Ranch-Klassen

Disziplinen ohne Rind, aber mit echtem Cowboyfeeling

Ob Ranch Riding, Ranch Trail oder Western Work Rail: Disziplinen, die direkten Bezug zum ursprünglichen Einsatz des American Quarter Horse als Arbeitspferd haben, sind stets gut besuchte Klassen und begeistern zahlreiche Reiter, vielleicht auch, weil sich viele Fans des Westernreitens eher mit den vielseitigeren Anforderungen und dem schlichteren Outfit von Pferd und Reiter identifizieren. Aber was gehört dazu, wenn man starten will? Ein Überblick.

Ranch Riding sowie die anderen Ranch-Klassen sollen in ihrer Vielseitigkeit das ideale Ranchpferd widerspiegeln: ein willig an den Hilfen stehendes Pferd mit guter Vorwärtsbewegung, das sich gut lenken und im Tempo in allen Gangarten mühelos regulieren lässt. Auch ursprünglich gestaltete Hindernisse oder ein Baumstamm, den man hinter sich herziehen muss, stellen kein Problem für das Ranch Trail-erfahrene AQH dar.
In all diesen Klassen wird das Pferd in Hinblick darauf bewertet, ob es die Eignung als Arbeitspferd besitzt. Das heißt, dass flüssige, eher raumgreifende, gut zu sitzende Bewegungen und eine ausbalancierte, selbsttragende Körperhaltung bei der Bewertung die entscheidende Rolle spielen.

Ursprünglichkeit und Praxisnähe werden geschätzt
Fragt man Reiter, die in Ranch-Klassen starten, so hört man häufig, dass sie die Ursprünglichkeit und Praxisnähe der Klassen schätzen. Auch, dass die Pferde so locker und eher flott vorgestellt werden können und die Pattern – zumindest in der Ranch Riding und im Ranch Trail – so vielseitig sind, begeistert die Starter.
Viele sehen zudem einen Vorteil darin, dass in den Ranch-Klassen (noch) keine ausgesprochenen Spezialisten starten und damit keine spezialisierte Ausbildung des Pferdes notwendig ist. Ein solide ausgebildetes Pferd, das an den Hilfen steht, rittig und verlässlich sowie nervenstark ist, ist in der Lage, Ranch-Klassen erfolgreich zu bewältigen.
Viele betonen auch, dass sie sich auch als Einsteiger in den Ranch-Klassen wohlfühlen und dass diese das ursprüngliche Westernreiten und den „Zweck“ des AQH in seinem eigentlichen Ursprung verkörpern.

Optisch ganz anders!
So bodenständig wie die Anforderungen an das American Quarter Horse, so nahe am Ursprung gibt sich auch der Reiter in diesen Klassen. Das Outfit von Pferd und Reiter soll schlicht und arbeitstauglich sein. Es handelt sich nicht um eine Kostümklasse, in der es darum geht, alle, aber auch wirklich alle Klischees, die einen „echten Cowboy“ ausmachen, vor sich her bzw. an sich und dem Pferd zu tragen. Deshalb ist das (schlichte) Sattelzeug – das Regelbuch der AQHA empfiehlt zudem einen Back Cinch und Vorderzeug – auch sauber und gepflegt und möglichst dezent verziert. Es sieht aber auch nicht so aus, als reite der Prüfling direkt von der staubigen Prärie in die Arena! Besonders wichtig und deshalb lieben viele Reiter auch die Ranch-Klassen: Das typische „Blingbling“, das in vielen AllAroundklassen gerne gezeigt wird, sucht man in diesen Klassen vergeblich! Weder am Sattel noch am Zaumzeug oder an der Kleidung des Reiters sind glänzendes Silber oder funkelnde Steinchen gern gesehen, schließlich präsentiert man unter sich ein Arbeitspferd. Alles ist schlicht und arbeitstauglich.
Am Pferd wird auch nicht lange „gegroomt“: Die Mähne bleibt offen, der Schweif ohne Toupet (verboten!), die (natürlich sauberen) Hufe in ihrer natürlichen Tönung (Huflack ist auch verboten). Lediglich der Bridle Path, ursprünglich geschnitten, um das Auf- und Abtrensen zu erleichtern auf der Ranch, darf entsprechend ausrasiert sein.
Der Reiter trägt in der Ranch Riding wie auch in den anderen Ranch-Klassen ein schlichtes Outfit – ebenfalls ohne Blingbling, eben solide Western-Bekleidung, bestehend aus Boots, langärmligem Hemd/Bluse, Hut, Kleidungsstücke, die mit cowboy-typischen Accessoires aufgepeppt, aber nicht allzu übertrieben sein dürfen. Ob die aktuell häufig getragenen Chinks das Outfit komplettieren, bleibt jedem selbst überlassen, aber einige Richter merken mittlerweile kritisch an, dass aus den Ranch-Klassen keine Kostümklassen werden sollten, schließlich stehe die Präsentation des (Ranch-)Pferdes im Vordergrund.

