Vorwärts – mit Gefühl

Bewegungsqualität trainieren
Fleißig, aber nicht eilig. Leistungsbereit, aber stets regelbar. Mit genügend Schub, aber immer ökonomischem Gangwerk. Blitzschnell Gas geben, mindestens ebenso rasch auf die Bremse treten. Energiegeladen, dabei aber cool. Das alles und mehr meinen wir, wenn wir vom „Vorwärts“ unseres American Quarter Horses reden. Offensichtlich reicht es also nicht, einfach nur geradeaus Walk, Trot oder Lope zu gehen, diese Bewegung soll auch eine gewisse Qualität haben. Wie genau sieht es im Idealfall aus, wenn unser Lieblingsquarter antritt – und warum?

Über alle Grenzen von Rassen und Reitweisen hinweg üben Reiter mit ihren Pferden das Reiten verschiedener Gangarten in unterschiedlichem Gangmaß. Diese Varianten jederzeit problemlos abrufen zu können, gilt auch als Maßstab der Ausbildungsqualität, als Anzeichen der grundlegenden Rittigkeit eines Pferdes. Hinzu kommt fallweise das Ziel, Bewegungsenergie in unterschiedliche Richtungen zu entwickeln, also nicht einfach nur voraus, sondern auch vorwärts-seitwärts, vorwärts-abwärts sowie vorwärts-aufwärts. Dies ermöglicht Seitengänge, Dehnung und Versammlung. Im Zentrum steht das „Vorwärts“, denn Reiten findet nicht auf der Stelle statt…
Wie sehr ein Pferd dabei vorankommt, hängt von mehreren Faktoren ab. Ist die grundsätzliche Bereitschaft, die Motivation gegeben, spielen
• die Gangart (Geht das Pferd Walk, Trot, Lope?),
• der Raumgriff (Wie groß sind die Schritte und Tritte?) sowie
• das Takt, die Frequenz (Wie rasch ist die Abfolge der Schritte und Tritte?) eine Rolle.
Einige Einflussfaktoren sind dabei nicht (vollständig) beeinflussbar, so hängt etwa der Raumgriff immer auch von der Anatomie ab. In vielerlei Hinsicht aber ist es Teil der Ausbildung, ein passendes, regelbares „Vorwärts“ zu entwickeln. Worauf kommt es dabei besonders an?

Im Dialog
In welcher Geschwindigkeit unser Quarter Horse auch gerade unterwegs ist, er soll dem Reiter nie das Gefühl vermitteln, dass es ihm unterm Sattel davonläuft. Wir wollen mit unserem Pferd über unsere Hilfen im Gespräch bleiben, jederzeit nicht nur das Tempo, sondern auch die Richtung fein abstimmen und ändern können und darüber hinaus Einfluss nehmen auf die Art und Weise, wie das Pferd dabei seinen Körper einsetzt. Es soll also nicht nur vorangehen, sondern dabei durchlässig und aufmerksam sein und bleiben. Und zwar immer – also nicht nur auf dem Zirkel in der abgeschirmten Halle, sondern bitteschön auch beim ersten Gruppengalopp im Gelände. Dazu braucht es ein gut ausgebildetes Pferd, dessen Trainingszustand mit ganz unterschiedlichen Begriffen definiert werden kann. Vielleicht der unauffälligste, aber bedeutendste gerade im Zusammenhang mit dem Vorwärts ist das Gleichgewicht – unser American Quarter Horse ist physisch wie psychisch in Balance, und das in der Bewegung. Was braucht es dazu?

Good vibrations im Sattel
Es braucht vor allem einen Reiter, der selbst im Gleichgewicht ist. Dazu gehören nicht nur ein ausbalancierter Sitz und eine gefühlvolle Einwirkung, sondern auch eine positive Einstellung zu allen Gangarten. Zu wirklich allen.
Das Vorwärts des Pferdes ist nicht unmittelbar an eine Erhöhung der Geschwindigkeit gebunden – denken wir an das Vorwärts-Abwärts der Dehnungshaltung oder das Vorwärts-Aufwärts der Versammlung. Vorwärts ist als Bewegungsimpuls zu verstehen, der vom Reiter gelenkt wird. Unser Pferd geht in jeder Gangart vorwärts. Im Training stehen alle Gangarten gleichberechtigt nebeneinander und der Reiter muss zu jeder Zeit entscheiden, was aktuell am förderlichsten ist – und das gelingt nur, wenn der gute, saubere Walk nicht langweilt, der rasante Galopp nicht ängstigt, das Spiel auf der Klaviatur der Geschwindigkeiten nicht überfordert. An dieser Stelle beißt sich die Katze in den Schwanz: Das passende Vorwärts muss auf beiden Seiten des Sattels gewollt und gekonnt oder eben erst noch geübt werden. Und genau daran hapert es oft: Trainiert wird nämlich oft, was bereits prima klappt und zwar auch deshalb, weil der Reiter sich dabei am besten fühlt. Hier das richtige Maß an Vorwärts in Form von Mut und Vertrauen bei sich selbst zu finden steht deshalb an erster Stelle. Will der Reiter nicht, kann sein Pferd nicht.

Schubkraft und Tragkraft
Bewegen sich Pferde unter dem Reiter, gehen sie vorwärts, dann müssen sie Schubkraft und Tragkraft entwickeln, und beides hängt eng zusammen. Im Idealfall entwickelt der Reiter sein Pferd durch sachkundiges und klug aufgebautes Training so, dass diese Kräfte gleichberechtigt entwickelt werden und dann in beliebiger Kombination und unterschiedlichen Richtungen abrufbar sind. Zur reinen Kraft kommt ein passendes Maß an Geschmeidigkeit, eine weit entwickelte Fähigkeit zur Dehnung und Verkürzung der Muskulatur, Beweglichkeit der Gelenke und viel Koordinationsfähigkeit hinzu. Dies zu entwickeln braucht Zeit. Die Arbeit hin zu diesem Ziel – über die gleichmäßige Entwicklung von Schubkraft und Tragkraft zum Schwung und letztendlich zur Versammlung – erlaubt eigentlich keine Abkürzungen, in der Praxis aber werden genau diese Schleichwege häufig eingeschlagen und erweisen sich prompt als Sackgassen. Solche Fehlentwicklungen werden besonders deutlich sichtbar an den beiden Extremen des Vorwärts: immer dann, wenn ein Pferd besonders langsam gehen soll oder wenn es ausgesprochen rasant zugeht…

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Text & Foto: Angelika Schmelzer