Kilometer machen…
Mehr Kondition für das American Quarter Horse
Gerade in den Sommermonaten lässt sich ganz gezielt über Wochen hinweg an der Kondition arbeiten, da nicht nur die Bedingungen draußen im Gelände optimal sind, sondern lange Tage und helle Abende auch endlich einfach mehr Zeit für ausgedehnte Ritte lassen. Auf geht’s!
Was ist „Kondition“?
Mit dem Begriff „Kondition“ wird die körperliche Leistungsfähigkeit ganz allgemein beschrieben, im allgemeinen Sprachgebrauch und auch im Reitsport aber werden Kondition und Ausdauer oft synonym verwendet. Die Kondition eines Pferdes oder Menschen setzt sich sportwissenschaftlich gesehen deshalb aus verschiedenen Faktoren zusammen, insbesondere dessen
• Kraft,
• Schnelligkeit,
• Koordination,
• natürlich auch der Ausdauer sowie
• Dehnfähigkeit und Gelenkigkeit.
Wenn wir uns mit der Frage beschäftigen, was wir speziell durch längere oder eigens strukturierte Geländeritte erreichen können oder wollen, steht die Ausdauer im Vordergrund – auch deshalb, weil gerade sie vorwiegend im Gelände trainiert werden kann und sollte. Beim Ausdauertraining geht es also nicht um das Einüben oder Verfeinern von Manövern, sondern darum, die Grundlage(n) für eine gute Performance und für die dauerhafte Leistungsfähigkeit des Quarters zu legen – es geht um Leistung, aber es geht eben auch um Erholung.
Und was ist „Ausdauer“?
Wie ausdauernd ein Organismus ist lässt sich daran messen, wie lange eine bestimmte motorische Leistung ohne Ermüdung gezeigt werden kann und wie schnell er sich anschließend wieder erholt (Regeneration). Langstreckenläufe bzw. Distanzritte gelten als typische Ausdauersportarten, doch auch alle anderen Disziplinen verlangen grundsätzlich, dass die abverlangte Leistung über einen bestimmten Zeitraum hinweg konstant abrufbar ist, sich der Organismus anschließend rasch und vollständig erholt.
Ausdauertraining ist demnach nicht nur ein Weg zum Erfolg, sondern vor allem ein Schutz vor Überforderung und damit eine wichtige Basis jeder sportlichen „Nutzung“ unserer Pferde.
Grundsätzlich spielen für die Bewertung und das Training der Ausdauer immer Intensität und Dauer einer Belastung zusammen die entscheidende Rolle. Das wird beim Vergleich mit typischen sportlichen Aktivitäten von uns Menschen deutlich: Sie können eine Strecke von rund 20 km etwa geruhsam wandernd zurücklegen, aber auch so schnell wie möglich bei einem Laufwettbewerb. Wandern und Wanderreiten sind ebenso wie Distanzreiten oder Langstreckenläufe also Sportarten, bei denen es auf Ausdauer ankommt. Trotz des ruhigen Tempos beim Wandern/Wanderreiten etwa braucht es für eine solch lange Strecke durchaus eine angemessene Ausdauer: Die Intensität der Belastung ist gering, wird aber über einen recht langen Zeitraum, über viele Stunden aufrechterhalten. In dieser Zeit sollte es nicht zu einer signifikanten Ermüdung kommen, da dann nicht nur der Spaß an der Sache leidet, sondern da ein müder Wanderer, ein erschöpftes Wanderreitpferd auch Gefahr läuft, sich zu verletzen. Langstreckenläufe oder -ritte dagegen zeichnen sich durch hohe Intensität bei vergleichsweise (gemessen am Wandern bzw. Wanderreiten über dieselbe Strecke) geringer Dauer aus. Der Organismus muss also nicht so lange durchhalten, wird aber sehr intensiv gefordert – das entsprechende Maß an Ausdauer ist gefragt. Daraus folgt: Beim Ausdauertraining können Sie grundsätzlich an zwei Schräubchen drehen, an der Zeitdauer der Belastung und an der Intensität.
