Western Riding – die heimliche Königsdisziplin

Warum man Wechseln nicht durch Wechseln lernt

Fliegende Galoppwechsel sind für viele Reiter ein Buch mit sieben Siegeln. Während man in der Horsemanship oder der Hunt Seat Equitation den fliegenden durch einfache Wechsel aus dem Weg gehen kann, gibt es eine Disziplin, die dieses anspruchsvolle Manöver nahezu zelebriert und in den Mittelpunkt der Performance stellt: Western Riding.

Dabei besteht die Disziplin aus viel mehr als nur den Wechseln. Enorm viel Training muss vorausgehen, wenn man hier brillieren möchte.

Perfektion am langen Zügel
Am langen Zügel geht es durch die Arena. Galoppwechsel werden auf den Punkt gesprungen und eine Stange wird auch noch ohne Probleme überquert. Das Pferd ist entspannt, die Ohren zeigen nach vorne und belohnt wird man mit einem 80-er Score. So oder so ähnlich sieht die Wunschvorstellung vieler Reiter aus, wenn sie an die Western Riding denken. Ein Pferd, das mit Leichtigkeit und aus jeder Lebenslage Galoppwechsel springt, ist für viele die Krönung der Pferdeausbildung. Bis es soweit ist, liegt ein langer und mitunter steiniger Weg vor Pferd und Reiter. Das weiß kaum jemand besser als Lisa Georgi, Pferdewirtschaftsmeisterin und dreimalige Europameisterin in der Open Western Riding. „Die Western Riding ist eine großartige Disziplin, der wie kaum einer anderen enorm viel Arbeit vorausgeht – sowohl am Pferd als auch am Reiter. Stellt man sich dieser Anstrengung, wird man mit einem durchlässigen und sehr rittigen Pferd belohnt“, schwärmt Georgi. Doch wie beginnt man?

Wie ist die Prüfung aufgebaut?
Bei der Western Riding denkt man zunächst an fliegende Galoppwechsel, dabei besteht die Disziplin aus viel mehr Elementen, die in Perfektion geritten werden wollen. In einer vorgegebenen Pattern wird eine Vielzahl von Galoppwechseln abgefragt, teilweise auf einer Geraden, teilweise als Cross-Wechsel mit anschließendem Richtungswechsel. Darüber hinaus müssen alle Gangarten des Pferdes sowie ein Jog-Over und ein Lope-Over über eine einzelne Stange gezeigt werden. Gerichtet wird nach der Qualität der Gänge und der Galoppwechsel. Die Manier sowie der Gehorsam gegenüber dem Reiter spielen bei der Bewertung des Rittes ebenfalls eine Rolle. Gleichzeitig gilt wie immer, wenn zu überquerende Stangen involviert sind, dass das Berühren, Verschieben oder Auslassen dieser zu entsprechenden Penaltys oder gar einem 0-Score führt. Flüssige und präzise zwischen den Pylonen ausgeführte Galoppwechsel werden besonders gut bewertet. Findet der Wechsel zu früh oder zu spät statt, wird dies mit unterschiedlichen hohen Penaltys bestraft, je nachdem, wie viel vor oder hinter dem gewünschten Punkt das Pferd gewechselt hat.

Was sollte das Pferd mitbringen?
Damit ein Pferd die Voraussetzungen bestmöglich erfüllt, um sich erfolgreich in der Disziplin zu präsentieren, sollte es von sich aus bereits gute Bewegungen mitbringen, besonders im Hinblick auf seine Galoppade. Ein harmonischer und ausgeglichener Körperbau ist ebenso entscheidend für saubere Wechsel. Insbesondere ein zu langer Rücken kann schnell zu einer größeren Herausforderung werden und das Training unnötig erschweren. Auch der Charakter ist ein wichtiger Anhaltspunkt für die Frage, ob ein Pferd für die Disziplin geeignet ist. Es sollte motiviert sein und einen gewissen „will to please“ mitbringen.

