Klimawandel-Check

Gesundheit und Haltung

Verantwortungsvolle Pferdehalter sind gut aufgestellt und nehmen aktuelle und kommende Veränderungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel proaktiv an. Notwendige Anpassungen sind bereits vorgenommen oder in die Wege geleitet. „Wandel“ heißt „Veränderung“ und mit dem Klima ändern sich unweigerlich auch die Rahmenbedingungen für die Pferde und ihre Haltung, da müssen in Zukunft sicher weitere Herausforderungen erkannt und bewältigt werden. Auch bezüglich Gesundheit und Wohlbefinden werden wir manches überdenken, einiges neu bewerten müssen, vieles ändern. Was können wir jetzt schon tun, worauf werden wir in Zukunft vermehrt achten müssen?Bereits jetzt zeichnen sich drei Schwerpunkte in Sachen Gesundheit ab, die uns künftig wohl vermehrt beschäftigen werden:
• Die Grundfutterversorgung unserer Pferde hat direkten Einfluss auf seine Gesundheit. Pferdefreunde berichten, dass ihnen die Heuqualität zunehmend Sorgen macht und es in der Folge vermehrt zu Atemwegsproblemen kommt. Erschwerend kommt eine zumindest zeitweise stark erhöhte Staub- und Pollenbelastung infolge von Trockenheit hinzu.
• Mit dem Klima ändern sich auch die Lebensbedingungen anderer Tiere und damit indirekt die Gebiete, in denen belebte Krankheitsüberträger heimisch sind. Von solchen Vektoren übertragene, infektiöse Pferdekrankheiten werden damit etwa aus dem Mittelmeerraum oder anderen wärmeren Gebieten zu uns einwandern können. Diese Problematik kann durch die Globalisierung noch verschärft werden.
• Auch der Einsatz unserer Pferde in Freizeit und Sport ist direkt betroffen, da bei Leistung unter Hitze und Schwüle Gesundheitsgefahren drohen.

Neben diesen drei Schwerpunkten werden sich vielleicht in Zukunft weitere ergeben. So verlängert sich die warme Jahreszeit und damit die Flugzeit vieler Insekten und die wiederum sind nicht nur lästig, sondern auch unangenehme Verursacher von Bindehautentzündungen und Allergien. Die starke Sonneneinstrahlung kann bei Pferden mit großen Abzeichen und Pigmentbesonderheiten des Auges Gesundheitsprobleme verursachen, auch dies gilt es zu bedenken. Anhaltende Trockenheit im Sommer führt schon jetzt zu teils betonharten Böden, die Hufe und Trageapparat belasten. Kurz: Zahlreiche Herausforderungen wollen angenommen und bewältigt werden.

Atemwege unter Druck
Die Atemwege unserer Pferde sind auf ein freies Leben in der Steppe eingerichtet und leiden häufig unter den Bedingungen der Stallhaltung – ein alter Hut und längst bekannt. Zu Recht galt und gilt deshalb eine artgerechte Haltung mit viel frischer Luft als gesund und Garant für ein leistungsstarkes Atmungssystem. Daran hat sich nun nicht viel geändert. Infolge zunehmender Trockenperioden und sich verlagernder Vegetationsphasen sind nun aber sowohl das Heu als auch die Atemluft unserer Pferde von Staub und Pollen, von organischen und anorganischen Fremdstoffen zunehmend belastet. Es gibt zudem Anzeichen dafür, dass der Pollenflug und sein Zusammenhang mit allergischen Erkrankungen eine zunehmend größere Rolle spielen werden.
Bei der Raufuttergabe bieten sich zwei Möglichkeiten an: Zum einen kann durch einen Umstieg auf Heulage und damit auf von Natur aus leicht feuchtes Futter die Staubbelastung verringert werden. Viele, auch professionelle Pferdehalter haben damit in letzter Zeit gute Erfahrungen machen können. Zudem konnten entsprechende wissenschaftliche Erhebungen den Verdacht, Silagefutter sei Hauptursache für Kotwasser, entkräften. Mit dem Umstieg auf hochwertige, professionell hergestellte Heulage und die damit verbundene kürzere Trockenzeit wird zudem die Raufuttergewinnung insgesamt sicherer. Ersatzweise werden auch Trockengrünprodukte, also Heucob und Co, erfolgreich eingesetzt – dies überwiegend bei Pferden mit bestehenden Atemwegsproblemen.
Die zweite Möglichkeit ist der Einsatz von Heubedampfern, um belastetes Heu sicher und relativ mühelos von organischen und anorganischen Stäuben zu befreien. Entscheidend ist nicht, diese Fremdstoffe zu entfernen, sondern sie zu binden – nicht eingeatmet, sondern abgeschluckt und im Magen gelandet, richten sie kein Unheil mehr an. Alternativ kann Heu natürlich auch gewässert werden, entweder von Hand oder mit einer entsprechenden Vorrichtung.
Windschutznetze brechen den Wind und verringern damit automatisch auch die Staubbelastung in Innenräumen, ohne jedoch den Austausch von Gasen zu beeinträchtigen. Bessere Böden und eine gut funktionierende Bewässerung für alle Reitplätze und Hallen sind ein Muss (siehe QHJ 6/2023). Wer seine Weiden vor Überweidung schützt, verringert damit auch das Einatmen von Staub auf raspelkurz abgefressenen Flächen und die Bodenerosion durch Wind.

