Jungpferd selber anreiten?
Eine Geschichte von Herzblut, Schweiß & Freudentränen
Das Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde – das hat Tatiana Köhler schon im Kindheitsalter festgestellt. Deshalb reitet sie seit über zwei Jahrzehnten und hat inzwischen mit ihrer sechsjährigen AQH-Stute Reva das zweite eigene Pferd. Mittlerweile besteht das Glück aber nicht nur im Reiten an sich, sondern auch in der eigenhändigen Ausbildung von Reva. Über ihre persönlichen Erkenntnisse als „laienhafte Jungpferdeausbilderin“ berichtet sie exklusiv im Quarter Horse Journal.
Einmal im Leben ein eigenes junges Pferd erwerben und trainieren, davon träumt so ziemlich jeder Reiter. Diesen Traum hatte ich nie – und dennoch habe ich es getan und mir 2018 die zweieinhalbjährige AQH-Stute Einstein’s Legacy gekauft. Hier möchte ich meine sehr persönliche Geschichte, meine eigenen Erfahrungen und Erlebnisse teilen – und damit vielleicht manchen Leser inspirieren, motivieren, vielleicht auch Mut zusprechen. Rückblickend gehört der Kauf eines Jungpferdes im Jahre 2018 nach wie vor zu den wagemutigsten Entscheidungen meines Lebens, die ich jedoch immer wieder so treffen würde. Erworben habe ich Reva vor über drei Jahren mit dem Ziel, sie selbst auszubilden. Aus heutiger Sicht zugegebenermaßen ein ziemlich naiver Gedanke, denn dies gestaltete sich anspruchsvoller als gedacht.
Manchmal kommt alles anders
Ich reite bereits seit Kindesbeinen und würde mich als erfahrene Reiterin bezeichnen. Nachdem meine erste Stute nach vielen gemeinsamen Jahren 2017 starb, wollte ich eigentlich kein eigenes Pferd mehr und erst recht keine Stute, keinen Fuchs und kein unerfahrenes Pferd. Kurzum: All das, was Reva nun war beziehungsweise ist, wollte ich eigentlich nicht. Mittlerweile habe ich durch Reva natürlich verstanden, dass man oftmals im Leben nicht das bekommt, was man will – aber immer exakt dass, was man braucht. Wie es trotz meiner anfänglichen Haltung zu Jungpferden überhaupt dazu kam, dass ich Reva kaufte? Nun ja, es war tatsächlich die berühmte Liebe auf den ersten Blick. Als ich Reva sah, verliebte ich mich auf der Stelle in diese wunderbare Stute, sodass alle erwähnten Gründe auf einen Schlag keine Rolle mehr spielten. Zudem hat mich ihr Pedigree irgendwie doch beeindruckt: Ihr Vater ist mit Einsteins Revolution ein bekanntes Reiningpferd, auch ihre Mutter Telightful Crome trägt Gene von großen Reiningpferden in sich. Reva war zum Zeitpunkt des Kaufes zweieinhalb Jahre alt, sie beherrschte alle drei Gangarten mit Sattel an der Longe, das Kommando „Anhalten“ (Whoa) sowie das übliche Jungpferde-ABC. Außerdem wurde sie bereits häufig als Handpferd im Gelände mitgeführt.
Über mein tollstes Pferd der Welt
Was Reva kennzeichnet? Sie ist ein äußerst intelligentes und gelehriges Pferd. Das macht es auf der einen Seite einfach, mit ihr zu arbeiten, auf der anderen Seite aber auch schwer.
Gelerntes setzt sie schnell um und bietet es von sich aus an – auch dann, wenn es gerade nicht erwünscht ist. Daher muss ich als Reiterin extrem aufpassen, dass ich nicht ungewollt zum Copiloten und „zum Mitfliegen“ eingeladen werde. Deutlich wird das zum Beispiel beim Angaloppieren auf dem Kreuzpunkt der Acht: Wenn Reva zu wissen glaubt, dass ein schneller Start verlangt werden könnte, macht sie sich mit wehenden Fahnen auf den Weg – unabhängig davon, ob dies überhaupt gewünscht ist. Ich muss sie also konsequent zum Zuhören auffordern und ebenso konsequent das einfordern, was ich mir als Reiterin tatsächlich vorgenommen habe.
Reva ist außerdem ein waschechtes Powerpaket. Es ist jedes Mal ein Vergnügen, sie zu reiten – erst recht, wenn wir gemeinsam einen Gang zulegen. Allerdings macht es diese Charakter-eigenschaft hin und wieder schwer, sie zur Räson zu rufen, um die sich selbst tragende Haltung einzufordern. Mittlerweile habe ich verstanden, dass die ersten 15 Minuten beim Training mit ihr entscheidend sind. Unser kleines Ritual: Tempi, Nachgiebigkeit im Gebiss, Schulter- und Hüftkontrolle werden so lange abgeprüft, bis sich ihre volle Aufmerksamkeit auf mich richtet. Und erst dann fangen wir mit dem tatsächlichen Training an. Ebenso positiv: Sie hat noch nie schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht, ist verschmust und sehr menschenbezogen. Kurzum: Reva ist einfach meine Beste!
Meine Stute mit erheblicher Meinungsstabilität
Allerdings trägt sie natürlich ebenso Charaktereigenschaften in sich, die mich immer wieder aufs Neue herausfordern. Zum einen ist sie sehr meinungsstabil. Wenn Reva zu einem Thema einen Standpunkt entwickelt hat, dann hält sie an diesem vehement fest. Kämpfe mit ihr auszutragen und Druck auszuüben führt nicht zum Erfolg. Vielmehr habe ich gelernt, ihre Meinung erst einmal zu akzeptieren – und ihr eine andere Option anzubieten. Auf dieser Option können wir dann zumeist weiterarbeiten und sie revidiert nach einer Zeit ihre Meinung von alleine. Weiterhin ist Revas Dominanz schon von klein auf eine Herausforderung. Immer wieder werde ich als Besitzerin von ihr gefragt, wie ernst ich bestimmte Ansagen denn tatsächlich meine.
Zu guter Letzt ist Reva kein Pferd, das schnell ängstlich wird. Aber wenn dies doch einmal geschieht, dann ist sie nicht von 0 auf 100, sondern von 0 auf 1.000. Ehrlich gesagt: Das war für mich als Jungpferdeanfängerin besonders drastisch und angsteinflößend. Ich muss zugeben: Ja, ich war oft mit Reva in Situationen, in denen ich Angst hatte. Das hat mich unsicher gemacht, an meinem Selbstbewusstsein genagt und mich nicht nur einmal an den Punkt gebracht, mich zu fragen, ob ein Profiberitt nicht die bessere Option wäre. Im Rückblick sehe ich es so: Ich glaube, in bestimmten Situationen ist es normal, Angst zu haben – und es gibt keinen Grund, sich dafür zu schämen. Sich Angst einzugestehen, darüber zu reden und Hilfe zu holen, ist das Beste, was man in dieser Situation tun kann. Angst zu ignorieren hingegen bringt nichts. Im Gegenteil: Man kommt mit seinem Pferd nicht weiter und ist latent unzufrieden, denn das Problem löst sich ja nicht einfach in Luft auf.
Übung macht den Meister
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Text: Tatiana Köhler, Foto: Heartistic Photography