Wann ist mein Pferd bereit für das Training?
Noch vor dem Pferd sollte zunächst der Reiter bereit für das Wechseltraining sein. „Am besten ist es, wenn der Reiter erst einmal auf einem erfahrenen Western Riding-Pferd ein Gefühl für die Disziplin und für sauber gesprungene Wechsel bekommen kann. Das ist existentiell, um das eigene Pferd überhaupt an Galoppwechsel heranführen zu können. Ich selbst hatte das Glück, als 14-Jährige auf Smoot N Kohinoor lernen zu dürfen, einem sehr rittigen und guten Western Riding-Pferd. Das Gefühl für die Wechsel ist etwas, was einem kein Buch und kein Trainer der Welt vermitteln kann, das muss man selbst spüren. Deshalb versuche ich, es meinen Reitschülern immer zu ermöglichen, auf meinen sicheren Pferden, die einfach zu wechseln sind, ein Gefühl dafür zu entwickeln. Erst dann lasse ich sie das Gelernte bzw. Gefühlte auf ihren eigenen Pferden nachreiten“, erklärt die erfahrene Trainerin. An dieser Stelle steht ihre klare Empfehlung, keine Experimente durchzuführen. Hilfe bei Profis zu suchen ist gerade bei diesem Manöver enorm wichtig.
Wenn der Reiter bereit ist, gilt es den Ausbildungsstand seines Pferdes kritisch zu beurteilen. Nur wenn alle Punkte der Ausbildungsskala erfüllt sind, kann mit dem Training begonnen werden. Damit soll keine Angst vor der Disziplin geschürt werden. Im Gegenteil. Es kann nur nicht häufig genug betont werden, dass die Vorbereitung bei Wechseln mehr als nur die halbe Miete ist. Wenn sie gewährleistet ist, steht dem Spaß und Erfolg beim Training nichts im Weg.

Wie beginnt das Training?
„Nicht mit dem Üben von Wechseln!“ ist die klare Antwort auf die übergeordnete Frage. Das wirkt erst einmal paradox, doch dabei ist es in anderen Disziplinen bei genauerer Betrachtung ähnlich. Jeder passionierte Trailreiter weiß, dass er häufiger vor zu überquerenden Stangen angehalten hat als darüber zu reiten. Und während man im Trail nicht auf Biegen und Brechen blindlings über Stangen reitet in der Hoffnung, damit das Pferd zu verbessern, reitet man im Training für die Western Riding auch keine hundert Wechsel, auf dass diese auf wundersame Weise perfektioniert werden. Wie erwähnt ist die Vorarbeit das Wichtigste. „Allem voran arbeite ich mit dem Pferd an seiner Durchlässigkeit gegenüber all meinen Hilfen“, so Georgi. Dabei stehe die Gymnastizierung des Pferdes an alleroberster Stelle. Gute Übungen zur Vorbereitung sind das unabhängige Verschieben der Schulter und der Hinterhand. Sitzt dies in jeder Gangart einwandfrei, ist das eine enorm wertvolle Basis. Hinzu kommt das Training von Außengalopp in jeder Lebenslage. Dabei sei es quasi selbsterklärend, dass auch ein gleichmäßiger, ruhiger und ausbalancierter Galopp kein Problem für das Pferd darstellen sollte. Hand- und Außengalopp sollten immer abgerufen werden können. Das bedeutet auch, dass das Pferd nicht die Verknüpfung „rechtsherum laufe ich im Rechtsgalopp, linksherum im Linksgalopp“ verinnerlichen darf. Hat es diese Verknüpfung durch vorangegangenes Training erlernt, ist es umso wichtiger, vor den Wechseln daran zu arbeiten, dass der abgefragte Galopp nichts mit der Hand, auf der man reitet, zu tun hat.

