Die Zuchtstute – gesund & rund?

Die Fütterung der Zuchtstute stellt zahlreiche Züchter vor einige Fragen. DQHA-Zuchtobfrau Christine Petersen hat uns im Interview erläutert, worauf bei der gesunden Ernährung einer tragenden und laktierenden Stute zu achten ist.

Gerade bei der Zuchtstute sollte großer Wert auf eine ausgewogene Fütterung gelegt werden. Was sind Deine Erfahrungen: Werden die Stuten hierzulande eher zu knapp gehalten oder fett gefüttert?

Christine Petersen: Viele Pferde, die von Hobbypferdehaltern gehalten werden, sind zu fett und nicht ihren Ansprüchen entsprechend gefüttert. Aus diesen Beständen rekrutiert sich auch eine Vielzahl an heutigen Zuchtstuten. Echte Zuchtbetriebe, deren Existenzgrundlage die Zucht ist, gibt es nur noch sehr selten. 
Der außerordentlich gute Futterzustand vieler Pferde resultiert unter anderem daraus, dass in unseren Breiten Gräser gedeihen und heimisch sind, die viel zu eiweißreich und gehaltvoll sind und wir unseren Pferden natürlich lieber frisches Gras füttern als vertrocknetes, das auf dem Stängel abgereift ist. 
Außerdem bietet die Futtermittelindustrie eine Palette an Krippenfuttermitteln an, die appetitlich anzusehen sind und entsprechend gut riechen, so dass viele Pferdebesitzer meinen, noch ein bestimmtes Müsli füttern zu müssen und gar nicht nach den tatsächlichen Bedarfen gehen. 
Der erfahrene Züchter bevorzugt eher einen knappen Futterzustand seiner Stute. Man geht davon aus, dass diese Stuten fruchtbarer sein sollen und besser aufnehmen als fette Stuten.
In vielen Ställen, in denen hierzulande unsere Westernpferde untergebracht sind, werden zudem die Leitlinien des Tierschutzes noch nicht vollständig umgesetzt. Die Pferde erhalten zu wenig selbstbestimmte Bewegung und in der Regel zu wenig Raufutter. Die Faustregel für die Heufütterung besagt: 2 kg Heu pro 100 kg Körpergewicht. Bedeutet: Ein Pferd von 500 kg Lebendmasse sollte pro Tag 10 kg Heu erhalten – auf mehrere Malzeiten verteilt. Wobei darauf zu achten ist, dass das Raufutter eher nach der Blüte geerntet sein sollte und die Inhaltsstoffe den Bedarfen der Pferde entsprechen.

Woran erkennt der Züchter den ausgewogenen Fütterungszustand seiner Stute? 

Christine Petersen:Daran, dass die Stute natürlich äußerlich gesund aussieht, dass sie lebhaft und aufmerksam ist, ein glänzendes, glattes Fell besitzt, klare Augen, keine Anzeichen, die auf eine Erkältung oder einen Atemwegsinfekt hindeuten, dass sie keinerlei Schwellungen oder Auftreibungen an den Gliedmaßen hat, dass ihr Fress- und Ausscheidungsverhalten normal ist. 
Sie sollte nicht zu fett sein, d. h. die Rippen sollten spürbar, aber nicht sichtbar und Fetteinlagerungen am Mähnenkamm oder auf der Kruppe nicht vorhanden sein. Auf jeden Fall ist es nach meiner Erfahrung auch vorteilhaft, wenn die Stute eine gewisse Grundkondition hat. 
Stuten, die aus dem Hochleistungssport kommen, müssen nach meiner Erfahrung erst einmal abtrainiert werden und gerne schon ihren Platz in einer Zuchtstutenherde eingenommen haben. 


Viele Züchter haben Angst, dass ihre Stute, die normalerweise als Reitpferd genutzt wird, nach dem ersten und häufig auch einzigen Fohlen „aus dem Leim“ geht und nur schwer wieder zu ihrem vorherigen „shape“ zurückfindet. Sollten sie schon während der Fohlenaufzucht ein Augenmerk darauf haben, dass die Stute nicht zu moppelig wird? 


