Richtig antrainieren

Mit Schmackes durch die letzten Winterwochen!

Der Winter pfeift aus dem letzten Loch und bald, ganz bald schon wird uns der Frühling wieder nach draußen locken… Da braucht es gut vorbereitete Reiter und Pferde! 

Verzauberte Schneelandschaften, von Raureif überzuckerte Wälder, knackigkalte Frosttage unter tiefblauem Himmel – die ideale Kulisse für ausgedehnte Ritte durch den Pulverschnee, den Zauberwald, die Märchenlandschaft. Wir kennen sie alle, die einschlägigen WinterKlischees und die dazu gehörigen Sprüche von wegen „Es gibt kein schlechtes Wetter…“ undsoweiter. Die Realität sieht doch anders aus: Es schüttet erst wie aus Eimern, der Matsch läuft uns bei der Stallarbeit von oben in die Gummistiefel, dann friert das ganze blitzschnell zu, es schneit über diese vereiste Buckelpiste und wir sind froh, wenn unsere American Quarter Horses sich auf dem Auslauf nicht die Haxen brechen – an Reiten ist nun überhaupt nicht mehr zu denken. So sieht’s doch aus!  

Doch diese harte Zeit liegt nun hinter uns und unseren Pferden – richten wir den Blick nach vorn! 

Es geht wieder los – na endlich!

Für Jungpferde beginnt nun oft der Einstieg ins Berufsleben, Showpferde werden nach der Wettkampfpause auf die Anforderungen der kommenden Saison vorbereitet, Freizeitkumpel dürfen sich auf lange Geländeritte freuen und die Reiter auf spannende Starts und interessante Fortbildungen. Für den Einstieg braucht es passende Rahmenbedingungen, die den Erfolg sichern: Überlegtes Antrainieren, abgestimmte Fütterung, ein gutes Gesundheitsmanagement und eine optimierte Ausrüstung.  

Soll ein ungerittenes Jungpferd erstmals in die Arbeit genommen werden? Wird ein erfahrenes Showpferd nach einer gewissen Ruhephase auftrainiert? Hatte die ganze Gruppe Zwangsurlaub, weil das Gelände nicht bereitbar, die Zeit zu knapp, der Tag zu kurz, eine Reithalle nicht erreichbar war?  

Ein erneuter Start ins (intensivierte) Training sieht je nach den individuellen Gegebenheiten ganz unterschiedlich aus, einen gemeinsamen Punkt gibt es aber: Niemand fängt bei null an! Deswegen kommt vor dem Neustart ein kurzer Blick auf das, was war und was ist. Ein grundlegender Unterschied: Beginnt für Ihr Jungpferd der Start ins Berufsleben, muss ein richtig guter, detaillierter Plan her, bei einem alten Hasen können Sie und Ihr Pferd auf gemachte Erfahrungen und erarbeitetes Wissen und Können zurückgreifen. 

• Was ist besonders gut gelaufen in Sachen Training und sollte deshalb auch in diesem Jahr aufgegriffen werden?  

Was hat weniger gut geklappt und muss in Zukunft besser geregelt werden? Was wollen Sie erreichen, was ein für alle Mal hinter sich lassen? Wo wollen Sie und Ihr Pferd heute in einem Jahr stehen? Was wollten Sie immer schon mal ausprobieren und es ist jedes Jahr etwas dazwischen gekommen? Welchen Fehler des letzten Jahres wollen Sie unbedingt vermeiden? Entwickeln Sie eine genauere Vorstellung davon, wie Ihr ganz persönliches Reitjahr 2020 aussehen soll, und passen Sie dann Ihre Vorhaben inhaltlich und zeitlich daran an. 

• Wie haben Sie und Ihr Pferd die letzten Wochen und Monate verbracht?  

