Jetzt geht’s loooos!

Endlich ins Training

„Schwuppdiwupp“ oder für viele auch „Endlich!“ sind die ersten zwei Jahre rum und der Absetzer ist zu einem stattlichen American Quarter Horse herangewachsen. Nun geht’s langsam aber sicher ins Training. Aber wann ist der beste Zeitpunkt und wie sollte der Trainee gestartet werden? Wir haben mit Sandra Breitenstein gesprochen, die seit Jahren erfolgreich junge Pferde anreitet und showt.

In welchem Alter nimmst Du die Jungpferde als Trainees in die Ausbildung?
Die Frage ist genauso ungefährlich zu beantworten wie den eigenen Impfstatus bei Telegramm zu veröffentlichen. Der Beginn der Aus-bildung ist eins der am emotionalsten diskutierten Themen. Generell hängt der Beginn der Ausbildung von sehr vielen Faktoren ab: späterer Verwendungszweck bzw. Zielsetzung, Abstammung, geistige Reife, Hormonhaushalt und daraus resultierende Spannungen innerhalb der Herde. Die körperliche Entwicklung hab ich extra nicht aufgezählt, weil es mir am Anfang im Training nicht darum, geht ein Pferd körperlich zu belasten.
Womit geht es los: Bodenarbeit, Longieren oder gleich rauf aufs Pferd?
Am Anfang stehen für mich Geduld und Balance. Das bedeutet: Die jungen Pferde müssen lernen, Langeweile zu ertragen. Ruhig angebunden zu stehen, ohne dass ihr Mensch um sie herumturnt und das große Wellness-Programm fährt, sondern einfach die Akzeptanz, dass sie gerade nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen und ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist. Das ist ein sehr vernachlässigter, aber unglaublich wichtiger Punkt in der Ausbildung. 
Bei der eigentlichen Bodenarbeit geht es mir persönlich darum, den jungen Pferden bei der Findung ihrer Balance zu helfen. Ich arbeite meine Pferde so, wie ich sie auch später unter dem Sattel arbeiten möchte. Wenn das Pferd zum Beispiel auf der inneren Schulter hängt und nach außen schaut, drehe ich die Pferde nicht schnell und hart nach außen um, sondern schiebe wie beim Schenkelweichen den kompletten Rippenkasten des Pferdes nach außen. Ich versuche, dem Pferd einen Weg aufzuzeigen, wie es sich auf einer Kreislinie leichter ausbalancieren kann und korrigiere nicht einfach stumpf. Erst sollte ein Pferd seine eigene Balance auf einer Kreislinie gefunden haben, bevor es mit dem Reitergewicht konfrontiert wird.
Worauf legst Du anfangs beim Reiten besonderen Wert?
Die Pferde können noch nicht aktiv mit Rücken und Bauchmuskulatur ihren Reiter tragen, deswegen halte ich Reitzeit so kurz wie möglich, mit ganz kurzen Schritt-Reitphasen, da die Pferde – auch wenn es merkwürdig klingt – im Schritt am wenigsten in der Lage sind, den Reiter zu tragen. Daher ist die Belastung im Schritt am größten. Ich wärme die Pferde an der Longe gründlich auf und sitze dann anfangs maximal zehn Minuten auf dem Pferd. Wenn die Pferde gelernt haben, sich durch das Bein des Reiters aufwölben zu lassen, beginnt das aktive Tragen des Reiters und die Trainingszeit kann erhöht werden.

Stichwort Überforderung: Wie vermeidest Du diese bzw. was tust Du, wenn Du merkst, es wird zu viel fürs Pferd?
Die meisten Pferde werden durch die in der letzten Antwort genannten Faktoren überfordert: Es sind oft noch nicht tragfähige Pferde, die bereits über 30 Minuten im Schritt ins Gelände geritten werden. 
Die vermeintliche Entspannungsarbeit für den Kopf ist aber Schwerstarbeit für den Rücken des Jungpferdes. Eine andere Art der Überforderung ist das Thema Balance: Wenn die Pferde ihre eigene Balance noch nicht gefunden haben oder von ihrem Reiter permanent aus der Balance gebracht werden, beginnt der Kampf gegen die Fliehkräfte. Die Pferde fühlen sich unwohl und beginnen, gegen die Hilfen des Reiters zu arbeiten. Der Reiter kommt in der Folge noch mehr aus der Balance und verstärkt das Problem. Das wird oftmals zu einem richtigen Problemstrudel, der seinen Anfang tatsächlich in der Balance des Pferdes und dem Sitz des Reiters, hat.

Was sollte ein Pferd, das zu Dir ins Jungpferdetraining kommt, alles bereits können?
Man wünscht sich ein Jungpferd, welches absolutes Vertrauen zum Menschen hat, sich überall anfassen lässt und dabei aber den nötigen Respekt vor Menschen hat, den Menschen seinerseits nicht überall „anzufassen“.

Das Interview führte Friederike Fritz. Foto: privat