Wenn der Tierarzt kommt
Gerecht geregelt: die GOT
Sie heißt „Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte“ oder auch „Tierärztegebührenordnung“ und wird meist mit „GOT“ alltagstauglich abgekürzt: ein von der Bundesregierung und dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erlassenes Regelwerk, das bis ins Detail beschreibt, auf welcher Grundlage Tierärzte ihre Gebühren erheben. Unter der gültigen Version stehen die Unterschriften von Olaf Scholz und Cem Özdemir – da hat sich also in jüngster Zeit einiges getan. Für uns Pferdeleute hat die GOT hohe Relevanz und sorgt nicht selten für Unmut – Grund genug, sich die neueste Fassung einmal genau anzusehen und zu fragen: Ist das, was hier geregelt ist, auch gerecht, fair und transparent?
Kommt die Rechnung für die letzte Impfung, für eine Tupferprobe, die Wundversorgung nach dem unglücklichen Sturz beim Longieren, den raschen Einsatz bei der schlimmen Kolik, dann findet der Empfänger fein säuberlich alles aufgeschlüsselt, wofür der Tierarzt entlohnt werden möchte. Dazu gehören nicht nur Tätigkeiten, sondern auch eingesetzte oder abgegebene Medikamente und Materialien wie etwa Verbandszeug. Wegegeld kann hinzukommen, Porto für den Versand einer Blutprobe berechnet werden, alles ist ordentlich aufgelistet und am Ende steht eine Summe, die hoffentlich bezahlbar ist. Aber hier – da fällt Ihnen etwas auf: Die Kastration Ihres Althengstes letzten Monat war viel teurer als die der Jährlingshengste der Stallbetreiberin – wurde da etwa ein Freundschaftspreis abgerechnet? Andererseits hat die Impfung ihres braven Wallachs weniger gekostet als die Impfung der zickigen Stute Ihrer Stallkollegin – hat sich der Tierarzt etwa geärgert und deshalb einfach mehr berechnet? Kurz: Es scheint so, als sei die GebührenORDNUNG eher eine GebührenUNORDNUNG… Lässt sich das klären? Wo findet ein Pferdebesitzer Hilfe?
Die aktuelle Fassung der GOT wurde am 22.11.2022 gültig. Der komplette Gesetzestext ist im Internet zu finden und lässt sich herunterladen. Auf 36 Seiten können Sie darin alle Regelungen nachlesen. Ein erster Teil legt detailliert dar, wie eine tierärztliche Rechnung auszusehen hat und wie die in einem zweiten Teil aufgeführten Gebühren für einzelne Leistungen konkret abgerechnet werden. Für den Tierbesitzer sind beide Teile gleichermaßen relevant. Mit der Zugänglichkeit aller Regelungen über das Internet sorgt der Gesetzgeber also zunächst für Transparenz: Wer mag, kann genauer nachlesen, wie seine Rechnung zustande gekommen ist.
Keine Willkür
Es ist aber auch für Gerechtigkeit gesorgt, und zwar für alle Beteiligten. Auf den ersten Blick scheinen tierärztliche Arbeiten nach einem gut vorhersehbaren und einschätzbaren Schema abzulaufen, was eine einheitliche Entlohnung erlauben würde: Impfung ist Impfung,
Kastration ist Kastration, Verband ist Verband. Jeder Pferdefreund hat aber schon die Erfahrung gemacht, dass sich bei näherem Hinsehen teils bedeutende Unterschiede auftun, was die Begleitumstände angeht: Mal braucht es eine Hilfsperson, um ein aufgeregtes Pferd sicher halten zu können, mal dauert es ewig, bis eine Impfung den Weg in ein unwilliges Quarter Horse gefunden hat, mal findet ein Einsatz nachts statt, es müssen bei einem Notfall andere Patienten warten oder gar aufwändig auf einen anderen Termin umgebucht werden, ein und derselbe Eingriff kann mal an einem unsedierten, dann wieder an einem in Stehnarkose versetzten Patienten durchgeführt werden müssen. Kurz: Selbst alltägliche tierärztliche Verrichtungen unterscheiden sich im Aufwand und in der dafür benötigten Zeit.
