Vom Jungpferd zum Reitpferd II
In der Aprilausgabe konnten unsere Leser bereits das Anreiten des jungen AQH Blaze verfolgen, der aktuell bei Lena Felder im Training ist. Inzwischen sind wieder einige Wochen vergangen und Blaze hat sehr viel dazugelernt. Vom Round Pen ging es in die Halle und auch Eigentümerin Corrie Fuhr durfte die ersten Runden drehen.
Ein weiterer Meilenstein in der Ausbildung junger Pferde ist der Übergang des Trainings vom Round Pen in die große Halle. Während das Pferd im Round Pen alleine gearbeitet wird, laufen in der Reithalle zumeist noch andere Pferde und es gibt viel mehr Ecken mit vermeintlichen Gespenstern, die dem Nervenkostüm des Youngsters zusetzen können. Manche haben regelrecht Angst vor ihren Artgenossen und versuchen, ihnen weiträumig aus dem Weg zu gehen. Andere wiederum zieht es eher zu den fremden Vierbeinern hin, mit denen sie sich die Halle teilen. In den ersten Tagen liegt daher das Augenmerk des Trainers vermehrt auf der Lenkung. Das sieht zu Beginn natürlich noch sehr unkoordiniert aus. Recht bald hat das Pferd jedoch verstanden, dass es in Ruhe gelassen wird, wenn es der Zügelhilfe unmittelbar nachgibt und folgt.
Somit lassen sich die meisten Pferde bereits nach wenigen Trainingseinheiten relativ gut lenken.
Abenteuer Reithalle
Je nach Pferdetyp läuft es diese ersten Runden in der großen Halle ebenfalls noch in gebissloser Zäumung. Blaze gehört eher zu den phlegmatischen Vertretern seiner Rasse. Aus diesem Grund wurde er relativ schnell vom gebisslosen Sidepull auf ein Snaffle Bit umgestellt. Ein Gebiss bedeutet nun aber nicht, dass der Reiter permanent Kontakt zum Pferdemaul hat oder dass er das Pferd härter anpackt. Auch oder gerade mit dem Snaffle Bit wird das Pferd zunächst am langen Zügel ohne Anlehnung geritten. Die Zügel werden anfangs nur zum Lenken benutzt. Zuerst wird das Pferd „höflich gefragt“, ob es dem leichten Zug im Maul folgen möchte. Reagiert es brav, wird sofort losgelassen. Folgt es nicht, wird die Hilfe deutlicher. Wichtig ist, dass sofort ein Loslassen erfolgt, wenn das Pferd reagiert. Dadurch bleibt es fein im Maul und ist bestrebt, dem Zügel gleich zu folgen.
Würde man in dieser Phase des Trainings bereits mit aufgenommen Zügeln arbeiten, würde das junge Pferd unter Umständen dem Druck zu entweichen versuchen, indem es sich nach unten aufrollt statt sich lenken zu lassen.
Der große Moment: das erste Mal auf den eigenen Youngster
Nach etwa drei Monaten unter dem Sattel kommt dann auch für den Besitzer der große Moment und er darf zum ersten Mal auf den Rücken seines zukünftigen Reitpferdes klettern. „Bei meinen ersten Runden kam ich mir buchstäblich vor wie die Butter auf der heißen Kartoffel!“, berichtet Corrie von ihrem ersten gemeinsamen Ritt. „Aber Blaze war mega brav und hat mir von Anfang an ein Gefühl der Sicherheit vermittelt.“ Wie sehr man sich auch als Reiter erst einmal wieder auf ein Jungpferd einlassen muss, war Corrie bereits nach der ersten Stunde klar. Auch wenn sie schon seit Kindesbeinen reitet, in den vergangenen sieben Jahren saß sie nur noch sporadisch im Sattel und diese Pferde waren zudem sehr gut ausgebildet. „Da konnte ich mich ganz auf mich konzentrieren, während ich bei Blaze eben auf ihn und auf mich aufpassen musste. Da raucht einem ganz schön der Kopf nach der Trainingseinheit!“
Trainingseinheit im Detail
Je nachdem, wie frisch der Kandidat ist, geht es zunächst an die Longe, um überschüssige Energie abzulassen. Dann beginnt die Trainingseinheit zunächst mit ein paar lockeren Runden im Schritt und Trab, wobei hier weiter an der Lenkung gefeilt wird. Diese Übung bringt die Pferde zu Beginn auch dazu, sich mehr auf den Reiter als die Umgebung zu konzentrieren. Anschließend wird an Stellung und Biegung gearbeitet. Im Verlauf der Ausbildung werden die Übungen, die zunächst nur im Schritt gemacht wurden, auch im Trab geritten und später dann im Galopp. Wurde das Pferd auf beiden Seiten gebogen, sowohl in Innen- wie auch in Außenstellung, kann man zur nächsten Übung übergehen. Dies kann zum Beispiel das Schenkelweichen sein. Zunächst nimmt man sich dafür noch die Bande zur Hilfe, um das Pferd nach vorne zu begrenzen. Ist es weiter fortgeschritten, klappt die Übung auch ohne Begrenzung. Wichtig ist hierbei, dass das Pferd gerade bleibt und nicht über die Schulter wegläuft. Im weiteren Verlauf des Trainings kommt zu den gymnastizierenden Übungen noch das Hüfteschieben hinzu.
