Am liebsten im Dunkeln munkeln

Thema: Hautgesundheit

Eine Gruppe besonders unangenehmer Zeitgenossen hat vor allem ausgangs des Winters Hochkonjunktur: Pilze und andere Hautkrankheitserreger nutzen jetzt die Gunst der Stunde, stellen sich überraschend und ungebeten ein, verwandeln auch den ansehnlichsten Vierbeiner ruckzuck in einen schmuddeligen Flickenteppich und lassen sich nicht so ohne weiteres ein Platzverbot erteilen. Mehr noch: Sie haben oft ihre nicht minder unerwünschten Freunde mitgebracht und breiten sich rücksichtslos auf der Haut aus.

Die Folgen sind von der unschönen Art: Struppige, haarlose, teils nässende, pickelige, manchmal sogar eitrige Stellen trüben das sonst makellose Äußere des besten Pferdes der Welt. Wenn es richtig dumm läuft, machen sogar Wunden in der Sattel- oder Gurtlage oder am Kopf das Reiten erst einmal unmöglich.

Was macht die Haut krank?
Grundsätzlich lassen sich Hautkrankheiten in infektiöse und nicht infektiös bedingte einteilen. Auslöser können
belebte Verursacher sein, vor allem
• Pilze und
• Bakterien, aber auch
• Parasiten.

Als nicht infektiöse Ursachen kommen vor allem
• Allergien,
• Hauttumore sowie
• mechanisch ausgelöste Störungen infrage.

Sie können einzeln, gemeinsam oder einander ablösend eine große Palette an Hautproblemen verursachen, die sich rein optisch oft kaum voneinander unterscheiden.

Warum gerade jetzt?
Wer Hautkrankheiten gerade im Spätwinter und zeitigen Frühjahr möglichst verhindern, mindestens aber rasch und effektiv bekämpfen will, sollte den dahinter liegenden Mechanismus, die Auslöser kennen.
Dazu kann man sich die Haut des Pferdes als wohlgeordnete, beliebte und belebte Kleingartenanlage vorstellt. Lauter kleine Parzellen, dicht an dicht, alles gut organisiert, überall Leben. Läuft mal etwas aus dem Ruder, kommt der Vorstand des Kleingartenvereins vorbei und weist den säumigen Gärtner an, Ordnung zu schaffen. Es wird ein Gleichgewicht erhalten und die Kleingartenanlage ist insgesamt gut im Schuss. Anders sieht es aus, wenn Probleme unterschiedlicher Art diese Balance stören: Schlechte Düngung, Dauerregen, mangelnde Sorgfalt beim Unkraut jäten – all dies und mehr beeinflusst die Harmonie. In einigen Parzellen werden diese Einflüsse gut, in anderen weniger gut verkraftet. Mancherorts kommt es mit Sicherheit dazu, dass Beikräuter sich schlagartig ausbreiten und alles überwuchern, die Kulturpflanzen das Nachsehen haben und das Unkraut sogar rasch auf benachbarte Parzellen übergreift. Jetzt ist guter Rat teuer.
Ziemlich ähnlich sieht auch die Hautoberfläche unserer Pferde aus: Sie ist dicht besiedelt mit einer Vielzahl von unterschiedlichen, winzigen Lebewesen, die in ihrer Gesamtheit das „physiologische Hautmikrobiom“ (früher „Hautflora“ genannt, weil man Pilze und Bakterien den Pflanzen zurechnete) bilden. Wie eine Kleingartenanlage ist auch die Haut unserer Pferde ein wahres Biotop voller Lebewesen, die friedlich miteinander und mit dem Pferd umgehen und alleine durch ihre Anwesenheit dafür sorgen, dass sich keine unerwünschten Bewohner hier breitmachen können. Wenn alles gut läuft…

