Die Legende lebt weiter
Aint It The Blues – ein Nachruf
Nicht nur die Fans der American Quarter Horses werden ihn niemals vergessen: Ein Ausnahmepferd, ein Top-Vererber, ein Turnierstar und eine faszinierende Erscheinung in jeglicher Hinsicht lebt nicht mehr. Aint It The Blues musste die Welt am 14.Juni 2023 für immer verlassen. Sein plötzlicher Tod löst bei allen, die ihn kannten, schätzten, liebten und bewunderten, eine tiefe Trauer aus, die sich auch in den sozialen Medien widerspiegelt.
Es ist nicht nur die Trauer, welche zum Ausdruck gebracht wird, es ist auch der Respekt vor der Lebensleistung eines besonderen Hengstes sowie deren Besitzern Gesa Meier-Bidmon und Thomas Bidmon. Blue, wie er gerufen wurde, konnte sich unter Gesa Meier-Bidmon zu einem erfolgreichen Hengst in der Show-Arena auf zahlreichen Turnieren entwickeln und wurde in der Zucht zu einem Vererber, dessen erreichte Titel bislang einmalig in der Geschichte der Deutschen Quarter Horse Association sind. Die besondere Beziehung von Gesa-Meier Bidmon und ihres Mannes Thomas Bidmon zu Aint It The Blues machte aus einem US-Import einen internationalen Star „Made in Germany“.
Als Aint It The Blues am 21.02.2002 in Aubrey/Texas das Licht der Welt erblickte, konnte noch niemand erahnen, welche unglaubliche Karriere vor dem damals noch bayfarbenen Hengstfohlen lag. Gezüchtet von Carol Lyn Fuller, machte er als Fohlen neben seiner Mutter Aint She Hot eine gute Figur. Insbesondere seinen berühmten Vater Zips Chocolate Chip konnte er nicht verleugnen.
Als Jährling gelangte Aint It The Blues in den Besitz von Familie Udsen aus Dänemark, wo er seine Jugend verbrachte. Hier erlitt er bei einem Sturz auf den großzügigen Weideflächen eine schwerwiegende Verletzung an der Halswirbelsäule, die ihm lange zu schaffen machen sollte. Zur Ausbildung führte sein Weg nach Deutschland, wo er im Frühjahr 2006 der damaligen DQHA-Zuchtleitung Gesa Meier-Bidmon und ihrem Mann Thomas auf der Frühjahrskörung sofort ins Auge fiel. Neben seinem eindrucksvollen Exterieur bestach der Hengst vor allem wegen seiner elastischen, geschmeidigen Bewegungen und seiner natürliche Selbsthaltung. Nur wenig später erfuhr das Ehepaar aus dem Schwabenländle, dass Aint It The Blues kastriert werden sollte. Der Hengst sei als Reitpferd zu temperamentvoll und im Umgang speziell. So machte das Ehepaar Meier-Bidmon ein Angebot und der ausdrucksstarke Bay Roan-Hengst wechselte in ihren Besitz. Schnell stellte sich heraus, dass sein Verhalten auf die Schmerzen seiner alten Halswirbelsäulenverletzung zurückzuführen war.
Nicht nur als Reiterin und Zuchtexpertin hat sich Gesa Meier-Bidmon bis heute einen Namen gemacht, als Tierärztin mit Zusatzausbildung Chirotherapie konnte sie Blue behutsam von seinen Schmerzen befreien. Das festigte mit Sicherheit auch das Vertrauen und die Beziehung zueinander.
Ab 2009 wurde Blue ausschließlich von der Amateurin Gesa trainiert und geshowt. Zusammen gewann das Paar unzählige Titel auf internationalen DQHA Championships, Europameisterschaften der Quarter Horses, auf dem World Cup der Americana sowie auf der EWU German Open. Ob in der Amateur oder Open Division, in den Disziplinen Halter, Western Pleasure, Western Riding und Trail dominierten die beiden die Allaround-Szene in Europa über mehr als zehn Jahre.
Aint It The Blues wurde als erstem und bisher einzigem Hengst in Europa die Auszeichnung AQHA Superior Allaround Open zuteil. Neben etlichen weiteren Auszeichnungen, die er für seine Leistungen im Sport von der American Quarter Horse Association erhielt, führte Blue mehrfach die High Point Wertung der AQHA in der Halter an. Dabei gilt zu bemerken, dass er diese Erfolge ausschließlich in Europa errungen hat. Eine Karriere, wie sie nicht nur für einen europäischen Hengst in der Allaround-Szene einzigartig war.
