Winter-Training 3.0
Von der Brücke auf die Wippe
In den letzten beiden Ausgaben ging es in Sachen Winter-Training darum, bei der Basisarbeit in der Reithalle Spaß zu haben und dabei das Pferd über die kalte Zeit geschmeidig, rittig und ausgeglichen zu halten. Für diejenigen, die neben der Stangenarbeit weitere Trailhindernisse in das Winter-Training einbauen möchten, geht es heute an Brücke und Wippe.
Beginnen wir mit der Brücke, die in den meisten Fällen eine stabile, breite und vor allem rutschfeste Planke ist. Sie gehört zu den Pflichthindernissen im Trail, sowohl im klassischen als auch im Ranch Trail. Auch für Reiter, die nicht in diesen
Disziplinen starten wollen, bietet das Überreiten einer Brücke nicht nur Abwechslung, sondern auch sinnvolles Training für den Alltag, wenn es zum Beispiel darum geht, flüssig Bordsteinkanten zu überwinden oder ganz generell Hindernisse, die dem Reiter im Gelände begegnen können, vertrauensvoll zu überwinden.
Natürlich dürfen absolute Neulinge das fremde Ding in der Reithalle erst einmal ausgiebig begutachten – bei besonders sensiblen Kandidaten gerne auch an der Hand. Die Brücke wird umrundet, das Pferd darf daran schnuppern und mit weniger gut an den Hilfen stehenden, vorsichtigen Pferden beginnt das Training an diesem Hindernis mit Führarbeit – quer drüber, längs drüber – bis der Vierbeiner keine Scheu mehr vor der Brücke zeigt. Dann ab in den Sattel und nun beginnt das eigentliche Trail-Training an der Brücke.
Übrigens: Während das Pferd im herkömmlichen Trail genau hinschauen darf und soll, was da vor ihm liegt, sollte das Pferd im Ranch Trail vertrauensvoll und möglichst ohne zu zögern flüssig an die Brücke herantreten und in gleichmäßigem Tempo darüber gehen. Natürlich darf es den Kopf vor der Brücke senken, das Hindernis kurz wahrnehmen, aber dann geht’s zügig wie selbstverständlich weiter. Das wird zunächst im Schritt geübt, bis das Pferd sicher und zügig über die Brücke läuft.
Variationen
Bevor es langweilig für Pferd und Reiter wird, geht’s an die Variationen. Wie wäre es mit anhalten auf der Planke, kurz (oder auch länger) verharren, wobei das Pferd sichtbar entspannt stehen soll, und dann ohne Gehampel wieder runter reiten? Vor allem bei kurzen Brücken muss das Pferd sauber an den Hilfen stehen und sofort anhalten, wenn das Signal dazu kommt. Dabei kann man auch mal im ersten Drittel (Vorderbein bereits auf der Brücke) oder im hinteren Drittel (Hinterbeine noch auf der Brücke) anhalten und so an der Präzision der Hilfengebung arbeiten. Oder eben mittig mit einer kleinen Entspannungseinheit, indem man zum Beispiel im Kopf von 30 rückwärts zählt. Dabei sollte das Pferd den Kopf tief nehmen und wie ein cooles Ranchpferd völlig ruhig dastehen und … warten.
Weitere Variationen sind das Anreiten im Trab, Durchparieren wahlweise zum Halt oder zum Schritt unmittelbar vor der Brücke, natürlich auf den Punkt genau, und dann das Überqueren der Brücke im zügigen Schritt. Sobald alle vier Hufe von der Brücke runter sind, geht’s wieder in den Trab, wahlweise auch mit vorherigem Halt. Wer die Aufgabe noch kniffeliger gestalten möchte, reitet im versammelten Galopp an, pariert vor der Brücke zum Schritt durch oder hält an und reitet dann im Schritt über die Brücke.