Sie können das Konditions- bzw. Ausdauertraining eher fundiert und wissenschaftlich angehen, eine bestimmte Trainingsmethode wählen (Intervalltraining, Dauermethode), sich über anaerobes und aerobes Ausdauertraining informieren, ein detailliertes Trainingstagebuch führen und den Trainingserfolg durch den Einsatz von Messmethoden (Erhebung der Laktatwerte im Blut, Pulsmesser am Pferd) engmaschig überwachen und überprüfen. Je höher das Leistungsniveau eines Pferdes, desto wichtiger wird dieses methodische Vorgehen. Viele Reiter/-innen und ihre Pferde profitieren aber bereits erheblich von einem „Ausdauertraining light“, sie wollen in erster Linie unbeschwert ins Gelände gehen und mehr so nebenbei auch an der Kondition arbeiten. Das können Sie tatsächlich auch mit relativ geringem Aufwand, ohne große Vorkenntnisse und mit einfachsten Mitteln tun. Ganz auf eine Überwachung des Trainingsverlaufs und -erfolgs sollten Sie aber dennoch nicht verzichten!
Wie messe ich die Ausdauer meines Pferdes?
Ein leicht zu erhebendes Maß sowohl für die aktuelle Kondition als auch für den Erfolg Ihrer Trainingseinheiten sind die aktuellen Werte von Puls und Atmung, und zwar sowohl unter der Belastung als auch danach. Dabei lässt sich die Atemfrequenz einfacher als der Puls und sogar vom Sattel aus erheben – Sie beobachten einfach die Flankenbewegungen Ihres Pferdes und zählen mit. In der Ruhe wird Ihr Pferd etwa 8 bis 12 Atemzüge pro Minute machen, in der Belastung steigt dieser Wert je nach Intensität der Leistung auf bis zu etwa 80 pro Minute.
Der Erfolg eines Ausdauertrainings zeigt sich darin, dass Sie im Laufe der Zeit
• bei gleicher Belastung (Intensität und Dauer) niedrigere Werte messen und/oder
• bei höherer Belastung dieselben Werte erheben wie zuvor bei niedrigerer Leistung und/oder
• Ihr Pferd nach dem Ende der Trainingseinheit früher wieder die Ruhewerte erreicht.
Die Kontrolle der Atemfrequenz ist auch ein wichtiges Mittel zum Schutz vor Überforderung. Steigt die Atemfrequenz deutlich über 80 oder liegt sie etwa eine halbe Stunde nach dem Ende der Leistung noch bei über 40, ist dies ein Alarmsignal.
Ausdauer verbessern im Gelände
Wie sieht nun Ausdauertraining im Gelände konkret aus? Grundsätzlich gilt – wie immer – die Einteilung Ihrer Trainingseinheit in drei Phasen: Aufwärmen, Arbeiten, Entspannen. Es geht im Schritt los und im Schritt zurück zum Stall. Beim Ausdauertraining ändern Sie nun gezielt die Inhalte der Arbeits- oder Leistungsphase. Außerdem achten Sie darauf, beim Trab und Galopp immer entlastend zu sitzen und Ihr Pferd frei vorwärts zu schicken. Üben Sie sich darin, die aktuelle Leistungsfähigkeit Ihres Pferdes gut einzuschätzen und das Training tagesaktuell anzupassen. Ihr Ziel: Sind Sie am Stall angelangt, sollte Ihr Pferd theoretisch problemlos in der Lage sein, dieselbe Strecke noch einmal zu absolvieren.
Zunächst geht der Fokus vermehrt in Richtung langer Trabreprisen in einem ruhigen Tempo. Diese Trabstrecken werden immer wieder von Ruhepausen im Schritt abgelöst. Sorgen Sie für gleitende Übergänge und ein gleichmäßiges Tempo bis zum Schluss. Sie gehen zum Walk über, BEVOR Ihr Quarter ermüdet und das Tempo rausnimmt. Überwachen Sie immer wieder die Atmung und auch andere Parameter, etwa das Schwitzen oder die Aufmerksamkeit Ihres Pferdes. Mit der Zeit dürfen die Trabreprisen länger werden, die Schrittpausen fallen kürzer aus.