Vom Deckhengst zum Vererber
Kommen wir zu einem weiteren Kapitel in der Erfolgsgeschichte von Aint It The Blues. Mit Ima Princess stellte er schon in seinem ersten Fohlenjahrgang 2008 einen DQHA Weanling Futurity-Champion in Aachen. Und das war nur der Anfang, viele weitere Futurity- und Maturity-Champions sollten noch folgen. Auch die Champion Of Champions dürfen hier natürlich nicht unerwähnt bleiben. In den Disziplinen Halter, Longe Line, Trail in Hand, Trail, Hunter under Saddle und Ranch Riding hinterließ Blues’ Nachkommenschaft deutliche Spuren seiner DNA. Ob Futurity/Maturity, Europameister, International DQHA Champions, NSBA Futurity Champions, Celebration Champions – im In- und Ausland konnte und kann man sich auf die „blauen Nachkommen“ verlassen. Auf der AQHA World Show erreichte Lisa Schlatter (Österreich) mit ihrer selbst ausgebildeten Reno Jetset Aintblue den 24. Platz im Amateur Trail. Wohlgemerkt: dies als in den USA vollkommen unbekannte Reiterin in einem stark besetzten Starterfeld mit über 100 Startern. Weiterhin hatten auch erfolgreiche Appaloosa Horses und Paint Horses Aint It The Blues zum Vater. Egal, in welchem Westernverband, ob Amateur oder Profi – die Blue-Kinder gingen ihren Weg. Allein die Gewinnsumme der Nachkommen bei der DQHA betrug Ende 2022 mehr als 194.000 Euro. Diese Rekordsumme machte Blue zum Alltime Leading Sire. Ausnahmslos kann man sagen, dass er mit großem Abstand der erfolgreichste Allaround-Vererber Europas ist.
Jetzt die Leere – für immer
Im Juli wäre er von der Deckstation wieder zurück in den heimischen Stall nach Sparwiesen gekommen und im August hätte er auf der EM in Kreuth seinen Abschied vom Sport gefeiert. Es fällt schwer, von Aint It The Blues nur noch in der Vergangenheitsform zu sprechen.
Zu präsent, zu prägend ist der Hengst, den man zweifelsohne mit dem Superlativ beschreiben darf. Er hat die Allaround-Westernreitszene und AQH-Zucht nicht nur in Deutschland geprägt und die Messlatte hoch gelegt. Blue und Gesa Meier-Bidmon waren eine Einheit, zwei Herzen bildeten eine gemeinsame Seele. Dieses gegenseitige Urvertrauen sah, spürte man in der Show-Arena oder im Parcours. Aint It The Blues war voller Konzentration, nichts lenkte ihn ab. Elegant, souverän meisterte er jede Prüfung. Sein majestätisches Auftreten war keine Show, kein Imponiergehabe eines Hengstes, es war der alte texanische Pferdeadel in seinem Blut, der sich unprätentiös und natürlich präsentierte. Ein Pferd mit Charakter und Charisma. Ästhetik pur in seiner Erscheinung obendrein.
Am 14. Juni 2023 kam der Abschied von Aint It The Blues. Ein früher Anruf ließ nichts Gutes verheißen. Blue hatte sich in der Box den Oberarm gebrochen. Wie, warum, was ist passiert? Man weiß es nicht. Der Hengst stand am Morgen nur noch auf drei Beinen. Gesa Meier-Bidmon beriet sich mit ihren Tierarztkollegen, sogar eine spezialisierte Tierklinik wurde eingeschaltet. Gesa und Thomas fassten schweren Herzens den Beschluss, dass sie Blue von seinem Leid erlösen wollten. Ein geliebtes Familienmitglied im Hause Meier-Bidmon hinterlässt eine große Lücke. Die Erinnerungen bleiben. Wir werden auf sein Leben zurückblicken und viele dürfen es zu schätzen wissen, Aint It The Blues selbst gekannt zu haben. Gesa Meier-Bidmon und Thomas Bidmon wünschen wir viel Kraft in dieser schweren Zeit. Es ist ihr Verdienst, was aus Blue wurde. Nicht nur persönliche Erfolge können genannt werden, auch in die Geschichte der DQHA und der AQHA wird Aint It The Blues eingehen.
Tröstlich ist es, dass Aint It The Blues erfolgreiche und ihm sehr ähnelnde Nachkommen hat. So existiert er weiter.
Schon zu Lebzeiten eine Legende. Eine Legende, die auch nach seinem Tod weiterlebt.
Text: Sandra Görtz und Frank Hansen, Foto: Luxcompany