Anderes Klima, neue Krankheiten?
Auwaldzecke, Tigermücke und Co. – längst rückt allerlei Krabbelvieh aus anderen Gefilden zu uns vor und nistet sich dauerhaft bei uns ein. Aber auch andere Tiere, etwa Vögel, erobern bei uns neue Lebensräume oder finden sich infolge verlagerter Zugkorridore als Gäste ein und auch sie können Krankheitsüberträger oder Keimreservoir sein bzw. entsprechende Vektoren als „blinde Passagiere“ mitbringen. Möglich ist auch eine Einschleppung über den internationalen Verkehr. Es sind also nicht die Viren, Bakterien und Pilze selbst, die sich mit Rucksack und Wanderstab zu uns aufmachen, Mitteleuropa besiedeln und unsere Pferde infizieren, es sind vorwiegend Änderungen im Verbreitungsgebiet ganz unterschiedlicher Tiere, die das hiesige Infektionsgeschehen indirekt beeinflussen. Hinzu kommen Faktoren wie etwa Überschwemmungen infolge von Starkregenereignissen und damit günstige Fortpflanzungsbedingungen für allerlei Stechinsekten, die wiederum Krankheiten übertragen – es ist ein komplexes Problem mit zahlreichen Faktoren.
Gut darstellen lässt es sich am Beispiel des West-Nil-Virus. Schon der Name lässt vermuten, dass es neu hier ist. Es infiziert hauptsächlich Vögel, doch auch Menschen und Pferde sind empfänglich. Sie erkranken, wenn allerlei Stechmücken – darunter auch die Asiatische Tigermücke – zunächst einen infizierten Vogel stechen, mit dem Blut auch den Erreger aufnehmen, anschließend ein Pferd, einen Menschen pieken und damit das Virus auf den neuen Organismus übertragen. Das West-Nil-Virus und das dadurch ausgelöste West-Nil-Fieber sind seit wenigen Jahren bei uns auf dem Vormarsch und breiten sich allmählich aus. Impulsgeber dieses Prozesses sind sich infolge des klimatischen Wandels ändernde Flugrouten von Zugvögeln und der Einfluss der Witterungsveränderungen auf die Stechmückenpopulationen.
Hier können wir kaum vorbeugend aktiv werden. Es gilt, das Geschehen im Auge zu behalten und sich regelmäßig zu informieren. Die StIKo Vet passt ihre Impfempfehlungen an und die Wissenschaft erforscht im Hintergrund stetig das Infektionsgeschehen. Ein guter Schutz vor Insekten ist in jedem Fall empfehlenswert, da von ihnen auch darüber hinaus Schadwirkungen ausgehen können.
Weitere Auswirkungen des Klimawandels auf das Infektionsgeschehen sind zwar nicht auszuschließen, lassen sich aber noch kaum abschätzen. So könnten etwa die wärmeren Winter, in denen der Niederschlag zunehmend als Regen anstatt als Schnee fällt, zu einer Zunahme von „Regenräude“ führen, einer Hauterkrankung durch Dermatophilus congolensis, die vor allem im Zusammenhang mit anhaltenden Niederschlägen auftritt.

