Pferdegerechtes Training

Pferd & Reiter im idealen Zusammenspiel

Die allermeisten Reiter möchten vor allem eines: ihr Pferd so reiten, dass es nicht nur „funktioniert“, sondern dabei lange Jahre gesund, leistungsbereit und fit an Körper und Geist bleibt. Dazu braucht es neben soliden Reitkenntnissen auch den Willen des Reiters, biomechanische Grundsätze beim Pferd zu beachten. Und nicht nur dort: Auch der Reiter muss sich in das Gefüge einpassen, um das Pferd gesunderhaltend reiten zu können. Ausbalancierter Sitz und weiche Hände sind hier die maßgeblichen Stichworte, die im Folgenden näher beleuchtet werden sollen.

Ein guter Reiter macht es seinem Pferd immer möglichst leicht, in die Balance zu kommen. Dazu gehört vor allem, so zu sitzen, dass das Pferd sich möglichst frei bewegen kann, es in seinem Bewegungsablauf nicht zu behindern.
Es gibt es Reiter, die scheinen mit dem Pferd zu verschmelzen, passen sich locker und geschmeidig jeder Bewegung an und animieren so ihren Vierbeiner zum freudvollen Mitmachen. Dann wiederum gibt es jene, die – häufig aus Unwissenheit, mangelnder Reitausbildung und fehlender Schulung – ihr Pferd durch falsche oder gar grobe Einwirkung schlichtweg in seiner Bewegung behindern, wenn nicht sogar schaden. Es ist schwer, dem Ideal nahezukommen, dies sollte aber Ziel eines jeden Reiters sein. Zum Wohle seines Vierbeiners.

Biomechanik, schön und gut, aber was ist mit dem Reiter?
Zurzeit ist das Training des Pferdes nach biomechanischen Grundsätzen in aller Munde und das ist auch gut und richtig so. Aber: Bevor es um Biomechanik des Pferdes geht, wie und warum manche Dinge zwingend zum guten Training gehören und was tunlichst zu unterbleiben hat, schauen wir uns den, der oben drauf sitzt und dies alles am bzw. beim Pferd bewirken soll, einmal genauer an: den Reiter.

Der Reitersitz. So nicht!
Klar, wir Westernreiter wissen alle, dass der noch häufig zu sehende Stuhlsitz weder reiterlich korrekt ist noch dem gesunderhaltenen Training des Pferdes entspricht. Und nein, auch dann nicht, wenn man „nur“ ins Gelände geht, ist dieser für den Reiter durchaus bequeme, weil spannungslose Sitz akzeptabel. Denn: Bedingt durch den damit einhergehenden krummen Rücken des Reiters entwickeln sich in der Bewegung des Pferdes (zu) hohe Kräfte, die den Rücken des Pferdes im Bereich des zehnten Brustwirbels stark belasten und auf Dauer schädigen können.
Auch das tiefe Einsitzen, um den „Bock“ mal ordentlich „ranzureiten“, taugt wenig für wirklich muskelaufbauendes, gesunderhaltenes Training. „Ein tiefer oder gar schiebender Reitersitz blockiert den Pferderücken, so dass das Pferd kaum in der Lage ist, seine Rückenmuskulatur wie gewünscht loszulassen,“ so Pferdetherapeutin Claudia Wichtmann, die sich ausführlich mit der Thematik beschäftigt.

