Wendungen als Gymnastizierung

Leichte Schulter, tiefer Schwerpunkt

Wenden und Biegen liegen nah beieinander. Bei jeder Wendung sollte sich ein Pferd auch biegen. Wer seine „Hausaufgaben“ gemacht und die Biegeübungen aus der Novemberausgabe des QHJs fleißig trainiert hat, kann nun an die Wendung gehen. DQHA Professional Horsewoman Gabi Kelch erläutert Schritt für Schritt den Weg zum perfekten Turn.

Beobachtet man zwei Pferde beim Spiel fällt auf, wie leichtfüßig sie ihre Schultern wenden und dabei in Balance bleiben. Um ein Pferd unter dem Sattel zu wenden, muss man ihm zunächst beibringen, sich mit Reitergewicht auszubalancieren. Dazu braucht es Körperkoordination und -gefühl. Baut man das Manöver Schritt für Schritt auf, kann die Wendung bis zu einem Rollback ausgebaut werden.
Wenden wir die Schultern des Pferdes über eine Hinterhandwendung, lernt es, für einige Momente die Last auf seinem inneren hinteren Bein zu halten. Das äußere Hinterbein stößt im Wechsel nach vorne in Richtung Vorderbeine ab. Das Pferd muss sich dabei konzentrieren, koordinieren und es braucht Kraft, um im Gleichgewicht zu bleiben und das Manöver auszuführen.

Dem Pferd Zeit lassen

Das Körpergewicht bei einer Wendung auf die Hinterbeine zu verlagern, kann – je nach Pferd – einige Zeit dauern. Manche Pferde verstehen den Ablauf nicht so schnell, andere tun sich körperlich schwer, ihre Gelenke zu beugen.
Zu Beginn können sich daher durchaus Widerstände ergeben. Probleme – auch körperliche – werden aufgezeigt und es besteht die Möglichkeit, diese „wegzuarbeiten“. Verschlechtert sich zum Beispiel etwas durch eine Übung, könnte hier eine Baustelle sitzen, die durch fachliche Behandlung eines Tierarztes, Osteopathen oder Physiotherapeuten angeschaut werden sollte. Denn: Erreichen wollen wir durch das Training natürlich genau das Gegenteil – das Pferd wird geschmeidiger, beugt sich tiefer in der Hinterhand, wird leicht in der Schulter und verändert dadurch seine Kopf-/Halshaltung.
Deshalb lohnt es sich, hier wieder mit viel Geduld zu arbeiten und anfangs nach nur einem richtigen Schritt anzuhalten und das Pferd zu belohnen und ihm Zeit zu geben, damit es erkennen kann, welche Reaktion wir auf unsere Hilfe erwarten.

Die Bande als Begrenzung

Beginne ich mit einem unerfahrenen oder jungen Pferd eine Hinterhandwendung, reite ich in einer zirka 45° Grad-Abstellung auf die Bande zu und lasse es kurz davor anhalten. Die Bande hilft mir, das Pferd nach vorne zu begrenzen, so dass ich nicht so viel Zügeleinwirkung benötige, falls es vorwärts laufen sollte.
Angenommen, ich reite linke Hand auf dem dritten Hufschlag und stoppe mein Pferd bei A oder C leicht schräg zur Bande. Nun nehme ich mit beiden Zügeln gleichmäßig sanften Kontakt zum Pferdemaul auf, der linke Zügel liegt am Hals, meine rechte Hand führe ich etwas nach rechts und achte darauf, dass mein Pferd leicht in Bewegungsrichtung gestellt ist. Gedanklich setze ich mich auf das rechte, in der Wendung innere Hinterbein, um es am Boden zu halten und drehe meinen Kopf leicht nach rechts. Damit belaste ich meinen rechten Sitzbeinhöcker etwas mehr. Zusätzlich achte ich darauf, dass meine Schultern hinten bleiben. Mein linker Schenkel gibt treibende Impulse kurz hinter dem Gurt und animiert das Pferd, mit den Vorderbeinen seitwärts zu treten.
Die Impulse setze ich erst aus, wenn das Pferd sein rechtes Vorderbein einen Schritt zur Seite nach rechts gesetzt hat. Sollte es sich durch Rückwärtsgehen entziehen, gebe ich mit den Zügeln etwas nach, treibe aber weiter, bis der erste richtige Schritt zur Seite kommt. Dann sofort loben, Pause und wiederholen.

Taktreinheit als Ziel

Aufbauend stoppe ich parallel zur Bande auf dem ersten Hufschlag und frage die Wendung Schritt für Schritt ab (d. h., ich baue nach jedem richtigen Schritt eine kleine Pause ein), bis ich eine 180° Grad-Hinterhandwendung reiten kann.
Geht das problemlos, ist es das nächste Ziel, die Wendung in einem gleichmäßigen Takt und an jeder beliebigen Stelle der Reitbahn zu reiten, auch ohne Anlehnung an der Bande. So arbeite ich auf beiden Seiten, bis das Pferd den Ablauf verstanden hat.
Es ist nicht wichtig, dass alles gleich perfekt und korrekt klappt. Das Pferd soll lernen, sich entsprechend zu positionieren und seine Schulter zu bewegen. Zusätzliches Analysieren der eigenen Hilfengebung nach jeder Wendung hilft, schnell eine Verbesserung des Manövers zu erzielen.
Sitzt alles, kann ich mein Pferd spielerisch zwischen ein paar Tritten HHW links und rechts abwechseln lassen. Es bleibt aufmerksam und lernt, sein Gewicht abwechselnd aufs rechte/linke Hinterbein zu übertragen. Je mehr es die Hinterbeine beugt, umso leichter fällt es ihm, leicht zu werden und seine Schultern zu wenden.
Fazit: Eine „leichte“ Schulter setzt eine bewegliche Hinterhand voraus!

Text und Foto: Gabi Kelch