Korrektes anhalten
Schritt für Schritt zum „Whoa”
Viele Reiter kennen das Problem: Eigentlich weiß unser AQH genau, was zu tun ist, wenn es das Wörtchen „Whoa!“ hört. Anhalten. Sofort und bedingungslos. Doch was bei den Profis so leicht, locker und harmonisch aussieht, endet andernorts nicht selten in einem Zweikampf zwischen Zügelhand und Pferdemaul. Aber was tun, wenn der Vierbeiner plötzlich einfach nicht mehr anhalten möchte? DQHA Professional Horsewoman Melanie Krause gibt hilfreiche Praxistipps.
Vorab gilt: Erstmal dem vierbeinigen Kumpel keinen Unmut unterstellen – vor allem, wenn es sonst immer anstandslos geklappt hat. Vielleicht liegt es ja gar nicht an seinem Unwillen oder mangelnder Kooperationsbereitschaft. Deshalb nicht nur den Ausbildungsstand des Pferdes hinterfragen, sondern auch kontrollieren (lassen), ob der Sattel noch passt. Viele Pferde quittieren Passformmängel und damit verbundenes Unwohlsein mit Ausweichen – in diesem Falle nach vorne. Weiter: Zähne kontrollieren lassen, vielleicht verursacht das Gebiss Schmerzen, in deren Folge das Pferd dann unwillig davonläuft oder gegen die Hand geht.
Vielleicht ist’s auch nicht das richtige Gebiss? Auch hier kann ein Blick ins Maul Aufschluss geben. Wer sich unsicher ist, sorgt in allen Fällen für eine zweite Meinung durch einen Fachmann. Und zu guter Letzt: Ein Besuch des Physiotherapeuten oder Osteopathen kann Blockaden ans Licht bringen, mit denen man bei obiger Thematik gar nicht rechnet.
Zurück auf Los: am Boden bleiben
Hat man das Gefühl, dass der Vierbeiner in der Tat nicht so wirklich kooperieren will und die Sache mit dem Anhalten eher lässig sieht, geht man quasi zurück auf Los, sprich an den Boden. An der Hand wird wieder geübt: Ein Schnalzen heißt losmarschieren, ein Whoa anhalten. Auf der Stelle, nicht drei Schritte weiter. Ganz konsequent.
Wichtig ist dabei, die Handführung so minimal zu nutzen wie es eben geht und auf Körpersprache zu setzen. Rücken bzw. rechte Seite zum Pferd gerichtet heißt loslaufen, Brust Richtung Pferdekopf bedeutet anhalten bzw. rückwärtsrichten. Wenn das Pferd nicht unmittelbar auf Stimme und leichtem Druck der Hand anhält, machen wir es ihm schwerer und richten es ein paar Schritte rückwärts. Schnell lernt das Pferd: Es ist wesentlich angenehmer, sofort anzuhalten. Ist es unaufmerksam und nachlässig in Sachen Stop, dann wird’s ungemütlich, nämlich der Rückwärtsgang verlangt.
Wenn das Anhalten an der Hand gut funktioniert, geht es an der Longe weiter. Hier wird trainiert, das Pferd erneut auf Stimmkommando loslaufen und anhalten zu lassen. Man selbst sollte dabei in der Mitte hinter der Schulter stehen bzw. laufen und wenn man das Pferd anhalten möchte, seine Position vor die Pferdeschulter bringen und mit Stimmkommando das Pferd anhalten. Auch hier gilt wieder: Läuft das Pferd ungeachtet unseres Kommandos weiter, müssen wir nachdrücklich werden. Dazu bewegt man sich so, dass man eine Position vor der Pferdeschulter einnimmt – ggf. geht man sogar auf das Pferd zu, als wolle man ihm den Weg abschneiden. Kommt das Pferd dann noch immer nicht zum Stehen, geht es ein paar Schritte rückwärts, ruhig, aber bestimmt.
Erst wenn das Anhalten am Boden gut klappt, wird das Ganze unterm Sattel gefestigt. Und auch hier gilt: Wird unser Vierbeiner nachlässig, dann machen wir ihm das schwerer als das eigentliche Anhalten, indem er rückwärtsgerichtet wird.
