf.

Im Zuge dieser ersten Beurteilung soll der Richter nicht nur das Exterieur begutachten, sondern auch, ob sich das Pferd in einwandfreiem Zustand befindet, also keine Anzeichen von tierschutzrelevanten Mängeln zeigt, nicht lahmt und ob die Ausrüstung zulässig ist. Ist dies nicht der Fall, wird das Pferd von der Prüfung ausgeschlossen.

Die Vorführung an der Longe bildet den zweiten Teil der Prüfung. Hier befindet sich der Richter außerhalb des Longierzirkels. Wenn Pferd und Vorsteller den Longierzirkel betreten haben, startet die Prüfung nach dem Erklingen eines Signals. Nun hat der Vorsteller 90 Sekunden lang Zeit, sein Pferd an der Longe zu präsentieren. Häufig wird auch zur Halbzeit ein Signal gegeben, das viele Vorsteller zum Handwechsel nutzen. 

Während der 90 Sekunden soll das Pferd auf der rechten und der linken Hand in allen drei Gangarten laufen. Auch ein gesitteter Handwechsel gehört deshalb zur Prüfung. Dabei wird die Western Pleasure-Nachzucht im Walk, Jog und Lope vorgestellt, die Hunter Under Saddle-Nachzucht im Walk, Trot und Canter. Auf welcher Hand der Vorsteller beginnt, bleibt ihm überlassen. Es soll jedoch der volle 7,5 Meter-Zirkel ausgenutzt werden.

Das Pferd muss lange genug im Schritt vorgestellt werden, um dem Richter die Möglichkeit zu geben, diesen zu bewerten, erst danach folgt der Übergang zum Trab. Im Trab bzw. Jog/Trot soll das Pferd mindestens eine halbe Runde auf jeder Hand zurücklegen, auch wieder, damit der Richter die Gangqualität sicher beurteilen kann. Für den Galopp (Canter/Lope) gilt mindestens eine volle Runde auf jeder Hand. Stolpern führt in jeder Gangart zu Punktabzug, ebenso wie Bocken, Rennen oder gar Stürzen. Spielen dagegen sollte nicht negativ bewertet werden. 

Bewertet werden neben der Gangqualität auch Balance und Bewegungsablauf, die korrekte Stellung und Winkelung des Pferdes sowie sein athletisches Vermögen in Hinblick auf seine spätere Nutzung als Reitpferd, nicht aber, wie viel Muskulatur das junge Pferd bereits ausgebildet hat.

In die Wertung fließt neben der Gangqualität, weichen Übergängen, Rhythmus und Konstanz in der Bewegung auch das Auftreten des Pferdes ein: Manieren, Ausdruck, Aufmerksamkeit, Nachgiebigkeit, freundliches Auftreten, eben all das, was ein künftiges Turnierpferd mitbringen sollte.

Wann ist ein Pferd bereit für die LL?

Pauschal lässt sich die Frage, wann und ob überhaupt ein junges Pferd bereit ist, auf die LL vorbereitet zu werden, sicherlich nicht beantworten, denn jedes Pferd entwickelt sich individuell unterschiedlich – körperlich wie mental. „Die körperlichen Signale sind dabei erst einmal direkter und leichter zu erkennen“, erläutert Franca Bartke. Sie betont, dass ein extrem überbautes oder im Vergleich mit gleichaltrigen Pferden deutlich zurückgebliebenes Pferd nicht für ein Training in Betracht gezogen werden sollte, um Überlastungen zu vermeiden. Im Umkehrschluss könne ein gut entwickeltes, bereits ansatzweise ausbalanciertes Pferd im Rahmen seines Alters und seiner Möglichkeiten durchaus belastet werden. Im Zweifelsfall kann zudem der Tierarzt kontrollieren, wie weit die Wachstumsfugen des Jungpferden geschlossen sind und abschätzen, ob und wie das Pferd belastet werden kann und sollte. 

Die mentale Belastbarkeit des noch unreifen Jungpferdes abzuschätzen stellt Trainer dagegen vor größere Herausforderungen. „Hierfür ist es hilfreich, das Pferd gut zu kennen und zu wissen, wie es sich im Normalfall verhält“, bestätigt Franca. Wer sein Pferd noch nicht lange besitzt, sollte deshalb zunächst spielerisch mit ihm arbeiten, um seinen Charakter kennenzulernen. Durch Spaziergänge, Gelassenheitstraining, Bodenarbeit und Handpferdetraining lernt man seinen Neuzugang gut kennen und kann recht schnell abschätzen, ob er reif ist für den Showeinstieg oder ob man ihm noch ein wenig Zeit geben sollte. „Verändert das Pferd in der Arbeit sein Verhalten auffallend oder gar zum Negativen, kann es sein, dass der Druck für den Moment noch zu groß ist“, so die erfahrene Trainerin. Sie gibt aber auch zu bedenken, dass es Pferde gibt, die sich nach anfänglicher, kurzer Überforderung sehr schnell in der Routine des Trainings entspannen und an den ihnen gestellten Aufgaben wachsen. Hier sind Fingerspitzengefühl und Erfahrung gefragt. Wer sich ernsthaft für die LL interessiert, sollte einen erfahrenen Trainer zu Rate ziehen.