Sie haben vielleicht beide eher eine ruhige Kugel geschoben – aber für wie lange? Und wie ruhig ging es wirklich zu – hatte Ihr Pferd Urlaub, wurde es zwar nicht geritten, aber ohne Reiter bewegt, wurde es nur weniger intensiv gearbeitet oder haben Sie Grundlagen trainiert und nur die Leistungsspitzen aus dem Programm genommen – je nachdem müssen Sie nun etwa eher an den Konditionsaufbau denken, nur ein wenig Feinschliff verpassen oder Ihr Hauptaugenmerk auf den Zustand der Tragemuskulatur legen. Planen Sie Ihre Trainingsinhalte entsprechend. 

• Wie ist es um Ihr Netzwerk bestellt?  

Der Saisonbeginn ist eine prima Gelegenheit, alte Verbindungen zu stärken und neue zu knüpfen. Denken Sie nicht nur an Reitbekanntschaften und Stallkollegen, sondern auch an Trainer (für die wöchentliche Reitstunde, den Lehrgang, die angestrebte Qualifikation), Sattler und Futtermittelhändler, aber auch an Ihren Reiturlaub und an Fachautoren und ihre Werke. 

• Wie ist es eigentlich um Ihre eigene (reiterliche) Fitness bestellt – besteht da vielleicht Handlungsbedarf? Fitte Reiter, die vom Körpergewicht her gut zu ihrem Pferd passen, das ist gelebte Horsemanship…  

• Wann wird Ihr Pferd maximale Leistung erbringen müssen? Jedes sachkundige Training ist in Phasen unterteilt, das gilt sowohl für die einzelne Trainingseinheit als auch für die gesamte Saison (den Makrozyklus). Denken Sie auch daran, nach jeder Phase starker Belastung eine Zeit der Erholung einzuplanen und vermeiden Sie so trainingsbedingte Gesundheitsstörungen. 

Ein guter Einstieg ins Trainingsprogramm ist grundsätzlich eine kurze Trainingseinheit an der Longe – möglichst am Kappzaum. Sie eignet sich hervorragend zur Bestandsaufnahme und damit als Grundlage des aufbauenden Trainings.  

Achten Sie vor allem auf folgende Punkte:

• Wie ist es um die Kondition Ihres Pferdes bestellt?  

• Wie schnell ist es aus der Puste, wie rasch beginnt es zu schwitzen, wie bald lässt sein Leistungswille nach, wie lange dauert es, bis Atmung und Puls nach dem Ende der Arbeit wieder auf die Normalwerte zurückfallen?  

Wenn hier die aktuelle Schwachstelle liegt, arbeiten Sie zunächst an der Grundlagenausdauer. Dazu eignen sich vor allem Geländeritte in Kombination mit Longenarbeit und Training in der Führanlage oder auf dem Laufband. Einzelne Einheiten auf dem Reitplatz oder in der Halle sorgen dafür, dass die neu gewonnene Power dann auch immer besser in die Manöver einfließen kann. 

• Wie sehen Geschmeidigkeit und Durchlässigkeit aktuell aus?  

Wie zügig werden Hilfen angenommen und umgesetzt? Ist Ihr Pferd auf einer Seite steifer als auf der anderen (Handwechsel!)? Sind Wechsel in der Gangart und im Gangmaß geschmeidig und ohne Taktverlust möglich? 

Geschmeidigkeit und Durchlässigkeit hängen eng mit der Fähigkeit des Pferdes zusammen, die Reiterlast problemlos aufzunehmen – Muskelkraft alleine reicht da nicht aus. Defizite können vor allem durch lösende und biegende Arbeit aufgefangen werden. Zirkel und Volten mit wechselnden Durchmessern sind ein guter Anfang. Arbeiten Sie vorwiegend auf der aktuell schlechteren Hand und wechseln Sie zur Erholung kurz auf die gute. 

• Ist es um Kondition und Geschmeidigkeit gleichermaßen nicht zum Besten bestellt?  

Sie erkennen dies häufig an der mangelnden Aktivität von Hinterhand und Rücken, vor allem in den Übergängen. Das Pferd hebt den Kopf und dreht ihn nach außen, während der Rücken erkennbar nichts tut, sich nicht aufwölbt und die Hinterhand ihre Dienste nur im wahren Sinne des Wortes schleppend versieht. 

