Reflektieren, hinsehen, spüren
Der Reiter im Fokus – es liegt nicht immer nur am Pferd…
Wer mit seinem Pferd ein gutes Team werden möchte, sollte sich einige Gedanken darüber machen, wie man sich diese Partnerschaft vom Boden und unter dem Sattel vorstellt. Welches Ziel soll etwa in den nächsten zwei Jahren angestrebt werden und was kann der Reiter beitragen? Ein wichtiger Schritt ist die Bereitschaft und Einsicht, an sich zu arbeiten.
Schon beim ersten Kontakt, im allerersten Moment spürt das Pferd, in welcher Stimmung sein zweibeiniges Gegenüber ihm entgegentritt. Es registriert genau, welche Emotionen in diesem Augenblick präsent sind und diese werden leider oft gespiegelt. Ob gestresst oder entspannt – das Pferd zeigt uns, wie wir drauf sind.
Richtig eingestimmt in den Stall
Der Alltag lässt es meist nicht anders zu, als dass man nach der Arbeit gestresst im Stall ankommt. Stellt sich also die Frage: Wie kann ich in eine gute Stimmung kommen? Schon die Fahrt zum Stall sollte genutzt werden, um sich mit guter Musik oder einem Podcast einzustimmen. Wenn die Zeit knapp ist, sollte man vermeiden, sich in dieser Zeit innerlich selbst zu hetzen. Die Zeit im Stall kann dann bewusst genutzt werden: Was ist wichtig und was lasse ich heute weg und verschiebe es auf das Wochenende? Dem Pferd ist es egal, ob es perfekt geputzt ist, es freut sich über Abwechslung, auch wenn es nur ein kurzer Spaziergang ist.
Arbeiten Sie prozessorientiert, nicht nur ergebnisorientiert. Erkunden Sie: „Was ist heute bei mir oder meinem Pferd möglich?“ Oft läuft es an einem Tag super und am nächsten geht nichts. Das kann an verschiedenen Faktoren liegen; vielleicht hat das Pferd Muskelkater, weil am Vortag mehr gearbeitet wurde, ist unkonzentrierter, da man zu einer anderen Zeit in der Halle reitet und mehr los ist. Der Reiter ist unkonzentrierter oder unbeweglicher, geht mit zu großen Erwartungen ins Training usw. Seien Sie flexibel in der täglichen Arbeit und erzwingen Sie nichts! Arbeiten Sie daran, was sich heute anbietet. Das bedeutet nicht, ohne die Orientierung an einem Langzeitziel zu arbeiten, nimmt aber Druck aus dem täglichen Training.
Gibt es ein Problem, sollte vermehrt auf eine Lösung hingearbeitet werden
Finden Sie heraus, woran genau es hapert, an welchem Punkt einer Übung es stockt. Woran kann es liegen? Kann ich das Pferd anders anleiten, nochmal zurück an vorbereitende Übungen, anders sitzen? Was hält das Pferd davon ab, das Manöver auszuführen? Fehlen Kraft, Balance, Koordination oder Geschmeidigkeit?
Vergleichen Sie Ihr Pferd nicht mit anderen. Das ist nicht fair und kann zu Frustration führen. Ihr Pferd hat sich seinen Besitzer nicht ausgesucht. Vielleicht würde es auch gerne ab und zu tauschen… Behalten Sie die Freude an Ihrem Pferd, mit dem Sie täglich arbeiten und sehen Sie vor allem die positiven Eigenschaften. Sehen Sie genau hin – bemerken Sie alle Fortschritte, auch wenn sie noch so klein sind.
Reiten heißt lebenslanges Lernen
Regelmäßiger Reitunterricht hilft, sich auf Dauer weiterzuentwickeln. Man lernt die generelle Technik, wie bestimmte Zusammenhänge funktionieren, die Hilfen zu verfeinern, das Timing zu verbessern und das Ganze mit Gefühl umzusetzen. Die Aha-Erlebnisse kommen erst, wenn der Reiter vom Boden oder Sattel aus verstanden hat, was genau er tut. Er ein klares Bild vor Augen hat, was er von seinem Pferd auf eine bestimmte Hilfe hin erwartet. Wie soll das Resultat aussehen? Welches Körperteil bewege ich mit welcher Hilfe und wie korrigiere ich es? Und selbst wenn es in der Theorie verstanden ist, braucht es oft viel Praxis, um alles umzusetzen. Das ist natürlich ein längerer Prozess, der – je anspruchsvoller das Ziel ist – akribisches Training voraussetzt. Wer keine Möglichkeit zu regelmäßigem Unterricht hat, kann Kurse bei einem Trainer seiner Wahl besuchen, um hier neuen Input zu bekommen.
Zusätzlich gibt es heute immer mehr die Möglichkeit, an Online-Kursen teilzunehmen. Es gibt große Communities, man kann Videos posten oder direkt zum Ausbilder zur Analyse schicken. Diese Auswahl an Fortbildungsmöglichkeiten sollte man nutzen. Man lernt nie aus!
Bei unseren Pferden arbeiten wir an Beweglichkeit, Durchlässigkeit und Gleichgewicht. Sie sollen die Beine kreuzen, Vor- oder Hinterhand etwas nach innen oder außen versetzen, sich biegen, rund machen, ihre Wirbelsäule soll sich flexibel bewegen. Und wie sieht es mit dem Reiter aus? Haben Sie den gleichen Anspruch an sich?
Seien Sie ehrlich zu sich selbst. Man kann nicht erwarten, dass sich ein Pferd unter einem geschmeidig und weich bewegt, wenn man selbst Mühe hat, in die Bewegung zu kommen und nicht im Gleichgewicht ist. Jeder Reiter hat gewisse Rahmenbedingungen, was Zeit, Alter und eventuelle Einschränkungen anbelangt. Finden Sie Ihr Programm, um mit Spaß etwas für sich und Ihr Pferd zu tun. Es gibt unendlich viele Angebote wie etwa Pilates oder Yoga, wo an Dehnung, Beweglichkeit, Gleichgewicht, bewusstem Atmen und Bewegen angesetzt wird. Wer zeitlich eingeschränkt ist, kann Online-Kurse belegen oder in kostenlosen Videos Übungen finden. Diese einmal pro Woche oder ein paar Minuten an mehreren Tagen zuhause durchgeführt bringt bereits spürbare Veränderungen und kann zu wesentlich besserer Fitness und Körperwahrnehmung führen.
Trainieren Sie Beweglichkeit und Kondition!
Weiterentwicklung heißt reflektieren, genau hinsehen und spüren. Ehrlich mit sich selbst und bereit sein, sich auf den ganzen Prozess einzulassen. Es geht niemals nur bergauf. Eine Entwicklung verläuft meist wellenförmig. Nehmen Sie alle Herausforderungen als Lerngelegenheit an und suchen Sie nach Lösungen. Bringen Sie die Bereitschaft mit, an sich zu arbeiten, achten Sie auf Leichtigkeit und behalten Sie sich die Freude an Ihrem Pferd. Sie können Ihren Teil dazu beitragen und haben es in der Hand, wie‘s weitergeht. Nutzen Sie das neue Jahr, um etwas positiv zu verändern!
Text: Gabi Kelch, Foto: Mauser Tierfotografie