Kleine Pferde auf großer Reise
Früh übt sich, wer ein Meister werden will
Im Spätsommer und Herbst finden nicht nur die DQHA-Zuchtschauen und die „Q“ statt, viele Fohlen treten nun auch als Absetzer ihre erste große Reise in einen neuen Stall an. Daher ist es sinnvoll, das vertrauensvolle Einsteigen in den Pferdeanhänger und auch das nachfolgende Fahren zu trainieren. Auch für ein „trainingsfreundliches“ Fahrzeug gibt es so manches zu beachten. QHJ-Autorin Doris Jessen gibt Tipps, wie Fohlen und Jungpferde verladesicher werden, damit die erste Fahr stressfrei für alle Beteiligten wird.
„Nächste Woche wollen wir mit Sandy Chex zur Fohlenschau nach Wenden!“ berichtet meine Freundin Anke. „Hast du schon ausprobiert, ob sie in den Pferdeanhänger geht?“ lautet meine Frage. „Na, die Mutter geht meistens rein, das wird schon irgendwie gehen“, so die Antwort.
Nun ja. Die Mutter stieg nach einigem Zögern missmutig ein und blieb auch – keine Selbstverständlichkeit in dieser Situation – brav stehen. Ihrer fünf Monate alten Tochter, bereits recht selbstständig und keck, war Mama allerdings ziemlich egal. Von wegen „wird schon irgendwie gehen“. Gar nichts ging.
Und das um 7 Uhr morgens im holsteinischer Schmuddelwetter, 150 Kilometer vom Ziel entfernt. Da kommt Freude auf. Am Ende wurde die strampelnde Kleine dann von drei kräftigen Hilfswilligen – zwei hinten mit den Armen um den Po, einer vorne am Strick – auf den Anhänger mehr getragen als geschoben. Für die Heimfahrt dasselbe Spiel…
Im Ernstfall lebensrettend
Es sind nicht nur die planbaren Fohlenschauen oder der spätere Transport als Absetzer oder Youngster, für die ein frühes Kennenlernen des für viele zunächst furchterregenden Pferdeanhängers sinnvoll ist: Jeden Tag können Erkrankungen der Mutterstute oder des Fohlens einen Transport in die Klinik erfordern. Vertrauensvoll einzusteigen und mit möglichst geringem Stresslevel zu fahren kann in solchen Situationen lebensrettend sein.
Der trainingsfreundliche Pferdeanhänger
Gewohnte Umgebungen erleichtern die Aufgabe. „Wichtig ist es, die Rampe und den Anhänger dick mit Stroh einzustreuen, das kennen die Kleinen und haben spontan mehr Vertrauen zum Untergrund als auf glattem Boden“, erklärt Helga Hommel aus Bad Bramstedt in Schleswig-Holstein. Sie reitet seit 30 Jahren erfolgreich im Turniersport, ist Trainerin A, Pferdewirtin, AQHA und APHA Professional Horsewoman. Zudem züchtet sie Quarter Horses und Paint Horses und richtet auf Turnieren.
Da Fohlen vor dem Absetzen meistens mit der Mutter transportiert werden, empfiehlt Friederike Brallentin, für das Training die Mitteltrennwand zu entfernen und vorne und hinten eine lange Stange einzusetzen. So wird der Raum optisch größer und das Einsteigen viel leichter.
Noch einfacher wird es, die ersten Übungen mit einem Modell mit Vorderausstieg zu machen und Mutter und Kind anfangs einfach nur durch den „Tunnel“ durchzuführen. Auch der Stufeneinstieg ist kein Problem: „Wir haben bei unseren Fohlen und Pferden die Erfahrung gemacht, dass es ihnen leichter fällt, über eine Stufe hineinzuklettern als über eine hohl klingende Rampe zu gehen“, bestätigt Helga Hommel.
Verladetraining so früh wie möglich
Verantwortungsbewusste Pferdezüchter und Eigentümer von Fohlen und Jungpferden üben das Führen, Einsteigen und Fahren sehr früh. „Das Training beginnt bei uns schon lange vor dem eigentlichen Verladen. Wir fangen bereits bei dem wenige Tage alten Fohlen an, ein Halfter anzuziehen und es mit der Mutterstute zusammen zu führen“, berichtet Helga Hommel. Dem pflichtet auch Friederike Brallentin bei: „Unsere Fohlen werden schon früh ans Halfter gewöhnt, geführt werden sie anfangs aber noch nicht. Meistens steigen sie mit der Mutter ein, ängstlichere Fohlen fassen wir um den Po und schieben sie sanft auf den Anhänger. Bei den ersten Übungen sind sie auch schon an Kraftfutter gewöhnt. Wenn sie die Futterschüssel sehen, klettern die meisten freiwillig in den Anhänger. Oben gibt es dann ein paar Happen Leckeres und anschließend drehen wir das Fohlen um, damit vorwärts aussteigen kann. Das machen wir dreimal, dann klappt es von allein“, beschreibt Friederike Brallentin.
Ist die Stute noch kein Verladeprofi, muss sie es natürlich als erste lernen. Nur so kann man sie ruhig in den Anhänger führen und dem Fohlen damit ein wenig der berechtigten Skepsis vor der fremden Kiste nehmen.
Kurze Übungsfahrten
Klappt das Einsteigen gut, geht es ans Fahren. Dafür müssen natürlich vorne und hinten die Stangen eingesetzt und die Mutterstute angebunden werden. Das Fohlen steht frei. Hilfreich ist eine Videokamera, mit der man die Pferde immer sehen kann.
„Beim ersten Mal fahren wir nur fünf Minuten durchs Dorf, später auch auf die Schnellstraße. Der Anhänger ist mit einem Fohlengitter ausgestattet und zusätzlich machen wir bei nicht zu heißem Wetter die Plane zu. Dann ist es ein geschlossener Raum wie eine Box. Vorne liegt Heu auf dem Boden. Nach drei Übungsfahrten sind auch die Kleinen schon Verladeroutiniers“, sagt Friederike Brallentin aus Erfahrung.
Und noch ein Tipp: „Um zu verhindern, dass das Fohlen durch Spielerei an der Inspektionstür diese öffnet, binden wir sie zu. Während der Fahrt öffne ich die Tür nicht, sondern schaue auf einem Parkplatz nur durchs Fenster, ob alles in Ordnung ist. Je unruhiger ein Pferd ist, desto wichtiger ist das Fahren. Dabei müssen sich die Pferde ausbalancieren und kommen nicht auf dumme Gedanken“, weiß Helga Hommel.
Sicherheitshalber sei erwähnt, dass die ersten Fahrten (und alle anderen auch) extrem vorsichtig erfolgen müssen: sanft anfahren, langsam in Kurven und mit weiter Voraussicht bremsen. Mit Geduld trainiert, sollte dann auch die Fahrt zur Fohlenschau reibungslos
verlaufen.
Gute Reise in die neue Heimat!
Soll ein Absetzer oder Jungpferd abgeholt werden, gibt Züchterin Brallentin ihren Käufern auch den Rat, ihren Anhänger genauso auszustatten wie es das Pferd gewohnt ist: „Wir transportieren Jungpferde bis zum Alter von zwei Jahren immer freistehend ohne Mitteltrennwand.
Dann können sie sich bewegen, wie sie wollen, gerade oder schräg stehen. Absolute Pflicht ist ein Fohlengitter. Völlig unerfahrene Käufer ziehen es auch oft vor, einen professionellen Spediteur zu beauftragen“, so Friederike Brallentin.
Text und Foto: Doris Jessen