Stangenarbeit! Unter dem Sattel, an der Longe, in Form von Trailaufgaben oder entsprechenden Geländehindernissen – so lässt sich ganz gezielt an einer Verbesserung arbeiten. Auch gut: Reiten bergauf und bergab. Im Flachland nutzen Sie Gräben oder Böschungen oder arbeiten Ihr Pferd im Schritt an der Kante des Bürgersteigs. Langsam und in flachen Kurven geht es immer wieder hoch und runter, geradeaus oder auch mal rückwärts. 

Wie auch immer Ihr ganz individueller Trainingsplan in den kommenden Wochen und Monaten aussieht, er sollte bestimmte Grundlagen berücksichtigen: 

• Jede einzelne Trainingseinheit ist in drei Phasen – Aufwärmen, Arbeiten, Entspannen (auch Dehnungsphase, Leistungsphase, Rekonvaleszenzphase) – eingeteilt.  

So schaffen Sie auch die physiologischen Grundlagen für den Trainingserfolg. 

• Nach dem Training ist vor dem Training!  

Widmen Sie der abschließenden Entspannungsphase wie auch der Nachsorge nach dem Ritt dieselbe Sorgfalt wie der Leistungsphase, damit Ihr Pferd hochmotiviert und ohne Muskelkater auch morgen freudig mitarbeitet. 

• Sorgen Sie für ein ausgewogenes und abwechslungsreiches Programm, je nach dem gewählten Schwerpunkt.  

Geländeritte und Bahnarbeit, Arbeit unter dem Sattel und vom Boden aus, Grundlagentraining und Feinschliff, Hochleistung und Urlaub in einer bunten Mischung, dazu spannende Inhalte, die Ihr Pferd fordern und fördern, so schaffen Sie vor allem langfristig die Basis für Leistung, Erfolg, Gesundheit und Wohlbefinden. 

• Am Tag nach Leistungsspitzen steht lockeres Training auf dem Plan (Führanlage, ein bisschen Longenarbeit, …) und erst der Tag danach kann dann gerne ein „Stehtag“ sein, den Ihr Pferd natürlich bei seinen Kumpels auf der Weide und nicht etwa in der Box verbringt. 

Achten Sie auf eine gute Verzahnung von Training, Fütterung und Management, vor allem in Verbindung mit der Futtergrundlage. Da sich über die Saison hinweg das Training in Inhalt, Schwerpunkt, Intensität, Dauer und anderen Aspekten immer wieder ändern kann, müssen auch Fütterung (Grundfutter, Kraftfutter, Ergänzungsfutter) und Haltungsbedingungen (z. B. Weidegang wann und wie lange) flexibel angepasst werden. 

Jungpferde

Jungpferde, die jetzt erstmals unter den Sattel kommen, haben eine aufregende und interessante Zeit vor sich. Damit sie auch in Zukunft mit Feuereifer dabei sind, gehen erfahrene Ausbilder immer im individuell richtigen Tempo vor. Gerade besonders hoch veranlagte und voll motivierte Jungspunde laufen Gefahr, überfordert zu werden – sie machen es uns einfach zu leicht. Deshalb sollte man sich vor dem Beginn der Ausbildung eines jungen Pferdes die wichtigsten Eckdaten nochmals ins Gedächtnis rufen: 

• Für die Grundausbildung werden ungefähr zwei Jahre benötigt. Erst danach kann an eine Spezialisierung gedacht werden, die wiederum weitere Jahre an Training braucht. 

• In dieser Zeit können Pferde noch etliche Zentimeter an Stockmaß, in jedem Fall aber signifikant an Masse zulegen – sie wachsen also gleichzeitig. 

• Es gilt die Einschränkung, dass man in der Ausbildung nicht immer voranschreiten kann, aber stets einen Schritt zurück machen darf. 

Text: Angelika Schmelzer, Foto: K. Paulik