Erfolgreiches Stressmanagement
Umgang mit Erwartungen
In der Novemberausgabe hat Mental-Trainerin und DQHA Professional Horsewoman Gabi Kelch erläutert, wie Stress sich auf das Miteinander von Pferd und Reiter auswirken und das Training beeinflussen kann. Dabei spielt es eine entscheidende Rolle, wie hoch die Erwartungen sind, mit denen der Reiter an sein Pferd und die Reiterei herangeht. Wie diese Erwartungen sich in Sachen Stress und Energie auswirken, erläutert sie im folgenden Beitrag.
Steht unsere Erwartung nicht im Einklang mit der Realität, gibt es zwei Möglichkeiten, wie sich dies im täglichen Umgang mit dem Pferd auswirken kann: Dieser Zustand kann uns im positiven Fall Energie geben, im negativen Fall dagegen erweist er sich als Energiekiller.
Positive Energie durch Begeisterung
Eine Reiterin ist als Zuschauer auf einem Turnier. Sie ist sehr begeistert, wie mühelos manche Pferd/Reiter-Teams sich zeigen. Der Gedanke/Wunsch entsteht: „Ich möchte selbst auf einem Turnier starten und mein Pferd und mich so schön präsentieren.“
Sie weiß, dass sie noch weit weg ist von ihrem Ziel und es vielleicht nie genau so erreichen wird. Der Gedanke, auf einem Turnier zu starten, stresst sie eigentlich, aber dennoch will sie es realisieren. Sie überlegt, wie sie vorgehen kann, macht sich einen Plan. Ist sich sicher, dass es ein weiter Weg ist und sie fleißig und konsequent trainieren muss. Und dass es nicht immer leicht werden wird. Dennoch wählt sie diesen Weg, gepusht von ihren Erwartungen und ihrem Ziel, das ihr die nötige Energie gibt und auf das sie sich nach jedem misslungenen Training wieder fokussiert.
Enttäuscht: negative Energie
Eine Pferdebesitzerin dagegen fühlt sich schon ein paar Wochen nach dem Kauf ihres Pferdes überfordert und gestresst. Sie bemüht sich sehr, will alles richtig machen, liest viel, fragt verschiedene Stallkolleginnen, und dennoch gestaltet sich das Zusammensein mit ihrem Pferd schwierig.
Sie vergleicht sich mit anderen, ist von sich enttäuscht. Das hat sie sich leichter vorgestellt! Ihre Erwartung, dass viele Dinge selbstverständlich funktionieren, ist leider nicht eingetreten. Sie ist enttäuscht. Von sich selber, ihrem Pferd und ihrem Umfeld. Es wäre schön, wenn sie mehr Unterstützung erhalten hätte. Sie fühlt sich alleingelassen.
Wo liegt der Unterschied?
Hier ist die Erwartung, ein eigenes Pferd zu besitzen sei leicht, nicht erfüllt worden. Die gesamte Situation stresst nicht nur die Reiterin, sondern vermutlich auch das Pferd. Enttäuschung, Abwertung, Frust, Last – das alles zieht viel Energie. Man hängt gedanklich in Grübelschleifen fest, geht ziellos weiter ohne Antrieb.
In stressigen Phasen reagiert man häufig planlos auf das, was kommt. Das Gehirn ist im Überlebensmodus und funktioniert wie eine Art Autopilot. Negative Gedanken verstärken sich.
Erwartung contra Selbstfürsorge
Du kannst nicht erwarten, dass andere deine Situation lösen, dich glücklich machen – sorge selbst dafür. Dafür braucht es Zeit, die man sich nehmen sollte. Hier heißt es Prioritäten setzen: Was ist mir aktuell so wichtig, dass ich mir dafür Zeit einplane und was kann für den Moment hinten angestellt werden? Das kann ich nur selbst entscheiden!
In dem Wort „Erwartung“ ist „warten“ enthalten. Man wartet auf etwas. Tritt nicht ein, was erwartet wird, schlägt alles ganz schnell in Enttäuschung um. Das ist eine ganz normale menschliche Reaktion. Sie darf da sein. Sie sollte dich nur nicht komplett einnehmen oder dich lahmlegen. Du selbst hast es in der Hand, wie du diese Situation bewertest und damit umgehst. Jede Aufgabe oder Herausforderung im Leben kann als Lerngelegenheit angesehen werden. Das will man natürlich anfangs nicht hören. Man wehrt sich dagegen. Auch das ist normal. Fängt man an, die Situation anzunehmen, ist der erste Schritt getan. Überlege: Wie möchte ich es haben, was kann ich tun, dass es so wird? Wer oder was kann mir bei der Umsetzung helfen und über welchen Zeitraum plane ich? Die Antworten helfen, wieder Licht ins Dunkel zu bringen und ins Handeln zu kommen…
Text: Gabi Kelch, www.gabi-kelch.de, Foto: Josua Graf