Ohne Training geht es nicht
Tragfähige Freizeitpferde
„Ach, so richtig trainieren kommt für mich und mein Pferd nicht in Frage, schließlich ist es ja nur ein Freizeitpferd!“ Solche oder ähnliche Aussagen sind häufig zu hören. Richtig oder falsch? Wir haben mit Martin Kreuzer von MK Horsemanship über dieses Thema gesprochen und die Antworten des erfahrenen Trainers und Ausbilders sind mehr als eindeutig.
Freizeitpferde werden häufig in Sachen Aufbau einer tragfähigen Muskultur sträflich vernachlässigt. Warum ist dieses Thema auch für den Freizeitreiter bzw. sein Pferd so wichtig?
Martin Kreuzer: Nun, gerade das sogenannte Freizeitpferd unterliegt großen Herausforderungen. Zum einem soll es auf dem Reitplatz oder in der Reithalle gut zu reiten sein und gleichzeitig soll es im Gelände sicher und zuverlässig laufen. Dies sind große Herausforderungen für den Körper und auch für den Geist des Pferdes. Bergauf und Bergab im Gelände erfordern eine gute Bemuskelung, damit die Tragefähigkeit gewährleistet ist. Dies gilt besonders auch für unwegsames Gelände. Und die Nerven sollen auch noch mitspielen in jedweder Situation.
Oft ist es leider so, dass Freizeitpferde keine systematische und fortführende Ausbildung durchlaufen. Sie werden unregelmäßig geritten, longiert oder am Boden gearbeitet. Und die Unregelmäßigkeit erlaubt eben keine gute bis gar keine Entwicklung in Körper und Geist des Pferdes.
Woran liegt das? Kein Interesse, keine Zeit, keine Trainingsmöglichkeiten…?
Martin Kreuzer: Natürlich mangelt es oft an der Zeit, aber auch Unwissenheit oder in ganz schlimmen Fällen – entschuldige die Direktheit –Desinteresse können Ursachen sein. Schlicht und einfach gesagt gibt es leider immer noch Reiter, die nicht an die Notwendigkeit einer Gymnastizierung ihres Pferdes glauben. Auch wenn man überall nachlesen kann, dass Pferde einfach nicht dafür gebaut sind, geritten zu werden. Aus diesem Grund müssen wir uns ja um die Begriffe Versammlung und Gymnastizierung bemühen – eben um diese Tragfähigkeit und damit Gesunderhaltung des Pferdes zu erreichen.
Warum benötigt gerade das Freizeitpferd besondere Beachtung, wenn es um Tragfähigkeit und Rittigkeit geht?
Martin Kreuzer: Wegen seines vielseitigen Einsatzes und weil leider auch oft beim Reiter der unabhängige Sitz fehlt. Dies kann die Entwicklung der Tragfähigkeit enorm beeinträchtigen. Deswegen empfehlen wir neben einem pferdegerechten Training auch Sitzschulungen, die den Reitersitz positiv fördern.
Wie sollte der Freizeitreiter das Thema angehen?
Martin Kreuzer: Am besten sollte er sich unter professioneller Anleitung Wissen und Können über die Gymnastizierung aneignen. Leider genügt es in den meisten Fällen nicht, sich Videos in den sozialen Netzwerken anzusehen oder ein Buch darüber zu lesen.
Der Ausbilder oder Trainer vor Ort dagegen sieht das Pferd live und kann genau die Hilfe geben oder anweisen, die das Pferd und eben auch der Reiter brauchen, sei es im guten Reitunterricht, in Trainings oder in Kursen und Seminaren. Hier empfehlen wir immer noch den Präsenzunterricht, damit eben direkt auf das eben Notwendige eingegangen werden kann.
Kann man ein tragfähiges, durchlässiges und losgelassenes Pferd auch durch spezielles Training im Gelände bekommen? Oder benötigt man dringend einen Reitplatz, eine Halle?
Martin Kreuzer: Natürlich erleichtert ein Reitplatz oder eine Reithalle das Training. Aber wenn man über ein geeignetes Gelände verfügt, so kann dies durchaus eine gute Möglichkeit sein. Das Gelände sollte passend je nach Leistungslevel des Pferdes gewählt werden. Das noch nicht so gut trainierte Pferd sollte zuerst ein ziemlich flaches Gelände vorfinden und dann kann im Verlauf des fortgeschrittenen Trainings
jedes Gelände benutzt werden, das zur Verfügung steht.
Longieren in allen möglichen Variationen zum Erreichen einer biomechanisch korrekten Bewegung ist derzeit in aller Munde. Reicht das, um die Anforderungen an ein zuverlässiges Freizeitpferd in Sachen Muskulatur und Beweglichkeit zu erfüllen oder spielen weitere Komponenten mit hinein, wenn es um das Training geht?
Martin Kreuzer: Ja, gutes Longieren und gute Zirkelarbeit bei der Bodenarbeit bereiten das Pferd körperlich wie geistig gut vor. Das Pferd muss dann aber auch lernen, sich unter dem Sattel und mit dem Reitergewicht weiter zu entwickeln. Eine gute Vorbereitung am Boden und dann eine weiterführende Kombination wären ideal.
Welche Trainingskomponenten sind besonders wichtig – unter dem Sattel?
Martin Kreuzer: Zuerst einmal alles, was mit Biegung und Stellung zu tun hat. Dann sollten alle Varianten von Seitengängen und Rückwärts eingebaut werden. Dabei sollte immer darauf geachtet werden, dass es sich beim Pferd um einen Rückengänger handelt. Dies bedeutet, es benutzt seine gesamte Rückenmuskulatur, um sich fortzubewegen. Ins gute Training gehört, einfach gesagt, alles, was eine gute Gymnastizierung ausmacht. Aber auch der Spaß sollte im Training nicht verloren gehen, denn nur so kann die allgemeine Motivation beim Pferd erhalten bleiben. Hier spielt die Kreativität eine wichtige Rolle.
Das Interview führte Friederike Fritz, Foto: MK Horsemanship