Hitze, Schwüle, Höchstleistung?
Hitze von außen, Muskelwärme von innen: Da hat das körpereigene Thermoregulationssystem ganz schön dran zu knabbern! Unter bestimmten Umständen kann es selbst bei fitten, gut trainierten Pferde regelrecht ausgehebelt werden: Dann nämlich, wenn zur Hitze die Schwüle hinzukommt und die hohe Luftfeuchtigkeit der Verdunstung von Schweiß, der zur Abkühlung produziert wird, entgegenwirkt. Bei trockener Luft kann die Feuchtigkeit auf der Körperoberfläche rasch verdunsten, dem Körper dabei Wärme entziehen und ihn so herunter kühlen, bei schwülem Wetter funktioniert das zunehmend eingeschränkt. In der Folge steigt die Körperinnentemperatur an und das bringt den Organismus buchstäblich ins Wanken: Es droht ein Hitzekollaps, mit oft dramatischen Folgen für das Pferd. Auch unabhängig von körperlicher Arbeit kann es zu Problemen kommen: Übergewichtige, schwache/alte Pferde, vorerkrankte, eingedeckte Pferde laufen ebenfalls Gefahr, bei Hitze und Schwüle zu kollabieren, da ihr Thermoregulationssystem nicht mehr gut arbeitet oder behindert wird. Ungünstig ist auch ein übermäßiges, der aktuellen Witterung nicht angemessenes Haarkleid, wie es mit manchen Stoffwechselstörungen einhergeht.
Wie kann man als verantwortungsvoller Halter und Reiter diesem Problem vorbeugen? Zunächst gilt es, das Training in Uhrzeit und Umfang ganz flexibel den Witterungsbedingungen anzupassen und bei schwülwarmem Wetter grundsätzlich die Anforderungen eher herunterzuschrauben. Hallen und Ställe müssen gut belüftet sein, damit die Hitze nicht „steht“, ein ordentlicher Windzug unterstützt den Verdunstungsprozess. Auf der Show muss sichergestellt werden, dass Pferde ihre Pausen in gut belüfteten, schattigen und möglichst kühlen Unterständen verbringen können. Ist große Hitze zu erwarten, können entsprechende Anpassungen sowohl im Zeitplan als auch bei den eigenen Starts notwendig werden, um Überforderungen zu vermeiden. Auf Shows wie daheim wird man in Zukunft noch stärker auf sorgfältiges Abwärmen achten müssen, wenn Hitze und Schwüle wetterbestimmend sind. Es müssen Vorkehrungen getroffen werden, auch mehrere Pferde gleichzeitig abspritzen oder abschwammen zu können, damit es zu keinen Wartezeiten kommt. Entscheidend nach der Erfrischung: Ziehen Sie das Pferd abschließend mit einem Schweißmesser ab und bringen Sie so den Verdunstungsmechanismus in Gang. Der kann nämlich bei einem geschlossenen Wasserfilm weniger gut arbeiten… Handwarmes Tränkwasser schluckweise anbieten, immer wieder ein paar Schritte gehen, an der Hand grasen lassen, dass kühlt Pferde ohne Stress für den Kreislauf langsam herunter.

Komplexe Herausforderungen
Probleme sind da, Lösungen aber auch – vor allem die zunehmend heißen, trockenen Sommer der vergangenen Jahre haben einen Trend aufgezeigt, der sich vermutlich fortsetzen wird. So konnten Pferdefreunde bereits Erfahrungen sammeln, wie sich am besten damit umgehen lässt, die Wissenschaft nimmt sich auf vielen Ebenen der Sache an und erforscht auch die Auswirkungen auf den Pferdesport und der Reitsporthandel bringt neue, hilfreiche Produkte auf den Markt. Gesundheit und Wohlbefinden unserer Pferde unter neuen Rahmenbedingungen sichern – eine herausfordernde Aufgabe!

Text: Angelika Schmelzer