Leicht und locker
Um das Pferd zu animieren, sich biomechanisch korrekt mit positivem Spannungsbogen zu bewegen, also mit aufgewölbtem Rücken und aus dem Widerrist angehobenem Brustkorb, sollte der Sitz nicht nur sicher und ausbalanciert sein, sondern vor allem auch leicht. Leicht im Sinne, dass das Becken frei schwingt und der Reiter mit geradem Rücken tendenziell „nach oben“ sitzt, sich gefühlt leicht macht im Sattel. Ein in alle Richtungen bewegliches Becken, das den Bewegungen des Pferdes folgt, ist wichtig, denn ein steifes, unbewegliches Becken behindert das Schwingen des Pferderückens und blockiert das Pferd in seinen Bewegungen. Ein frei schwingendes, gelöstes Becken verhilft dem Reiter zu der gewünschten Balance, um das Pferd nicht nur bestmöglich zu unterstützen, sondern auch durchlässig für die Reiterhilfen werden zu lassen.
„Stell Dir dazu vor, Du sitzt auf einem rohen Ei, das nicht kaputtgehen darf“, so Claudia Wichtmann. Und dies, so die Therapeutin, in möglichst entspannter Haltung. Zur Überprüfung rät sie, während des Reitens immer wieder darauf zu achten, ob Arme, Hände, Oberschenkel und Waden zwar in positiver Spannung, aber trotzdem locker sind oder unter steter fester Anspannung stehen. Dabei hilft es, den eigenen Brustkorb nach oben auszurichten. Wer nach dem Reiten regelmäßig starken Muskelkater hat, macht irgendetwas falsch.
Ein klemmender Oberschenkel und ein zu fester Knieschluss hemmen nicht nur das gewünschte freie Mitschwingen des Beckens, sondern können selbst das Pferd in seiner Vorwärtsbewegung hindern. „Ein fester Knieschluss und ein klemmender Oberschenkel drücken auf den breiten Rückenmuskel des Pferdes. Dieser hat seinen Ursprung grob erklärt in der großen Rückenfaszie und setzt innen am Oberarm an. Seine Funktionen sind die Beugung des Schultergelenkes und das Rückziehen des Vorderbeines“, erläutert Wichtmann. „Bei dauerhaft festem Knieschluss zieht er sich zusammen und kann nicht wieder genügend loslassen, der Schritt verkürzt sich.“ Vielen Pferden könne mit einem entspannten Oberschenkel bereits geholfen werden, sich freier und fleißiger zu bewegen, merkt die Therapeutin an.

Der Weg zum lockeren Sitz
Aber wie kommt man in Sachen Reitersitz dorthin? Selbst erfahrene Reiter haben häufig Probleme, die Anforderungen an einen guten, das Pferd entlastenden und unterstützenden Reitersitz zu erfüllen.
Zunächst einmal braucht jeder Reiter, der nicht nur „draufsitzt“, sondern das Pferd gesunderhaltend reiten möchte, eine gewisse körperliche Grundkondition, die geprägt ist durch Körpergefühl, Core-Spannung, die dem Rumpf Stabilität verleiht und dafür sorgt, dass dieser sich auf dem Pferd in aufrechter und positiver Spannung befindet, und natürlich die notwendige Ausdauer und Kraft, um diese Spannung auch während des Reitens zu halten. Häufig wird versucht, mangelnde Core-Spannung durch ein klammerndes Bein auszugleichen – und schon geht es mit wabbeligem Oberkörper, hochgezogenen Knien und verkrampften Oberschenkeln in die Fehlhaltung, die unmittelbar beim Pferd ankommt.
Doch nicht nur körperlich kann man seine Haltung auf dem Pferd schulen. Jennifer Friedrich von IQ Horse Therapy rät dazu, fehlerhafte Bilder im Kopf zu eliminieren: „Das Wort „Sitz“ ist genau solch ein Wort, welches ein falsches Bild im Kopf des Reiters erzeugt“, erklärt sie, „Man verbindet Entspannung mit dem Sitzen, sich auf einen Stuhl setzen. Als Reiter ist es aber erforderlich, in der Bewegung des Pferdes aktiv so mitzugehen, dass man rhythmisch mit dem Pferd schwingt.“ Eigentlich sei der Reitersitz eher ein aufrechtes Sitzen mit nach vorne-oben tendierendem Brustbein und langem Bein mit nur leicht gebeugten Knien und weich aufliegenden Oberschenkelinnenseiten, so die Therapeutin, die sich dabei auf Xenophon bzw. seine noch heute gültige Reitlehre zum Wohle des Pferdes bezieht.
Sie empfiehlt folgendes inneres Bild: „Stellt Euch das Gefühl vor, wie mit Sprungfedern auf einem Trampolin nach oben zu federn und das Pferd mit seinem Brustkorb bei jedem Schwung nach oben mitzunehmen. Nach oben denken ist die Devise, nicht tief und fest im Sattel kleben und dabei den Sattel auswischen.“ Deshalb ist auch der gerade, aufgerichtete Rücken des Reiters so wichtig, wenn man das Pferd in der korrekten Bewegung unterstützen möchte.