Schalten Sie nun auch Galoppstrecken ein, zunächst ebenfalls in ruhigem Tempo und mit Schrittpausen dazwischen. Macht die Ausdauer Fortschritte, dürfen die Galoppstrecken länger, die Pausen kürzer werden.
Später können Sie damit beginnen, in die Phasen des ruhigen Trabs oder Galopps kurze Sprints einzubauen, in denen Sie gleitend für kurze Strecken ein höheres Tempo verlangen. Auch können Sie die Gesamtdauer des Trainings hochfahren und so zusätzliche Trab- bzw. Galoppreprisen einbauen.
Es gilt:
• Verlängern Sie zunächst die Dauer der einzelnen Trab- und später der Galoppstrecken,
• bauen Sie dann kurze Sprints (bis zu etwa einer halben Minute) ein,
• verlängern Sie die Gesamtdauer des Rittes und damit auch der Trab- bzw. Galoppphasen und in der Folge
• die Dauer der Sprints (auf wenige bis höchstens drei Minuten).
Sie vermeiden es also konsequent, an zwei Schräubchen – Dauer und Intensität – gleichzeitig zu drehen.
Zur Messung der Atemfrequenz halten Sie am besten während des Rittes kurz an und messen zusätzlich eine gewisse Zeit nach dem Ende des Ausflugs. Damit die erhobenen Werte auch vergleichbar sind, braucht es eine gewisse Routine: Messen Sie etwa immer genau
5 min nach dem Ende einer Galopp- oder Trabstrecke und exakt 30 min nach dem Absitzen.
Da geht noch mehr!
Es spricht nichts dagegen, über die Sommermonate Ihren Fokus grundsätzlich vermehrt auf die Steigerung der Ausdauer oder der Gesamtkondition zu legen, Sie sollten aber nicht öfter als zwei- bis dreimal pro Woche gezielt daran arbeiten. Bauen Sie an den anderen Tagen Erholungseinheiten, Bodenarbeit oder andere Trainingsformen mit den gewohnten Schwerpunkten ein. Gehen Sie nicht dazu über, auch unabhängig von der Arbeit unter dem Sattel auf mehr Ausdauer hin zu trainieren, etwa durch eine Verlängerung der Zeit in der Führanlage oder an der Longe – die Motivation Ihres Pferdes wird abnehmen, seine Belastung vor allem durch die Arbeit auf dem Zirkel (Fliehkräfte, Scherkräfte) zunehmen.
Wichtig ist immer, dass Sie den Trainingsreiz gezielt und überlegt setzen, also ein Gesamtkonzept im Kopf haben, nicht übertrainieren, die Anforderungen langsam steigern und Pausen machen.
Die Anpassung des Organismus an die erhöhten Anforderungen erfolgt in der Pause, also nach dem Training, deshalb sind Ruhetage und Regeneration so wichtig!
Einige Extras
Arbeiten Sie unbedingt auch an Ihrer eigenen Fitness. Vielleicht kombinieren Sie das Angenehme mit dem Nützlichen und gehen zusammen mit dem Pferd erst Walken, später Joggen. Denken Sie daran, die Futterration Ihres Quarters tagesaktuell den abverlangten Leistungen anzupassen: Das Pferd braucht nun mehr Energie als Brennstoff und hochwertige Aminosäuren für den Muskelaufbau. Und sorgen Sie unbedingt dafür, dass sich Ihr Pferd nach der Anstrengung rasch und umfassend erholt: absatteln, abschwammen, wälzen lassen, füttern, auf die Weide verbringen. Nach dem Training ist vor dem Training!
Text: Angelika Schmelzer, Foto: Christina Albrecht-Hoschka