Gut für den Keim, schlecht für die Haut
Viele Keime, auch die als Krankheits-erreger beim Pferd relevanten Pilze, kommen nahezu überall vor, auch auf einer völlig gesunden Pferdehaut, normalerweise aber in Schach gehalten von all den netten Nachbarn. Die hier zu findende Besiedelung ist eine bunte Mixtur aus teils potentiell krankmachenden und aus völlig harmlosen Keimen.
Am Anfang einer Hauterkrankung gerade im Winterhalbjahr liegt oft ein Verlust des Gleichgewichts im Mikrobiom. Der erwähnte Burgfriede der Keime kann so gestört werden, dass die Hautbalance verloren geht. Dann können einzelne Bewohner sich über Gebühr vermehren, aber auch neu eingebrachte Unruhestifter sich ansiedeln. Wie kann das passieren?
Es gibt mehrere Gründe, warum gerade jetzt Hautkrankheiten Hochkonjunktur haben. Die auslösenden Keime fühlen sich oft im Dunkeln besonders wohl, mögen es außerdem gerne eher feucht und warm. Wer hier an schweiß- oder regennasses, langes Winterfell denkt, liegt genau richtig. Weitere Faktoren treten hinzu und stören die empfindliche Balance – dazu gehört
alles, was
• das Immunsystem (der Haut) schwächt,
• die natürliche Hautbesiedlung in
ihrer Funktion einschränkt oder überfordert oder
• das Wachstum bestimmter Keime zum Nachteil der anderen einseitig begünstigt.

Und das trifft auf die aktuellen Lebensbedingungen unserer Pferde oft zu…
Aber: Häufig spielt die Ansteckung von Pferd zu Pferd, direkt oder über Putzzeug, Satteldecken und Co. keine oder nur eine untergeordnete Rolle, wenn eine Infektion scheinbar nach und nach alle Pferde des Stalls erfasst. Die Erreger waren schon da und haben einfach die Gunst der Stunde genutzt, sind in die Haut eingedrungen oder haben sich auf der Oberfläche breit gemacht. Da der Pferdebestand eines Stalles meist unter sehr ähnlichen Bedingungen gehalten, gefüttert, gepflegt und eingesetzt wird, unterliegen auch alle Pferde vergleichbaren krankmachenden Faktoren, und dies begünstigt dann den zeitgleichen oder zeitnahen Ausbruch einer Hautinfektion bei mehreren Pferden eines Bestands.

Feuchtbiotop Haut
Wie sehen die Lebensbedingungen des Mikrobioms im Pferdefell im Spätwinter und Vorfrühling häufig aus? Es ist dunkel, weil das Fell lang oder das Pferd eingedeckt ist. Damit fehlen die trocknende Einwirkung des Sonnenlichts und der keimhemmende Einfluss des UV-Lichts. Zudem wird die Bildung von wirksamem Vitamin D behindert und das wird nicht nur für die Knochengesundheit benötigt, sondern auch für ein funktionierendes Immunsystem. Oft ist es feucht, durch Niederschläge oder Schweiß, gleichzeitig aber wärmer als noch vor kurzem. Keime brauchen Feuchtigkeit und Wärme zum Überleben und erst recht zur Vermehrung. Das
Immunsystem ist nicht so auf Zack wie sonst, hat zu viel Arbeit oder wird ständig abgelenkt, weil andere Infektionen abgewehrt oder bewältigt werden müssen. Manche Anteile der körpereigenen Abwehr arbeiten aktuell nur mit halber Kraft, da der Nachschub stockt – die einseitiger gewordene Ernährung im Winterhalbjahr fordert ihren Tribut. Scheren, Eindecken oder häufige Waschaktionen etwa von schlammverkrusteten Beinen tragen dazu bei, dass die Haut auch mechanisch stark beansprucht wird. Mit diesen Lebensbedingungen nun kommen einige Keime besonders gut, andere überhaupt nicht zurecht – manche werden im Wachstum gehemmt oder sterben ab, überlassen das Feld Neuankömmlingen, die sich nun breit machen oder den Nachbarn, die sich über Gebühr vermehren und die entstehenden Lücken füllen. Das Gleichgewicht bricht zusammen.
Die Folge: Das Pferd sieht schlagartig aus wie ein Opfer der Beulenpest. Haarlose, glänzende, schuppige, rote Stellen, nässende oder eitrige offene Wunden, dazu oft Juckreiz, der in der Folge die Haut mechanisch schädigt und eine Ausbreitung der Keime in tiefe Schichten fördert. Die Hauterkrankung nimmt nun ihren Lauf, die veränderten Stellen vergrößern sich, breiten sich über weitere Körperregionen aus.

