Ab in die Klinik!

Was passiert bei einer Operation?

Diesen Satz hört kein Pferdebesitzer gerne: „Ihr Pferd muss operiert werden!“ Oh weh – was kommt da auf Pferd und Mensch zu? Manchmal sind die Umstände dramatisch, mal die Situation doch eher entspannt. Immer aber ist die Sorge um den Vierbeiner von einer gewissen Unsicherheit begleitet. Wir erklären, was Sie rund um das Thema „Operation“ wissen sollten!

Ein instrumenteller chirurgischer Eingriff, meist unter Anästhesie durchgeführt, wird „Operation“ genannt. Solche Eingriffe können nicht nur der Therapie des Patienten dienen, also die Beseitigung einer Gesundheitsstörung zum Ziel haben, sondern auch zur Diagnostik durchgeführt werden. Manchmal überlagern sich die beiden Zielsetzungen wie etwa bei Arthroskopien: Der Operateur will herausfinden, was da im Gelenk eigentlich nicht stimmt und wird vielleicht auch direkt Schäden beseitigen können.

Was haben Operationen mit Tierschutz zu tun?
An zwei Punkten ergeben sich Schnittmengen zwischen Operationen und dem Tierschutz. Der Grundsatz des Tierschutzrechtes lautet „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schaden zufügen“. Da jede Operation automatisch mit Schmerzen, Leiden und Schaden verbunden ist, muss also ein „vernünftiger Grund“ vorliegen. Dieser Grundsatz ist auch Basis des Verbots etwa von Eingriffen wie der Durchtrennung der Schweifmuskulatur an der Unterseite, um dem Pferd zu einer ruhigeren Schweifhaltung zu verhelfen – das kann nicht als „vernünftig“ angesehen werden. Wir können allerdings hierzulande davon ausgehen, dass dieser Punkt in der Praxis keine Rolle spielt. Eine weitere Schnittmenge ergibt sich daraus, dass mögliche Operationen nicht in jedem Fall auch als sinnvoll, als vernünftig angesehen werden – hier ist aber der Ermessensspielraum groß. So steht man etwa bei einem alten, mehrfach vorerkrankten Pferd im Falle einer dringend notwendigen, schweren Kolikoperation vor anderen Überlegungen als bei vergleichbarer Indikation bei einem jungen, ansonsten pumperlgesunden Patienten. Hier werden gute Tierärzte beratend zur Seite stehen, um abzuwägen, was in jedem einzelnen Fall vernünftig ist – oder eben nicht.

Wie laufen Operationen ab?
Vor der Operation wird nach entsprechender Diagnose die Indikation gestellt, also erfasst, auf welcher Grundlage ein chirurgischer Eingriff notwendig ist und in welchem Zeitraum und unter welchen Rahmenbedingungen er vorgenommen werden muss. Voruntersuchungen am Pferd, die Erfassung des Gesamtzustandes auch durch Befragung des Besitzers und die Vorbereitung des Pferdes auf den Eingriff etwa durch Scheren des Operationsgebietes gehören ebenfalls in diese präoperative Phase. Für größere Eingriffe wird ein Venenverweilkatheder angelegt, mit dem Narkosemittel sowie eventuell Notfallmedikamente verabreicht werden können.
Während der Operation wird zunächst unter Anästhesie ein Zugang geschaffen, dann der chirurgische Eingriff durchgeführt und anschließend der Zugang wieder verschlossen.
In der postoperativen Phase klingt die Wirkung der Anästhesie allmählich ab. Je nach Eingriff wird der Patient nur kurz oder über mehrere Tage überwacht. Dann können auch für einige Zeit begleitende Maßnahmen wie etwa eine Infusion nötig sein. Der Operateur wird das Ergebnis des Eingriffs zeitnah überprüfen.

