Freiheit im Gelände

Geländetraining fürs American Quarter Horse

Sie sind wendig, zuverlässig und mit denkbar guten Nerven ausgestattet. Geschmeidig galoppieren sie in perfekter Selbsthaltung über Stock und Stein einem flinken Rind hinterher, durchqueren lässig und ohne mit der Wimper zu zucken ein Bachbett und sind auch im schnellen Galopp jederzeit lenk- und kontrollierbar. Ja, so stellen wir uns ein zuverlässiges American Quarter Horse im Gelände vor.

Und dennoch drehen die allermeisten Cowboys und -girls ihre täglichen Runden sicher umzäunt in der Reithalle oder auf dem Platz. Warum eigentlich? 

Die meisten Vertreter unserer AQHs werden dem Anspruch an ein zuverlässiges Arbeitspferd voll und ganz gerecht und entfalten in anspruchsvoller Umgebung ihr ganzes Potential. 

Allerdings erfordert ein zuverlässiges Geländepferd auch entsprechendes Training, denn nur ein sicheres Pferd, das gut an den Reiterhilfen steht und rittig ist, macht im Gelände Spaß.

Alles, was ein Pferd im Gelände können muss und noch viel mehr, kann auch dort trainiert werden, wenn das Pferd in den Grundgangarten unter dem Reiter das ABC beherrscht. Und wenn das Gelände dann erst einmal so vertraut geworden ist wie Halle und Reitplatz, ist die (Trainings-)Freiheit nahezu grenzenlos.

Zunächst aber gilt es, unser zukünftiges Outdoor-AQH fit für Stock und Stein zu machen – los geht’s!

Vorwärtsreiten

Wir verstehen uns richtig: Es handelt sich beim Trainingsritt im Gelände nicht um die übliche Bummelrunde „um die vier Ecken“. Es geht darum, unseren Vierbeiner unter anderen Voraussetzungen zu trainieren, das reiterliche Umfeld zu wechseln und das übliche Basis-Trainingsrepertoire auf neues Terrain zu verlegen. 

Natürliches Gelände jenseits von Halle und Reitplatz stellt eine echte Herausforderung dar: Neben der wechselnder Bodenbeschaffenheit, die sich zudem je nach Witterung täglich ändern kann, Steigungen und Gefälle ist das Pferd im Gelände auch völlig anderen Reizen ausgesetzt. Die Umgebung kann unübersichtlich sein, fremde Geräusche lenken ab und wer weiß, was alles hinter Büschen und Bäumen lauert?

Vertrauen ist deshalb die wichtigste Grundlage für entspanntes wie effektives Reiten im Gelände. Dabei obliegt es dem Reiter, seinem Pferd Sicherheit zu vermitteln, und dies gelingt in den allermeisten Fällen durch zügiges Vorwärtsreiten. Zögert der Mensch, so vermutet ein schlaues AQH, dass irgendwo weiter vorne etwas nicht stimmen könnte.

Flottes Schrittreiten zu Beginn des Rittes wärmt das Pferd auf und verhindert, dass es guckig wird. Clinton Anderson von Downunder Horsemanship zum Beispiel empfiehlt, Strecke zu machen und das im Arbeitstempo. Sein Credo lautet: „Das Pferd soll wissen, dass es einen Job zu erledigen hat und seine Füße bewegen darf!“ Flottes Vorwärtsreiten verhindert zudem, dass das Pferd „Monster“ zu suchen beginnt, sich mehr auf die Umgebung als auf seinen Reiter konzentriert. Also: Schon beim Losreiten sollte keine Langeweile aufkommen! 

Geländestruktur nutzen

Anfangs sollte die Route durchs Gelände so genutzt werden, dass das Pferd lösend vorwärts geritten werden kann, gerne im Vorwärts-Abwärts und ohne zu viel Zügel, dafür aber mit Bein. Dazu eignen sich möglichst breite, gradlinige Wege mit wenig oder sanfter Steigung und ohne Gefälle. Hier kann das Pferd im weiteren Verlauf bereits leicht gebogen und gestellt werden, als Reiter kann man abfragen, ob es dem angelegten Schenkel willig weicht und – ganz wichtig – sich jederzeit mühelos anhalten lässt. Auf solchen Strecken lernen auch unerfahrene Geländepferde, Vertrauen aufzubauen, bevor es dann auf anspruchsvollere Pfade geht. Der Zeitfaktor spielt auch hier eine wichtige Rolle, betont auch Clinton Anderson. „Versuche nicht, am ersten Tag den Grand Canyon zu durchreiten“ rät er allen, die ins Geländereiten einsteigen.