Pilz und Co.
Einige Verursacher von Hautproblemen sind das ganze Jahr über relevant, nur einige, wenige machen den Pferden gerade jetzt zu schaffen. Es sind vor allem:
• Hautpilze,
• Dermatophilus congolensis, der Verursacher des Regenekzems (Dermatophilose),
• Milben sowie
• Haarlinge.

Milbenbefall tritt vorwiegend im Zusammenhang mit Mauke und Raspe auf, also an den Beinen, wobei hier oft eine Mischinfektion vorliegt. Betroffen sind vor allem Pferde mit starkem Behang oder ungünstigen Haltungsbedingungen, aber auch falsche bzw. fehlende Fellpflege kann Mauke begünstigen. Haarlinge finden sich meist bei Pferden mit langem und dichtem Winterfell, sie führen oft zu Juckreiz und einem typischen Erscheinungsbild, bei dem das Fell an manchen Stellen wie grob mit der Schere abgeschnitten wirkt.
Pilzerkrankungen und Dermatophilose können ähnliche Symptome aufweisen und sind nicht selten optisch kaum voneinander zu unterscheiden. Erste Hinweise auf eine Infektion sind oft kleine Bereiche mit leicht gesträubtem Fell, die darunter liegende, zu tastende Krusten verdecken. Pilze können, müssen aber nicht die als typisch erachteten kreisrunden, in die Peripherie wachsenden haarlosen und glänzenden Stellen verursachen. Werden erste Symptome übersehen, wachsen die Veränderungen oft sowohl in die Tiefe als auch in die Breite und befallen neue Körperregionen. Aus den trockenen, schuppigen Stellen können vor allem infolge von Sekundärinfektionen nässende oder gar eitrige Wunden entstehen. Juckreiz kann das Geschehen begleiten und durch Scheuern verschlimmern.

Ein Fall für den Tierarzt?
Nicht selten werden gerade Hautveränderungen zunächst in Eigenregie „behandelt“, das kann allerdings auch tierisch daneben gehen und das Problem noch verschärfen. Es ist unrealistisch anzunehmen, ein erfahrener Pferdefreund werde beim ersten Pickelchen schon den Tierarzt verständigen, allerdings sollte ein Mediziner spätestens herangezogen werden, wenn die Symptome auf die eigene Behandlung samt flankierender Maßnahmen hin nicht zurückgehen, sich gar verschlimmern oder neue Krankheitsanzeichen hinzukommen. Vorsicht ist grundsätzlich geboten bei Problemen im Bereich des Kopfes sowie der Sattel- oder Gurtlage, hier kann es leicht eskalieren. Überall, wo Ausrüstung zu liegen kommt, entsteht mechanische Reizung kombiniert mit vermehrter Schweißbildung. Das behindert ein Abheilen und kann auch dazu führen, dass Keime leichter in tiefere Hautschichten verbracht werden. Bei Problemen rund um die Augen kann starkes Scheuern ausgelöst werden und dadurch können Schmutz, Haare und andere Fremdkörper in die Augen verbracht und sogar die Augen selbst geschädigt werden. Ein absolutes No-Go ist das sinnlose Herumpiddeln an Krusten und Pickeln, das die Haut weiter schädigt, neue Eintrittspforten für Keime schafft und keinerlei Zweck erfüllt. Im Zweifel eher früher als zu spät den Tierarzt zu verständigen kann Sie und Ihr Pferd vor schlimmen oder hartnäckigen Gesundheitsstörungen bewahren, selbst bei vermeintlich harmlosen Hautveränderungen.
Wird der Tierarzt hinzugezogen, erwartet der Patientenbesitzer meist eine rasche Blickdiagnose und zielgerichtete Behandlung. Doch das ist nicht immer möglich, da ganz unterschiedliche Keime recht ähnliche Veränderungen hervorrufen und es eben auch zur Bildung „krimineller Vereinigungen“ kommt: Ein Keim führt zu Hautveränderungen, die Hautbarriere bricht zusammen und andere Keime folgen nach – eine Mischinfektion ist die Folge. Kommt der Tierarzt mit der Blickdiagnose nicht weiter, können Hautgeschabsel, Abstriche, Biopsien, Blutuntersuchungen oder andere diagnostische Ansätze den Weg zu einer zielgerichteten und damit wirksamen Behandlung ebnen.
Zur Behandlung wird Ihnen Ihr Tierarzt ein geeignetes Mittel an die Hand geben – Waschlösungen, Cremes, Salben oder Gele, Tinkturen etwa mit aseptischer, antibakterieller oder antimykotischer Wirkung. Diese Mittel wirken entweder gegen eine bestimmte Gruppe von Keimen, wenn diese identifiziert werden konnten, oder beseitigen die Fehlbesiedlung möglichst umfassend.
Im Falle von Hautpilzerkrankungen – Dermatomykosen – ist eine effektive Vorbeugung mittels Impfung möglich. Dazu werden dem Pferd zwei Impfungen im Abstand von zwei Wochen verabreicht, aufgefrischt wird dann nach neun Monaten. Das Besondere an dieser Impfung: Es ist möglich, auch bereits erkrankte Pferde zu impfen, sie hat also sowohl vorbeugenden als auch heilenden Charakter. Beim Einsatz am erkrankten Pferd kommt es bei 62 % aller Patienten innerhalb von vier Wochen zur vollständigen Abheilung, bei weiteren 26 % ist die Dermatomykose nach vier Wochen noch in der Abheilung.
Ganz unabhängig davon, wer der Bösewicht jeweils ist: Begleitende Maßnahmen schaffen ein Hautmilieu, in dem das Wachstum von Krankheitserregern ausgebremst wird. Wie genau kann das aussehen?