Fehler vermeiden
„Das ständige Üben von Wechseln und der unvermeidbar wirkende Richtungswechsel im Anschluss sind die wohl gravierendsten und häufigsten Fehler, die beim Training gemacht werden“, betont Georgi. Galoppwechsel haben nichts mit Richtungswechseln zu tun. Dieser Trugschluss entstand aufgrund von Reitern, die nicht richtig wussten, wie sie dem Pferd das Manöver beibringen sollten und es darum mit einem Richtungswechsel versucht haben. Dabei ist das Ergebnis in den seltensten Fällen ein sauber gesprungener Galoppwechsel. Viel häufiger sieht man dann Pferde, die nicht sauber durchspringen, hektisch werden oder zunächst mit den Vorderbeinen wechseln, bevor die Hinterhand nachkommt. Das sieht nicht nur unschön aus, sondern ist auch schlichtweg falsch. Hat das Pferd diese Taktik jedoch für sich gelernt ist es umso schwerer, ihm die Wechsel neu und richtig zu erklären. Zudem sind Wechsel auf immer derselben Stelle wie beispielsweise bei X zu vermeiden. Das Pferd lernt dadurch nicht, auf eine Hilfe in den anderen Galopp zu springen, sondern verbindet das Wechseln mit einem bestimmten Punkt in der Halle. Dadurch ist es zum einen schwer bis unmöglich, die Wechsel an einer anderen Stelle abzufragen, was eine Western Riding Pattern ausschließt, zum anderen wird das Pferd den Wechsel selbstständig vorweggreifen und dem Reiter kaum noch eine Chance lassen, aktiv die Qualität des Wechsels zu beeinflussen. Ein weiterer häufig gemachter Fehler sei Ungeduld auf Seiten des Reiters: „Ich möchte es noch einmal betonen: Die Vorarbeit für die Wechsel dauert lange. Es gibt keine Abkürzung, durch die das Pferd, das gerade so seinen Takt im Galopp hält, innerhalb von vier Wochen bereit für die Western Riding Pattern wird“, mahnt die erfolgreiche Western Riding-Reiterin. „Es gibt Pferde, die die Thematik schneller verstehen und andere, bei denen es länger dauert. Und das ist vollkommen in Ordnung. Diese Zeit muss man seinem Pferd zugestehen. Ich verspreche, dass es sich lohnt! Aber gerade beim Training für die Western Riding gilt: Weniger ist mehr. Man sollte so wenig wie möglich die Wechsel selbst üben und stattdessen die Vorarbeit immer und immer wieder wiederholen.“

Tipps für die Prüfung
Auch direkt vor der Prüfung gilt es, nicht zu viel zu wechseln. Maximal zwei bis drei Wechsel sind ausreichend während des Abreitens. Direkt vor der Prüfung ist es deutlich wichtiger, noch einmal die Durchlässigkeit des Pferdes zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren. Darüber hinaus sollte der Reiter sich vor der Prüfung die aufgebaute Pattern gut angucken und den Abstand zwischen den Pylonen erfragen, um in der Prüfung sicher durch die Aufgabe zu kommen. In der Prüfung selbst empfiehlt Georgi, direkt ab dem Angaloppieren mitzuzählen. Das helfe enorm, um schnellstmöglich das richtige Tempo für die Disziplin und die entsprechende Situation in der Pattern zu finden. Bei den Wechseln sollte der Reiter unbedingt mittig sitzen. Vereinzelt sieht man noch Reiter, die Wechsel durch das ruckartige Verlagern des eigenen Körpergewichts zu provozieren versuchen. Das bringt das Pferd jedoch aus der Balance und führt zu hektischen und unsauberen Wechseln. „Bei allen Wechseln gilt, geradeaus zu schauen. Auch bei den Cross-Wechseln sollte man nicht direkt in die neue Richtung schauen oder gar reiten“, erklärt Georgi. Um Wechsel auf den Punkt genau reiten zu können, sollte man auf der Linie nicht auf Sicht reiten, sondern ganz klar ab den Pylonen anfangen zu zählen. Insbesondere wenn die Aufregung in der Prüfungssituation hinzukommt, neige man andernfalls viel zu schnell dazu, sich zu verschätzen.

Fazit
Der lange Weg zum guten Western Riding-Pferd und das umfangreiche Training lassen keinen Zweifel daran, dass es sich um eine enorm anspruchsvolle Disziplin handelt. Doch auch wenn man sich zunächst vor einer gewaltigen Aufgabe stehen sieht, lohnt sich der Aufwand. Darüber hinaus muss man sich immer wieder daran erinnern, dass es definitiv nicht die erste Disziplin ist, die man mit seinem Jungpferd ins Auge fassen sollte. „Die Western Riding ist nur das Ziel einer langen Ausbildung von Pferd und Reiter. Vor allem der Weg dorthin ist, was mich an der Disziplin begeistert. Dabei ist kein Pferd wie das andere. Für jedes einzelne Pferd kann und muss man spezielle Möglichkeiten finden, um es an diese Ausbildung heranzuführen. Das wird mit Sicherheit nie langweilig und stellt immer eine Herausforderung dar, aber die Western Riding wird auch nicht umsonst als Königsdisziplin bezeichnet“, fasst Georgi zusammen.

Text: Ally Hochstaedt, Foto: Luxcompany