Geistige Flexibilität

Pferde, die mitdenken

Beim Training wird oft sehr viel Zeit darauf verwendet, die Beweglichkeit des Pferdekörpers zu verbessern. Häufig bedenkt man dabei nicht, dass es ebenso wichtig ist, sein Pferd so zu trainieren, dass es die Fähigkeit mitzudenken entwickelt und lernt, sich auf neue Anforderungen einzustellen. 

Zeitdruck, Unsicherheit, Einfallslosigkeit oder Bequemlichkeit führen häufig dazu, dass die tägliche Trainingseinheit nach demselben Schema „F“ abläuft. 

Daher sollte auch der Reiter geistige Beweglichkeit entwickeln, um kreativ zu arbeiten und je nach Situation schneller umdenken zu können. 

Geistige Beweglichkeit nicht nur fürs Pferd

Wenn es schnell gehen soll, nutzt man gern einen routinierten Ablauf. Alles funktioniert wie am Schnürchen, es wird nichts Neues eingebaut, um keine unnötigen Diskussionen anzufangen. Routine ist in manchen Situationen und auch für junge Pferde wichtig und nötig. Alles gut, so lange dieser routinierte Ablauf nicht an fünf von sieben Wochentagen stattfindet.  

Gerade im Winter, wenn es früh dunkel wird, ist es verständlich, wenn man möglichst effektiv und schnell mit dem Training durchkommen möchte. Aber wie empfindet es unser Pferd? Es wartet oft viele Stunden darauf, sich ein bisschen zu bewegen. Diese Bewegung sollte nicht nur körperlich stattfinden. Gerade in diesen Monaten stehen die Pferde vermehrt im Stall. Sie brauchen daher dringend auch mentale Herausforderungen, sie lieben Abwechslung und Aufgaben zum Mitdenken. 

Fragen Sie sich deshalb, wie es die letzten Wochen gelaufen ist, und antworten Sie ehrlich. Sollte sich diese Routine zu sehr eingeschlichen haben, wäre es wichtig zu überlegen, ob man sich zum Beispiel eine Reitbeteiligung ins Team holt, um die Situation für sich zu entspannen und dem Pferd besser gerecht zu werden. Am besten ergänzend jemanden, der genau die Dinge bevorzugt mit Spaß trainiert, die man selbst vernachlässigt.  

Den nächsten Schritt wagen

Die eigene Unsicherheit veranlasst oft viele Reiter, immer wieder dieselben Übungen zu reiten. „Lieber noch einmal üben, bevor ich mich an etwas Schwierigeres wage“, so die häufige Devise. Man dreht sich im Kreis, kommt nicht vorwärts und es fällt einem bewusst eigentlich gar nicht auf.  

Mein Tipp: Verändern Sie was!  

Machen Sie den nächsten Schritt. Im Training statt der einzelnen Stange im Galopp auch mal eine zweite oder dritte legen. Gymnastizierende Übungen wie Travers oder Renvers im Schritt beginnen, danach die schwerere Variante testen. Mit neuen Herausforderungen zu beginnen heißt nicht, dass gleich alles perfekt klappen muss. Wiederholen, analysieren, hinterfragen, neue Lösungswege suchen – das bringt weiter im Reitalltag. Gerade wenn etwas nicht funktioniert, ist mentale Flexibilität gefragt!  

Achten Sie darauf, ob Sie immer wieder das gleiche tun und dabei jedoch das gewünschte Ergebnis ausbleibt. Spätestens dann sollten Sie etwas verändern, z. B. an der Hilfengebung, dem Sitz, der Linienführung. Neue Impulse bedeuten gleichzeitig gesteigerte Konzentration für Pferd und Reiter. Deshalb sollte man sein Pferd besonders aufmerksam beobachten, um die kleinen positiven Ansätze nicht zu verpassen, sondern sofort zu belohnen. Belohnung motiviert! Es wird mitdenken, sich bemühen und genau das ist ein gewünschtes Ergebnis während einer Trainingseinheit. 

Trainingsplan erstellen

Es braucht etwas Zeit, sich Gedanken über ein abwechslungsreiches Training zu machen, aber es lohnt sich, im Internet oder in Büchern nach neuen, herausfordernden Übungen zu suchen, die Reiter und Pferd Spaß machen und zudem das Training noch effektiver werden lassen. Es gibt oft Standardübungen mit Stangen oder Pylonen, die in verschiedenen Varianten geritten werden können. Nicht vergessen: Man steigert vom Einfachen zum Schweren. Jeder so weit, wie er tagesaktuell möchte.  

Meine Empfehlung hierzu: am Wochenende nach neuen Übungen suchen, die für ein bis zwei Wochen oder sogar länger reichen. Mit diesen Übungen wird ein Wochenplan erstellt oder man entscheidet täglich flexibel, worauf man Lust hat – je nach eigenem Befinden oder dem des Pferdes. 

In der Gruppe macht’s mehr Spaß

Zu zweit oder dritt zu trainieren hilft, sich selbst zu mehr Kreativität zu motivieren. Lassen Sie sich vom Training der anderen inspirieren. Vereinbaren Sie mit ihren Mitreitern, dass sich jedes Mal ein anderer die Übungen fürs Training ausdenkt. Durch den Austausch mit anderen Reitern entstehen oft neue Ideen. Und dann entscheidet jeder individuell, was für sein Pferd passt. Hinzu kommt: In einer kleinen Gruppe zu trainieren macht Spaß! 

Zirkeltraining

Zirkeltraining ist eine schöne Möglichkeit, das Pferd mental flexibel zu halten und körperlich auszulasten. Man überlegt sich z. B. vier Stationen mit unterschiedlichen Übungen. Jede Übung spricht andere Muskelgruppen an oder fördert Trittsicherheit, Koordination und Balance. Übungen mit Stangen oder Pylonen schaffen für das Pferd visuelle Anreize. Es wird zum Mitdenken angeregt.  

Man stellt ihm eine Aufgabe, damit es versteht, warum es bestimmte Dinge tun muss. Es sieht so eher einen Sinn im Training und hat sogar Spaß dabei. 

Text: Gabi Kelch, DQHA Professional Horsewoman & Mentaltrainerin, Foto: Mauser Tierfotografie