Sicherheit ist die Basis

Wir alle wünschen uns ein AQH, das sicher und absolut cool in allen Lebenslagen mit uns unterwegs ist. Das aber setzt gründliche Vorarbeit voraus, ohne das Pferd zu überfordern. Wer ein bis dato Gelände-unerfahrenes Pferd plötzlich physisch und psychisch anspruchsvollen Strecken aussetzt, riskiert nicht nur vermeidbare Unfälle, sondern auch, dass unser toughes AQH sein Vertrauen in uns und die Umwelt verliert. Also die ersten Trainings im Gelände in Hinblick auf Souveränität absolvieren, bevor es dann daran geht, anspruchsvollere Streckenabschnitte oder Lektionen zu integrieren. Nur ein Pferd, das sich sicher fühlt und seinem Reiter vertraut, kann sich auf seine Aufgaben konzentrieren.

Training in der Gruppe?

Wer ungern alleine im Gelände unterwegs ist, sollte sich für das Training geeignete Mitreiter suchen, die die gleichen Ziele verfolgen. Bei mehr als drei bis vier Reitern wird es schwierig, denn in einer größeren Gruppe sind individuelle Trainingsimpulse nur schwer umsetzbar. 

Die Vorteile von gemeinsamem Trainieren im Gelände? Man kann sich gegenseitig Tipps geben und gegebenenfalls korrigieren. Zu mehreren fällt es leichter, neue Herausforderungen zu kreieren und zu meistern und mehr Spaß als alleine freistehende Bäume zu umrunden macht es allemal. Übrigens: Im Gelände die Abstandregeln einzuhalten ist wesentlich leichter als in der Reithalle.

In einer kleinen Gruppe kann das Training noch erweitert werden, indem daran gearbeitet wird, den natürlichen Herdentrieb der Pferde zu minimieren und so das gefürchtet Kleben zu verhindern.

Grundübung ist das wechselnde Reiten am Anfang oder am Ende der Truppe. Dann kann man dazu übergehen, dass der letzte Reiter abwendet, von den sich entfernenden Kollegen wegreitet und nach einer gewissen Zeit in kontrolliertem (!) Tempo wieder zur Gruppe aufschließt. Oder der vordere Reiter reitet in der nächsthöheren Gangart voraus, ohne dass die Gruppe folgt und wartet dann an einem vereinbarten Punkt. Hier sollte das betreffende Pferd natürlich möglichst lässig auf seine Kollegen warten, die wiederum völlig entspannt bleiben, auch wenn einer weg trabt oder galoppiert! Alles reine Übungssache…

Zu guter Letzt: Im Cool Down nach Hause

Hat unser American Quarter Horse im Gelände fleißig mitgearbeitet und seinen Job gut erledigt, so sollte es auch beim Geländetraining mit einem entsprechenden Cool Down belohnt werden und im lockeren Schritt am langen Zügel nach Hause laufen dürfen. Für den letzten Streckenabschnitt sollte man ungefähr einen halben bis einen Kilometer einplanen, je nachdem, wie anspruchsvoll der Ritt war. Diese letzten Meter dienen auch dazu, das Pferd trocken zu reiten, so dass es nicht allzu verschwitzt nach Hause kommt. 

„Auf diese Weise entspannt das Pferd und kommt zufrieden in den Stall zurück“, bestätigt auch Clinton Anderson. Er rät, nie zu vergessen, dass die mentale Ausgeglichenheit eines Pferdes unter anderem davon abhängt, das Pferd ausreichend sowohl physisch wie psychisch zu fordern. Ein abwechslungsreicher Geländeritt wird all diesen Ansprüchen gerecht. 

Text: Friederike Fritz, Foto: K.-J. Guni