Die Ranch Riding
Geritten wird in der Ranch Riding nach einer der Beispiel-Pattern, die im AQHA- bzw. DQHA-Regelbuch gelistet sind. Die Richter können die Pattern verändern und mit verschiedenen Manövern den Schwierigkeitsgrad anpassen. Die Pflicht-Manöver beinhalten Walk, Jog und Lope auf beiden Händen, weiterhin Extended Jog und Lope auf mindestens einer Hand sowie das Überqueren von Stangen. Zudem müssen Stopps, Richtungswechsel und Rückwärtsrichten während der Prüfung gezeigt werden. Optional können auch Seitwärtstreten und/oder ein Rinderpferch in die Prüfung integriert werden. Ein ganz besonders anspruchsvolles Pattern schickt Pferd und Reiter sogar durch einen Rinderpferch hindurch – Öffnen, Durchreiten und Schließen eines Tores inklusive!
Manier, Rittigkeit und Reaktionsfähigkeit des Pferdes während der Durchführung der Manöver und die Qualität der Bewegung sind die wichtigsten Aspekte, nach denen gerichtet wird. Der Schwerpunkt liegt hier auf Vorwärtsbewegung und freien, fließenden Bewegungen. Die Übergänge müssen ebenso sauber und harmonisch sein.
Das ideale Ranch Riding-Pferd ist gut trainiert, entspannt bei der Sache, dabei konzentriert und ruhig. Es bewegt sich flott vorwärts, in den verstärkten (extended) Gangarten zeigt es eine deutliche Verlängerung der Schritte. Geritten wird mit leichtem Zügelkontakt am lockeren Zügel. Vorrangig wird nicht nur der Gesamteindruck, sondern auch die Reaktionsbereitschaft des Pferdes bewertet, sprich korrekte Übergänge dort, wo sie in der Pattern gefordert werden, und diese geschmeidig und willig ausgeführt. Dementsprechend ist die Bewegungsqualität des Pferdes ein maßgebliches Bewertungskriterium.

Bewegung des Pferdes spielt in allen Ranch-Klassen eine große Rolle
Da Verstärkungen in den Gangarten zu jeder Ranch Riding gehören, braucht das Pferd einen guten Schub aus der Hinterhand. Übrigens: Hier dürfen die Reiter wahlweise leichttraben oder geschmeidig in den Bügeln stehen – so kann man es auch bei den Cowboys bei der Rancharbeit häufig sehen. Auch die Hand am Horn ist erlaubt – natürlich nur bei einhändiger Zügelführung.
Alle Manöver werden so ausgeführt, wie es ein Arbeitspferd tun würde, das heißt zweckmäßig. Bleibt fast überflüssig zu sagen, dass beim Stop zwar die Hinterhand tief untersetzt, aber nicht oder nur marginal geslidet wird! Auch der Turn ist eine Wendung und kein Roll Back, es wird Wert auf eine zügige, aber vor allem korrekte Hinterhandwendung gelegt. Unterschätzt wird häufig die Schrittphase innerhalb einer Prüfung: Der Schritt eines Ranchpferdes soll raumgreifend und zügig, dabei aber mit möglichst wenig Energieverlust geritten werden – nicht so leicht für viele AQHs. Immer unter Berücksichtigung der individuellen Voraussetzungen des Pferdes soll das ideale Ranchpferd fleißig, aber nicht hektisch erscheinen.

Ranch Trail
Der Ranch Trail besteht aus mindestens sechs Hindernissen. Hier werden Rittigkeit, Nervenstärke und Kooperation des Pferdes demonstriert. Alle Hindernisse symbolisieren Tätigkeiten, die auch im normalen Alltag auf einer Ranch vorkommen können. Unterschiedlich dicke Baumstämme, Holzbrücke, Tor, das Ziehen eines Baumstammes, ja sogar Ground Tying (Wahlhindernis), wenn der Cowboy mal aufs stille Örtchen möchte oder sich bequem auf einem Stuhl setzt und einen Schluck kühles Getränk zu sich nimmt, gehören dazu.
Natürliche Hindernisse werden vorzugsweise verwendet, um der Prüfung den passenden Rahmen zu verleihen. Ergänzend zu den Pflichthindernissen kann das Showmanagement mit Wahlhindernissen –Ropen eines künstlichen Rindes, Ground Tying, Durchreiten von Wasser etc. – den Parcours noch spannender und herausfordernder machen. Gerade Veranstalter kleinerer Shows kreieren phantasievolle Hindernisse, die nicht nur bei den Reitern, sondern auch im Publikum gut ankommen und dafür sorgen, dass während Ranch-Klassen die Zuschauerränge gut gefüllt sind.
Viele American Quarter Horse-Fans erinnern sich noch an die Q16, als die Reiter kurz aufs „Stille Örtchen“ verschwinden mussten, vor dem das treue AQH unangebunden brav wartete.

Working Western Rail
Die Working Western Rail ist die jüngste der Ranch-Klassen und wird wie die Western Pleasure in der Gruppe geritten. Die Pferde werden in den Grundgangarten vorgestellt. Sie sollen ebenso wie in den anderen Ranch-Klassen flüssig und fleißig vorwärts gehen, um zu zeigen, dass ein echtes Arbeitspferd zügig, aber dennoch möglichst ermüdungsfrei große Distanzen zurücklegen kann. Auch hier reagiert das Pferd willig und unverzüglich auf die Reiterhilfen, so dass es dem Reiter Freude bereitet, solch ein Pferd unter sich zu haben. Die Übergänge zwischen den Gangarten sowie die ebenfalls in dieser Disziplin geforderten Verstärkungen sollten weich und punktgenau erfolgen. Das Pferd geht in leichtem Kontakt zur Reiterhand am losen Zügel und trägt dabei Kopf und Hals in natürlicher Selbsthaltung. Auch in dieser Klasse stehen Rittigkeit, Reaktionsfähigkeit sowie die Bewegungsqualität des Pferdes im Vordergrund. Großer Wert wird auf einen natürlichen, fließenden Schritt und gleichmäßige, raumgreifende Gangarten sowie tadelloses Verhalten in der Gruppe gelegt.

Text: Friederike Fritz, Foto: Luxcompany