Was genau ist eine Anästhesie?
Eine Anästhesie (auch als Betäubung bezeichnet) führt beim Patienten einen Zustand der Schmerzlosigkeit herbei. Es wird zwischen allgemeiner, regionaler und lokaler Anästhesie sowie zwischen unterschiedlichen Formen der Herbeiführung einer Empfindungslosigkeit unterschieden. Bei einer Allgemeinanästhesie oder Vollnarkose werden dem Patienten je nach Eingriff intravenös, über die Atemluft oder durch eine Kombination beider Methoden Mittel zugeführt, die einen Zustand der Schmerzlosigkeit und des Bewusstseinsverlustes herbeiführen und zudem durch Muskelrelaxantien die Bewegungsfähigkeit ausschalten können.
Bei einer Lokalanästhesie („örtliche Betäubung“) wird nur ein eng begrenztes Areal durch das Ein- oder Aufbringen entsprechender Lokalanästhetika schmerzlos gestellt. Die Regionalanästhesie erreicht diesen Zustand der Schmerzfreiheit, indem an Nervenbahnen die Schmerzweiterleitung blockiert wird, etwa im Rahmen einer Epiduralanästhesie oder Spinalanästhesie.

Was passiert bei einer Vollnarkose?
Typisch für Pferde, die unter Vollnarkose operiert werden: Es ist eine Nahrungskarenz von bis zu zehn Stunden vor dem Eingriff notwendig – bei Notoperationen ist dies natürlich nicht möglich. Manchmal müssen Hufeisen entfernt oder aufwändig gepolstert werden, um Verletzungen zu verhindern. In einer Ablegebox wird das einleitende Narkosemittel intravenös verabreicht, das Pferd kontrolliert abgelegt und dann mittels Kran in den Operationssaal verbracht. Durch eine weiche Lagerung auf speziellen, beweglichen Operationstischen werden das Ablegen und der Transport des Pferdes unterstützt und Schäden etwa an Nerven im Kopfbereich verhindert. Im OP-Saal wird es zur Überwachung seiner Vitalfunktionen an diverse Geräte angeschlossen. Ein Beatmungsschlauch wird über das Maul, das mittels Maulgatter dauerhaft geöffnet ist, in die Luftröhre geschoben. Über diesen Beatmungsschlauch kann nun auch eine Inhalationsnarkose eingeleitet werden. Während der Operation überwacht der Anästhesist die Zuführung des Narkosegases und überprüft beständig die Beatmung, auch mittels Kontrolle der Sauerstoffsättigung. So können Beatmung und Narkose flexibel immer wieder optimiert werden. Mit Beendigung des Eingriffs wird kein weiteres Narkosegas mehr zugeleitet, worauf das Pferd nach und nach aufwacht.

Wie wird das Pferd nach einem Eingriff vor allem unter Vollnarkose betreut?
Aufwand und Art der Nachbetreuung sind von der Form der Anästhesie, von Art und Schweregrad des Eingriffs sowie vom Allgemeinzustand des Patienten abhängig. Sowohl während als auch nach einer Operation unter Vollnarkose müssen Pferde besonders engmaschig und mit erheblichem Aufwand versorgt werden. Das betrifft insbesondere die Lagerung während der Operation als auch die Überwachung in der Aufwachphase, während also das Narkosemittel langsam abflutet. Sobald die Inhalationsnarkose ihre Wirkung verliert, beginnt das Pferd nach und nach wieder auf Außenreize zu reagieren. Der Anästhesist kann dies ganz einfach durch Auslösen des Lidschlussreflexes überprüfen. Jetzt wird das Pferd, wieder mit einem Kran, in eine gepolsterte Aufwachbox verbracht. Dort kann es unter Kontrolle aufwachen und wieder auf die Beine kommen, wobei es auch Unterstützung erfahren kann. Postoperativ werden Pferde meist noch längere Zeit über eine Infusion versorgt, um den Kreislauf zu stützen. Erst nach einiger Zeit, wenn sie völlig wach und ausreichend sicher auf den Beinen sind, geht es zurück in die Krankenbox.
Operationen am Pferd erfordern im Falle größerer Eingriffe unter Vollnarkose einen sehr hohen Aufwand: an Fachpersonal, aber auch an entsprechender Infrastruktur. Auch bei kleineren Eingriffen ist nicht nur die eigentliche Operation, sondern auch die Nachsorge etwa durch häufige Verbandswechsel oder Medikamenten-gabe – beispielsweise Antibiotika zur Verhinderung von Infektionen – mit einigem Einsatz finanzieller und organisatorischer Art verbunden. Wenn es dann aber dem Vierbeiner wieder so richtig gut geht, hat sich der ganz Aufwand gelohnt!

Text: Angelika Schmelzer