Eine Frage der Ausbildung?
Einmal abgesehen von den oben genannten „Schludrigkeiten“, die sich mit der Zeit einschleichen können: Manche Pferde sind einfach nicht gut genug ausgebildet oder verstehen die Hilfen falsch. Da sollte man sich am besten Hilfe bei einem Trainer suchen und/oder die folgenden Punkte im täglichen Training berücksichtigen und schauen, ob sich dadurch das Problem lösen lässt.
Nun kommt zunächst der Reiter ins Spiel, der vermehrt auf seine korrekte Hilfengebung achten muss, denn wenn ein Pferd schon einmal gut ausgebildet war, ist das einmal Erlernte – und dazu gehört immer auch das korrekte Anhalten – eigentlich auch immer wieder oder zu jeder Zeit abrufbar. Es haben sich vielleicht einfach im Laufe der Zeit „Bedienungsfehler“ oder Kommunikationsprobleme eingeschlichen.
Die wichtigste Regel für den Reiter ist, dass man immer erst die Hilfengebung mit Sitz und Bein gibt und dann erst die Hand einsetzt – falls man sie überhaupt noch braucht. Viel zu viele Reiter benutzen viel zu schnell ihre Hand, statt mehr mit Sitz oder Bein auf das Pferd einzuwirken.
Das Becken spielt die zentrale Rolle
Die Position des Beckens spielt auch hier die zentrale Rolle: Um dem Pferd das Signal zum Anhalten zu geben, wird das Becken leicht nach hinten abgekippt, sprich, man setzt sich tief in den Sattel.
Um die Positionen aufrechtes Becken und abgekipptes Becken zu erspüren, stellt man sich wie beim Leichtraben in die Steigbügel und kommt zunächst gerade nach unten in den Sattel. Das ist die aufrechte Position; im Idealfall sitzt man exakt im Schwerpunkt des Sattels und hat nach hinten in Richtung Cantle noch ein wenig Platz. Diesen Platz benötigt man, um mit dem Becken abkippen zu können, indem man mit dem hinteren Rand des Beckens in Richtung Cantle abkippt, wobei sich der untere Rücken leicht rundet. Mit dieser kleinen Bewegung wird das Pferd im Idealfall durchpariert bzw. angehalten.
Wohin mit den Beinen?
Je nach Ausbildungsweg werden manche Pferde mit Schenkeldruck angehalten, während andere darauf trainiert sind, dass das Bein weggenommen wird. Wenn man das Pferd „mit Bein“ anhalten soll, kann eine zweite Person anfangs vom Boden aus helfend zur Seite stehen, falls das Pferd trotz „Whoa“ vor dem Bein wegläuft. Der Helfer führt das Pferd wie bei der Bodenarbeit und hält das Pferd konsequent im Moment der Sitzhilfen – abgekipptes Becken, Beine am Pferd, Stimmsignal – an.
Sieht die Ausbildung des Pferdes vor, beim Anhalten die Beine tendenziell weg vom Pferd zu nehmen, muss der Reiter darauf achten, dass er im Moment des Anhaltens die Beine nicht nach vorne schiebt oder gar in Richtung vorne vom Pferd wegstreckt, sondern den Druck im Steigbügel vom Pferdebauch weg seitlich verstärkt. Das merkt das Pferd viel deutlicher und man sitzt trotzdem noch ausbalanciert im Sattel. Wenn man die Beine nach vorne und weg vom Bauch schiebt, kommt man schnell in einen Stuhlsitz und befindet sich damit nicht mehr in Balance. Der ausbalancierte Sitz im Schwerpunkt des Sattels mit lotrecht ausgerichtetem Bein bildet die Basis für jedwedes Kommando und die Finesse beim Anhalten besteht aus dem Abkippen des Beckens in Kombination mit Stimme und Bein. Wenn das ohne bzw. mit einer ganz leichten, versammelnden Einwirkung der Zügelhand klappt – perfekt!
Text: Melanie Krause, Foto: K.-J. Guni