Das Aufnehmen: Ans Gebiss reiten
Eine weitere Übung zur Aktivierung der Hinterhand ist das Aufnehmen. Hierfür wird das Pferd sanft mit beiden Schenkeln an das Gebiss herangetrieben, bis es nach vorne-unten nachgibt. Der Reiter belohnt es damit, dass er den Zügel in diesem Moment ebenfalls loslässt. Dies ist für das junge Pferd natürlich noch sehr anstrengend, weshalb es zu Beginn nicht lange von sich aus in dieser Haltung bleibt. Erst mit der Zeit, wenn es genügend gymnastiziert und ausbalanciert ist und gelernt hat, sich selbst zu tragen, wird es sich auf minimale Einwirkung versammeln und über den Rücken laufen. Daher ist es wichtig, bei dieser Übung darauf zu achten, dass das Pferd nicht einfach nur vorne festgehalten wird, sondern durch den treibenden Schenkel die Hinterhand aktiviert wird. Ohne diese Hilfe würde man nämlich keine Versammlung provozieren, sondern lediglich, dass sich das Pferd aufrollt und weiterhin auf die Vorhand fällt.
Erste Reiningmanöver
Da Blaze in Richtung Reining ausgebildet wird, fließen in seine Grundausbildung neben der Gymnastizierung auch bereits die ersten Reiningmanöver ein. So gehören die Grundlagen zum Spintraining ebenfalls in seinen Trainingsplan, wie auch Zirkeln, Rundown, Rückwärtsrichten, Galoppwechsel oder der Stop.
Nach fünf Monaten Training bei Lena Felder, das bewusst langsam und schonend gestaltet wurde, zeigt er nun die ersten Ansätze zum Spin und Stop. Ebenfalls hat er bereits gelernt, den Zirkel zu halten und weiß, was ein Rundown ist. Auch Zirkel im Außengalopp als Vorbereitung auf den Galoppwechsel kennt er bereits. Am Stop wurde bisher noch nicht gezielt gearbeitet, da er bis dato noch nicht mit Slidingeisen beschlagen ist. Das Wort „Whoa“ kennt er jedoch bereits und ist aufgrund seines doch sehr faulen Wesens auch immer bestrebt, dieses Kommando direkt umzusetzen.
Physio, Zahnarzt und Hufschmied
Das regelmäßige Vorstellen junger Pferde beim Schmied sollte selbstverständlich sein. Doch wie sieht es mit Physio und Zahnarzt aus? Nicht nur ältere Pferde profitieren von der Behandlung eines Physiotherapeuten. Auch und gerade jungen Pferden tut man Gutes, wenn man sie frühzeitig einem Physiotherapeuten vorstellt. So kann gleich zu Beginn der Ausbildung festgestellt werden, ob Blockaden vorliegen, die mit dem Reiten an sich vielleicht noch gar nichts zu tun haben. Auch Blaze genoss die Behandlung von Simone Klein, welche keine größeren Blockaden bei ihm feststellte. Einen Termin beim Zahnarzt musste der Youngster ebenfalls wahrnehmen. Dabei wurden ihm die Wolfszähne entfernt und eine leichte Zahnkorrektur vorgenommen.
Bis Juli/August wird Blaze nun noch im Training bei Lena Felder am Behrhof bleiben, ehe er nach Hause darf. Aufgrund der diesjährigen Coronapandemie bleibt noch abzuwarten, wann der junge Nachwuchssportler dann das erste Mal Turnierluft schnuppern wird.
Text und Foto: Corrie Fuhr