Die Reiterhand: Nachgiebig muss sie sein
Verknüpfte man früher das Westernreiten vor allem mit ausreichend „Slack“ in den Zügel und war in Abgrenzung zu den „Englischreitern“ stolz darauf, sein Pferd am losen Zügel reiten zu können, sieht die Realität auch bei Reitern im Westernsattel eher ernüchternd aus. Auch hier ist ständiges Zupfen, Ziehen, Gegenhalten oder gar Festhalten am Zügel keine Seltenheit. Hinzu kommt, dass selbst bei jungen Pferden statt Wassertrensen häufig bereits Correction Bits und andere schärfere Zäumungen eingesetzt werden, um das Pferd auf dem kurzen Dienstweg in die gewünschte Kopfhaltung zu bringen. Und viele Reiter scheinen sich keine Gedanken darüber zu machen, was der ständige harte Kontakt zum Pferdemaul nicht nur dort, sondern im ganzen Pferd anrichtet.
Deshalb kommen wir nun auf die zweite wichtige Komponente zu sprechen, die der Reiter mitbringen sollte, um sein Pferd gesunderhaltend trainieren zu können: eine möglichst weiche Reiterhand.
Warum ist eine weiche, nachgiebige Reiterhand so wichtig? Nun, ist sie fest, begrenzt sie das Pferd in seiner natürlichen Vorwärtsbewegung, was wiederum zu Verspannungen in Pferdehals und -rücken führen kann. Die weiche Hand dagegen soll den natürlichen Nickbewegungen des Pferdes flexibel nachgeben und niemals versuchen, den Pferdekopf in eine bestimmte Richtung zu zwingen oder gar das Tempo zu regulieren.
Was passiert, wenn die Reiterhand „hart“, sprich unnachgiebig ist? „Druck erzeugt Gegendruck. Das Pferd versucht, gegen eine feste, ziehende Reiterhand gegenzuhalten, verspannt dabei seinen Unterhals und damit den Brustkorb nach unten“, erklärt Claudia Wichtmann und schildert auch gleich die Folgen: „Die Muskulatur, mit der das Pferd dagegen hält, verspannt und die Unterhalsmuskulatur wird ungewollt trainiert. Außerdem betrifft das auch die Genick- und Halsmuskeln und da die Muskulatur in Ketten arbeitet, in der Folge auch die Rückenmuskulatur.“ So hält die Rückenmuskulatur fest und kann nicht anspannen und loslassen. Vielmehr geht die Tendenz Richtung Hohlkreuz, was wiederum dazu führt, dass das Becken des Pferdes nicht mehr nach hinten abkippen und nicht wie eigentlich gewünscht Last aufnehmen kann.
Diese liegt dann vermehrt auf der Vorhand, das Pferd sinkt nach vorne-unten ab in die so genannte Trageerschöpfung. Das die simple feste Hand dem Pferd so nicht nur unmittelbare, sondern auch dauerhafte (Muskel-)Schmerzen zufügen kann, realisieren die wenigsten Reiter.
Doch wie geht es besser? Jennifer Friedrich möchte, dass das Pferd durch Unterstützung der Reiterhand in die Balance findet und sich selbst trägt. „Dazu müssen wir als Reiter ver-suchen, ihm verständlich zu machen, dass unsere Hand weder Stütze ist noch es in eine bestimmte Position manipulieren will“, so die Therapeutin, die schon viele Pferde mit herangerittenen Fehlhaltungen in die gewünschte Balance und Selbsthaltung trainiert hat. „Ich finde, ein schönes Bild ist eine leichte Verbindung zum Pferdemaul mit beweglichen Ellbogen, die wie Stoßdämpfer nachgeben und mitgehen.“ Sie selbst wendet bei unerfahrenen oder Pferden in ihrer Therapie gerne eine breite Haltung der Hände mit offener, wegweisenden Führung der inneren Hand an, das helfe den Pferden meist in die erwünschte Losgelassenheit.

Text: Friederike Fritz, Foto: Heike Klar