Gute Vorbereitung auf den großen Tag

Je schonender und dennoch gewissenhafter das Jungpferd auf seinen ersten Auftritt in der Öffentlichkeit vorbereitet wird, desto besser. Franca Bartke veranschlagt im Allgemeinen drei Monate Vorbereitungszeit. „Pferde, die sich in diesem Zeitrahmen nicht zurechtfinden, sind vielleicht nicht die geborenen Longe Liner“, so ihre Erfahrung. Hier sollten die Besitzer „pro Pferd“ entscheiden und überlegen, ob sie ihrem Pferd noch ein wenig Zeit für die weitere Entwicklung einräumen.

Wer nun vermutet, dass das Pferd während der drei Monate Training täglich im Kreis gescheucht wird, liegt völlig daneben, denn Longiereinheiten gibt es nur zwei- bis dreimal in der Woche, jeweils maximal 20 Minuten lang. „Danach sind die jungen Pferde körperlich und geistig gut ausgelastet, ohne überfordert zu sein“, erklärt Franca. 

Das Training

Die Trainerin beginnt die Longiereinheit gerne mit ein paar Runden Führen im Schritt, damit die Pferde „in der Arena ankommen können“. „Wichtiger als die Nettolänge des Longierens ist für mich, einen guten Punkt zu finden, an dem ich die Arbeit beenden kann. Wenn das Pferd davor schon warmgeführt ist und gut „funktioniert“, kann das Training auch schon deutlich früher beendet werden“, so Franca.

Anfangs geht es in ihrem Training vor allem darum, dass das Pferd lernt, um den Longenführer herumzulaufen, die geforderte Gangart zu zeigen und zu halten. Dabei geht es keinesfalls um rundenlanges Galoppieren, sondern um den Grundgehorsam, dass das Pferd die Übergänge willig macht und auf die Hilfen achtet. 

Erst dann arbeitet die Trainerin mit ihren Schützlingen an der gleichmäßigen Zirkellinie. „Drängelt das Pferd zu viel nach innen, kann ein deutliches Zulaufen auf die Schulter oder ein Weisen der Peitschenschnur Richtung Schulter dabei helfen, das Pferd nach außen zu führen“, erläutert sie. Bei einem Pferd, das eher nach außen zieht, empfiehlt Franca das Longieren auf einem Rechteck, um nicht zu sehr ins Gegenziehen zu kommen, die Aufmerksamkeit des Pferdes zu behalten und um immer wieder die innere Schulter aufzustellen. „Hat das Pferd sich an die Arbeit gewöhnt, kann auch Doppellongenarbeit sinnvoll sein, um dem Pferd zu helfen, sich auszubalancieren“, rät sie.

Erst nach dem Longieren übt Franca das Aufstellen. Die von der vorausgegangenen Arbeit ausgelasteten Pferde stehen dabei oft ruhiger als vor der Arbeit, so Francas Einschätzung. Das Aufstellen an sich nimmt sie ebenso ernst wie das Longieren, denn es verlangt ruhiges, gehorsames Stehenbleiben und sei nun einmal auch Teil der Prüfung

Training ohne Überforderung

Bei allem Ehrgeiz und dem verständlichen Wunsch, sich und sein Pferd optimal zu präsentieren, sollte man sich stets bewusst sein, dass die Pferde noch sehr jung sind und die Gefahr einer Überforderung durchaus besteht. Für Franca Bartke ist es deshalb von großer Bedeutung, das Training nicht übertreiben und vor allem auch abwechslungsreich gestalten. Wie so oft im Pferdesport seien Extreme häufig das Problem. „Zu intensives und belastendes Training kann in jeder Altersstufe schädlich sein“, so die Trainerin, die auch erfolgreich ältere Pferde in den Allaround-Klassen showt. „Allerdings“, gibt sie zu bedenken, „ist es auch Fakt, dass viele Pferde deutlich zu wenig bewegt werden.“ Bewegung sei vor allem in jungen Jahren enorm wichtig, damit sich Strukturen wie Muskeln, Sehnen und Bänder an die Belastung anpassen können. Wer sein Pferd also aus Angst davor, etwas kaputtzumachen, in der Box oder auf einem kleinen Paddock hält, schadet dem Pferd vermutlich mehr. 

„Für mich gehört zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit der Disziplin, dass man es sich selbst eingesteht, wenn ein Pferd für diese Klasse zu viel Training braucht. In diesem Fall macht es definitiv mehr Sinn, das Training umzugestalten oder das Pferd noch ein Jahr wegzustellen. Lernen die Pferde allerdings einen guten und respektvollen Umgang mit der Arbeit und dem Druck, kann dies später etwa beim Anreiten eine Menge Zeit, Ärger und damit verbundene Mehrbelastung verhindern.“

Dabei rät sie, das LL-Training nicht auf einen kleinen Zirkel zu reduzieren: „Ich nutze gerne die Doppellonge und fahre die Pferde vom Boden aus. Dabei kann man auch viele gerade Strecken laufen und hat trotzdem einen guten Trainingseffekt in Sachen Balance und Gehorsam.“ Ein so vielseitig ausgestaltetes Training motiviert das junge Pferd und bereitet es nicht nur optimal für die In Hand-Klasse Longe Line, sondern ebenso auf seine spätere Laufbahn als zuverlässiges Reitpferd vor.

Text: Friederike Fritz, Fotos: Luxcompany