Wichtig: Es geht dabei niemals um Tempo oder eine spektakuläre Optik, sondern immer um sauberes, punkt-
genaues Reiten mit möglichst feinen Hilfen. Denn das ist es ja, was das Wintertraining ausmacht: Verfeinerung der Hilfengebung und ein rittigeres, entspanntes und vor allem sicheres, cooles Pferd.
Die Wippe
Wer die Brücke in allen Variationen rauf- und runtergeritten ist und sich einer weiteren Herausforderung stellen will, kann sich an die Wippe wagen. Die gehört zwar nicht zu den klassischen Trailhindernissen, kommt aber dem, was im Extreme Trail geritten wird, recht nahe.
Das Training an der Wippe fördert das Gleichgewicht und die Balance des Pferdes und spricht – besonders, wenn man die Wippe nicht nur überreitet, sondern tatsächlich wippt – die Tiefenmuskulatur und das Fasziengewebe an.
Apropos Wippe: Wie immer steht die Sicherheit von Pferd und Reiter im Vordergrund, deshalb sollte man gerade hinsichtlich der Wippe auf Stabilität achten und sichergehen, dass die Brücke und der darunter liegende Balken rutschfest übereinanderliegen.
Im Netz gibt es zahlreiche Anregungen, um solche eine Kombination selbst zu bauen. Wer handwerklich nicht ganz so geschickt ist, findet Brücke-Wippen-Konstruktionen im Fachhandel.
Geht das Pferd sicher und verlässlich über die Brücke, kann man direkt vom Sattel aus mit dem Üben an der Wippe starten. Im Zweifelsfall jedoch beginnt man auch hier mit dem Führen des Pferdes über die Wippe. Nun darf auch das Ranchhorse genau hinschauen, bevor es die Wippe betritt. Dann geht es Schritt für Schritt hinauf. Der Reiter macht sich leicht im Sattel, damit das Pferd sich in dem Moment, in dem die Wippe kippt, gut ausbalancieren kann.
Wichtig ist, dass das Pferd beim Berg-ab auf der Wippe nicht ins Eilen kommen, sondern ruhig und zügig weiterläuft. Genau das ist die Herausforderung, an der die meisten Pferd-Reiter-Teams erfahrungsgemäß anfangs zu arbeiten haben. Klappt bei vielen das Hinaufreiten noch ganz easy, verlassen zahlreiche Kandidaten die Wippe nach dem Kippen mit einem beherzten Sprung. Und gerade DAS ist nicht erwünscht.
Wenn das Überqueren der Wippe absolut sicher und ohne Hektik gelingt (und nur dann!), kann man sich an das Stehen auf der Wippe und vielleicht sogar ans richtige Wippen wagen. Dabei bleibt das Pferd mittig auf der Wippe stehen und beginnt auf eine kleine Gewichtsverlagerung oder einen Impuls eventuell sogar eines Helfers hin, eigenständig durch gezielte Bewegung vor und zurück zu schaukeln. Bei diesem aktiven Wippen balanciert sich das Pferd permanent Kraft seiner Rumpfmuskulatur aus, es verlagert mal das Gewicht nach vorne, mal nach hinten. Dabei entwickelt es ein völlig neues Bewegungsgefühl. Manche Pferde lieben das, andere gruseln sich zunächst, wieder andere verweigern dies komplett. Deshalb gilt es wie immer, sein Pferd genau zu beobachten und abzuschätzen, wann Schluss ist.
Gerade bei dieser Art Training, die ja zudem Spaß machen soll, darf nichts erzwungen werden, sollte das Pferd aktiv mitmachen und Freude an der Arbeit haben. Denn schließlich ist das Ziel solcher abwechslungsreichen Übungen, das Pferd nicht nur cooler, sondern auch vertrauensvoller zu machen. Und das gelingt nur durch Verlässlichkeit des Menschen, Zeit und jenseits von Druck und Zwang.
Text: Friederike Fritz, Foto: Heike Klar