Christine Petersen: Eine Stute, die von Anfang an bedarfsgerecht gefüttert wird, wird auch nicht „aus dem Leim gehen“. Die Frage, ob „Moppeligkeit“ zum Thema wird oder nicht, ist m. E. stark davon abhängig, welchen Pferdetyp ich vor mir habe. Gerade beim AQH gibt es eine Bandbreite, die von kleinen Pferden bis zu Warmblut-bzw. Vollbluttypen von erheblichem Stockmaß reicht. Auch sollte man eine Stute, die bisher freizeitmäßig reiterlich genutzt wurde, nicht in Watte packen und überhaupt nicht mehr arbeiten, sobald sie trächtig ist. Im Gegenteil: Regelmäßige Bewegung ist für eine tragende Stute eher förderlich. Lediglich in den letzten drei Monaten der Trächtigkeit sollte man es ruhiger angehen lassen. Durch die beginnende Leibesfülle bewegen sich viele Stuten dann auch nicht mehr so gerne.  
Ebenso kann man das Training bereits während der Laktation wieder aufnehmen – natürlich kein Hochleistungstraining, sondern einfach nur ruhige Bewegungsphasen, damit die Mutterstute wieder „in shape“ kommt. Ich empfehle aber, nicht vor dem dritten Lebensmonat des Fohlens zu beginnen.
Sicherlich sollte man eine Stute mit Fohlen nicht einfach auf eine fette Weide stellen und dort zur Fohlenaufzucht belassen. Das birgt die Gefahr, dass am Anfang das Futterangebot wahrscheinlich noch hoch genug ist, aber gerade in den ersten drei Monaten wird der Stute durch die Milchproduktion viel abverlangt und da nimmt naturgemäß bereits das Futterangebot einer Weide ab. Das kann dann schnell genau zum Gegenteil führen, nämlich das die Milchproduktion die Reserven in der Mutterstute abbaut und die Stute in Kürze in einem erbärmlichen Futterzustand ist. Auch hier gibt es, je nach Pferdetyp, gravierende Unterschiede. 
Der Züchter sollte wachsam seine Stuten beobachten und rechtzeitig das Futterangebot anpassen.

Kurzer, knapper Futterfahrplan durch die verschiedenen Stadien der Trächtigkeit und anschließenden Laktation – was empfiehlst Du als langjährige erfahrene Züchterin und DQHA-Zuchtobfrau?

Christine Petersen: Vom ersten bis siebten Monat der Trächtigkeit kann eine Stute je nach Arbeitsleistung genauso gefüttert werden wie eine nicht tragende, d. h. das Eiweiß-Energie-Verhältnis bleibt gleich (5:1), steigt im gleichen Verhältnis wie auch evtl. die Arbeitsleistung. 
Ab dem achten Monat der Trächtigkeit steigt der Bedarf an Eiweißen stark (bis zum 3,5-fachen) an, stärker noch als der Energiebedarf. Dann sollte das Verhältnis Eiweiß-Energie 5,7:1 bis 6,4:1 betragen. Ebenfalls muss die Versorgung mit essenziellen Aminosäuren berücksichtigt werden! Nach meiner Erfahrung nehmen die Zuchtstuten aufgrund des Wachstums der Frucht ab der Zeit wesentlich weniger Raufutter auf, so dass Energie und Eiweiß in dem richtigen Verhältnis über andere Futtermittel (Krippenfuttermittel, Zuchtfutter, Sojaextraktionsschrot, evtl. Magermilchpulver) ergänzt werden sollten. 
Sobald die Stute gefohlt hat und wieder mehr Raufutter aufnimmt, würde ich möglichst viel Energie über eine gute Heuqualität oder Weide zufüttern und entsprechend über Krippenfuttermittel ergänzen.
Bis zum zweiten Laktationsmonat steigt nun der Eiweißbedarf weiter an (Verhältnis Eiweiß-Energie bis zu 9,4:1), danach nimmt die Milchleistung einer Stute allmählich ab, so dass man im fünften Laktationsmonat bei einem Eiweiß-Energie-Verhältnis von 7,4:1 ist, Tendenz abnehmend bis zum Absetzen des Fohlens. Nicht zu vergessen ist, dass auf jeden Fall die Rationen der Zuchtstuten über ein passendes Mineralfutter mineralisiert werden. Da ist es nach meiner Erfahrung angebracht, Produkte so zu wählen, dass die Zusammensetzung an die regionalen Gegebenheiten angepasst ist. So haben wir in Schleswig-Holstein z. B. eher saure Böden und der regionale Hersteller bietet ein extrem calciumreiches Mineralfutter an. 
Bei aller Theorie bezüglich der Zuchtstutenfütterung möchte ich betonen, dass meiner Ansicht nach die Zuchttiere auf die Weide gehören und zwar durchgängig mit entsprechender Zufütterung. 

Das Interview führte Friederike Fritz, Foto: Luxcompany