Gut für die Haut, schlecht für den Keim
Scheren Sie den betroffenen Bereich großzügig rund um die Hautveränderungen. So lassen sich Medikamente
effektiver anwenden, die Haut wird gut belüftet, bleibt trockener und profitiert wieder vom Sonnenlicht. Oft können Sie Ausmaß und Art der Hautveränderungen erst nach dem Scheren wirklich erfassen. Decken Sie zurückhaltend ein und denken Sie daran, dass die Pferdehaut Licht und Luft braucht, um gesund zu bleiben und um Vitamin D bilden zu können. Verhindern Sie einen Nässe- und Wärmestau unter der Decke, wie er vor allem beim Verbleib durchnässter Decken auf dem Pferd oder bei nicht an die Witterung angepasstem Eindecken entsteht. Bedenken Sie, dass dauerndes Eindecken Haut und Fell Ihres Pferdes auch mechanisch beansprucht und zu Hautschäden führen kann, die wiederum Keimen als Eintrittspforte dienen. Waschen Sie Decken regelmäßig – die sich sonst an der Innenseite bildende unappetitliche Schmocke ist unhygienisch, ganz sicher eine Brutstätte für Keime und behindert die Luftzirkulation. Halten Sie sich mit Pflegemaßnahmen eher zurück, nicht nur beim bereits erkrankten Pferd. Alles, was die natürliche Hautbesiedelung, den hauteigenen pH-Wert und die Behaarung beeinflusst oder gar beeinträchtigt, hat auch krankmachendes Potential. Ermöglichen Sie Ihrem Pferd, selbst Hautpflege zu betreiben. Das früher übliche Wälzen lassen im Hallensand nach der Arbeit war ein probates Mittel, das verklebte Fell aufzurauen, Feuchtigkeit zu binden, die Hautdurchblutung anzuregen – führen Sie diese Tradition wieder ein, auch wenn Sie danach ein paniertes Schnitzel zurück in den Stall bringen! Sorgen Sie dafür, dass Ihr Pferd nicht über längere Zeit durchfeuchtet ist, etwa nach dem Training. Mit Stroh abreiben wie zu alten Zeiten, dann aber unter die Wärmelampe oder zeitweise eingedeckt zurück in den Stall – nass zu sein ist kein Problem, nass zu bleiben aber schon. Mit diesen flankierenden Maßnahmen können Sie jahreszeitlich bedingte infektiöse Hauterkrankungen eindämmen und die Abheilung beschleunigen, aber vor allen effektive Vorbeugung betreiben. Ergänzend kommen Medikamente zum Einsatz.
Frühzeitiges Erkennen, rasches und nachhaltiges Behandeln, Einbeziehen der Lebensumstände – Hauterkrankungen lassen sich gerade jetzt nicht immer vermeiden, wohl aber zügig ausheilen. Schließlich wollen Sie und der weltbeste Quarter möglichst bald die ersten Frühlingstage unbeschwert genießen!

Text und Foto: Angelika Schmelzer