Longe Line goes Liberty
Den meisten AQH-Besitzern und/oder Lesern des Quarter Horse Journals ist eines gemeinsam: Sie sind Freizeit-Reiter und/oder -züchter, keine Profis. Das Großartige daran? Man muss nicht seinen Lebensunterhalt mit den Pferden bestreiten, Termindruck, um Kundenwünsche zu erfüllen, ist nicht Bestandteil des Stallalltags. Im Gegenteil: Man hat Zeit! Grund genug für unsere Autorin Frauke Litzkuhn, mit ihrem Longe-Line-Jungpferd einen völlig neuen Weg einzuschlagen, von dem sie uns hier berichtet.
Jede Reitweise, jede Trainingsart hat ihre Berechtigung, vorausgesetzt, dass Mensch und Pferd sich mit ihr wohlfühlen, sie verstehen und vor allem auch umsetzen können, um gemeinsam glücklich und erfolgreich zu sein. Der Ausgangspunkt allen Trainings ist gleich: die Liebe zum Pferd und die Freude an der Arbeit mit diesen beeindruckenden Tieren.
Leistungsdruck muss nicht sein!
Diese Freiheit von Zeit- und Leistungsdruck gerät häufig in Vergessenheit, wenn man an die nächste Saison denkt, sich auf die nächsten Turniere vorbereitet oder sich mit anderen Besitzern gleichaltriger Pferde unterhält. Ist man genauso weit im Training wie der andere? Kann das eigene Pferd seinem Alter entsprechend genug? Insbesondere in den Futurity-Klassen, etwa der Longe Line für Zwei- und Dreijährige ist Zeit dann doch wieder ein Faktor.
Ein guter Ansatz ist hier sicherlich, wenn man sich mit der Trainingsmethode zur Vorbereitung auf die neue Disziplin identifiziert, sie versteht und umsetzen kann. Doch was ist, wenn man sich nicht wiederfindet? Wenn man in unserer gemeinsamen kleinen Nische „Westernreiten“ nicht das Richtige für sich und vor allem sein Nachwuchspferd findet, das man umsetzen und auch seinem Partner Pferd vermitteln kann?
Es kann passieren, dass man den perfekten Trainer an seiner Seite hat, die Methode versteht und sie auch vertritt, doch zweifelt, ob man sie selbst gut genug umsetzen kann. Es hapert am Timing, man fragt sich, wie lange und wie stark ein Impuls gegeben werden sollte oder ob er an der richtigen Stelle platziert wird und vor allem: Wann hört man auf, wann überfordert man seinen Youngster, wann ist er unterfordert und vielleicht sogar gelangweilt?
Genau an diesem Scheideweg stand ich am Ende der letzten Saison. Unsere zweijährige Stute Maggie und ich hatten eine schöne erste Longe Line Saison hinter uns, mit dem krönenden Abschluss eines Starts in der Deutschen Bank Arena auf der Q19 in Aachen. Nicht platziert, aber sehr zufrieden, glücklich und, ja, auch stolz.
Alternativen suchen, wenn’s nicht rund läuft
Dennoch. Rückblickend war der Weg dahin für mich nicht rund. Oft war ich mir unsicher, ob ich Maggie nicht doch zu viel abverlangte, immer wieder fiel mir auf, dass ich nicht klar genug war, die Hilfengebung aus dem Training nicht richtig umsetzen konnte. Timing? Ja, das verflixte Timing… Auch bei fachsimpelnden Gesprächen mit Freunden und Mit(st)reitern oder dem Beobachten der „Konkurrenz“ war für mich nichts zu finden, wo ich sagen konnte: Das ist es!
So habe ich mich im Dezember 2019 dazu entschlossen, mit meinem 20 Monate alten Nachwuchswallach einen anderen Weg einzuschlagen. Ich suchte nach einer Trainingsmethode, bei der mein AQH Hank auch mir „Blindfisch“ deutlich machen kann, wenn ich zu schnell bin, Trainingsschritte überspringe oder auch zu lange auf der gleichen Sache herumreite. Dennoch wollte ich gerne ein sich selbst tragendes Pferd an der Longe, das seine Beine zu bewegen weiß.
Der ganz andere Weg
So landete ich bei Liberty. Denn: Ich bin Freizeitreiterin. Mich hetzt nichts.
Ich kontaktierte Sebastian Nolewajka von Tao to Horses und fragte ihn, ob er sich vorstellen kann, Hank und mich auf dem Weg zum sich selbst tragenden Pferd an der Longe zu begleiten. Seine Antwort war: Gerne, aber ohne Deadline. Passt. So arbeiten wir uns jetzt seit zirka sechs Wochen durch verschiedene Übungen: Hinterhandwendung, Vorhandwendung, seitwärts, treiben, stehenbleiben, Pause haben, gelassen sein, rückwärts, … Alles pur – kein Strick, kein Halfter. Und wo ist hier das Longe Line Training? Klar, momentan scheinen die Übungen nichts mit dem eigentlichen Ziel zu tun zu haben und natürlich kann ich derzeit noch nicht sagen, ob dieser Weg von Erfolg gekrönt sein wird, aber bislang gefällt er mir ausgesprochen gut. Wir werden ihn weiter gehen, das Ziel Longe Line stets im Blick.
Hank wird zunehmend sicherer mit seinem Körper, weiß, wo er anfängt und aufhört, kann sich besser einschätzen und beginnt in Ansätzen, sich zu tragen. Und auch für mich kann ich sagen: Ich habe eine Trainingsmethode gefunden, die ich verstehe, bei der ich mich wohlfühle, merke, wenn ich nicht klar genug bin in meinen Aussagen, zu schnell oder auch zu langsam. Hank gibt mir schon Bescheid. Er läuft weg, fängt an zu buddeln oder macht alle anderen Übungen, außer der gefragten. Ich werde von Training zu Training sicherer in dem, was ich tue und bin dadurch zunehmend feiner in meinen Aussagen, authentisch und lesbar für den „Kleinen“.
Ich habe eine Trainingsmethode gefunden, die ich umsetzen kann.
Und mein Youngster? Ich denke, auch Hank mag diesen Weg. Er kommt freudig zum Gatter, arbeitet eifrig mit und genießt die abwechslungsreichen Aufgaben. Wir haben Spaß. Der Weg wird mehr und mehr zum Ziel.
Und ich kann sagen: Die Fortschritte, wenn man eine gemeinsame, für sich selbst passende Sprache gefunden hat, sind enorm. Wichtig ist nur, dass man die für sich und seinen Partner Pferd richtige Trainingsmethode gefunden hat.
Text: Frauke Litzkuhn, Foto: Sebastian Litzkuhn