Hier hat der Gesetzgeber vorgesorgt und im Gebührenverzeichnis deshalb einen Basispreis („einfacher Satz“) für berufliche Tätigkeiten der Tierärzte festgelegt, der dann aber je nach den Begleitumständen bis zum dreifachen Satz abgerechnet werden kann. Die Begleitumstände betreffen insbesondere
• die Schwierigkeit der Leistungen,
• den dafür notwendigen Zeitaufwand,
• den Zeitpunkt, zu dem die Leistungen erbracht wurden (z. B. Wochenende, Feiertag, nachts),
• den Wert des Tieres und
• die örtlichen Verhältnisse.
Weitere Bestimmungen regeln, unter welchen Umständen zwingend der einfache Satz abgerechnet werden muss und wann er sogar unterschritten werden darf. Eine wirklich sinnvolle Ausnahmeregelung gilt nämlich für die Kastration freilebender Katzen – hier darf, was sonst nicht möglich ist, weniger als der einfache Satz abgerechnet werden.
Alles auf einen Blick
Die Prinzipien, nach denen eine tierärztliche Rechnung erstellt werden muss, sind ebenfalls genau geregelt. Neben den üblichen Angaben wie Anschrift, Rechnungsnummer oder Bankverbindung ist vor allem die erste Spalte der Auflistung für den Pferdebesitzer interessant: Hier steht eine Nummer, und die bezieht sich auf eine im Gebührenverzeichnis aufgelistete Leistung. Wurde bei Ihrem Pferd eine allgemeine Untersuchung mit Beratung vorgenommen, steht hier eine „4“, bei einer allgemeinen Untersuchung mit Beratung Ihres Hundes, Ihrer Hofkatze dagegen eine „16“. So ist es auch dem Tierbesitzer möglich, im Zweifelsfall selbst zu überprüfen, wie die Rechnung sich zusammensetzt und ob auch die tatsächlich erbrachten Leistungen abgerechnet wurden – schauen Sie einfach selbst in der GOT nach!
Weiterhin enthält die Rechnung das Datum der Leistungserbringung, die Tierart, den Grund für die Hinzuziehung des Tierarztes oder die Diagnose, weitere Kosten, die zusätzlich zur Untersuchung oder Behandlung angefallen sind (etwa Wegegeld für die Anfahrt, die Kosten für abgegebene Medikamente), dann natürlich den Rechnungsbetrag und die anfallende Umsatzsteuer. Fällig wird die Vergütung übrigens mit der Rechnungsstellung.
Wichtig: Das Wegegeld berechnet sich nicht nach dem Satz, der allgemein etwa für Fahrten zur Arbeitsstätte veranschlagt wird, sondern rechnet die aufgewendete Zeit mit ein – Zeit ist Geld.
Pro Doppelkilometer werden 3,50 Euro berechnet, insgesamt aber mindestens 13 Euro. Muss der Tierarzt Strecken zu Fuß zurücklegen oder gestaltet sich die Anfahrt besonders schwierig, etwa durch widrige Witterungsbedingungen und entsprechende Straßenverhältnisse, darf auch hier bis zum Dreifachen des Satzes abgerechnet werden.
Gerecht, fair und vor allem transparent: Tierarztrechnungen werden nicht willkürlich erstellt, sondern immer auf Grundlage der GOT. Die sorgt mit vielen Details, aber trotzdem großer Übersichtlichkeit dafür, dass auch Patientenbesitzer immer nachvollziehen können, wie sich tierärztliche Rechnungen zusammensetzen. Und wenn doch einmal etwas unklar bleibt – fragen Sie Ihren Tierarzt!
Text und Foto: Angelika Schmelzer