Kolikvorbeugung

Damit es im Bauch rund läuft

Unsere Westernpferde strotzen vor Kraft und Lebensfreude, so schnell wirft sie nichts um. Wenn es dann doch einmal im Bauch zwickt und zwackt, wird auch das coolste Pferd unvermittelt zum Patienten, der seinem Besitzer die Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Koliken sind weit mehr als nur ein wenig Bauchweh und deshalb gefürchtet. Doch viel kann getan werden um sicherzustellen, dass im Bauch alles rund läuft.

„Kolik“ ist in der medizinischen Fachsprache der Begriff für „Bauchschmerz“ und der Bauch – das Abdomen – der Bereich zwischen Brustkorb und Becken. In der vom Bauchfell (Peritoneum) ausgekleideten Abdominalhöhle liegen zahlreiche Organe, wobei vor allem der Magendarmtrakt, die Harn- und Geschlechtsorgane sowie das Peritoneum selbst zum Ausgangspunkt von Kolikschmerzen werden können. In Frage kommen ganz unterschiedliche Auslöser, etwa eine Gebärmutterdrehung während der Trächtigkeit, Tumore oder eine Peritonitis. Am häufigsten aber ist die Ursache im Bereich des Magendarmtrakts zu finden und genau hier setzt deshalb auch die Kolikprophylaxe an.
Koliken werden nach ihrem Sitz (z. B. Darmkolik, Nierenkolik) und ihrer Art (z. B. Gaskolik, Verstopfungskolik) benannt. Nicht immer ist die Ursache zweifelsfrei festzustellen, häufig aber sind Koliken Folgen von Fütterungsfehlern, oft gepaart mit Mängeln im Management, insbesondere hinsichtlich Bewegung und medizinischen Vorsorgemaßnahmen (Entwurmung, Gebissversorgung).

Warum ausgerechnet Pferde?

Bauchschmerzen treten natürlich ebenso beim Menschen und auch bei seinen Haustieren und Nutztieren auf, doch sind Koliken beim Pferd ein besonders häufig zu beobachtendes Symptom. Auch kommt es nicht selten zu sehr dramatischen Verläufen, die eine intensive tiermedizinische Behandlung notwendig machen oder sogar ein operatives Eingreifen erfordern. Dafür gibt es zwei wichtige Gründe:
Der Magendarmtrakt des Pferdes wird von einem eigenen Teil des Nervensystems gesteuert, dem Enterischen Nervensystem. Dieser Bereich des vegetativen Nervensystems regelt selbständig Funktionen wie etwa Darmbewegung oder Durchblutung. Dabei unterliegt es allerdings weiteren Unterstrukturen des vegetativen Nervensystems, dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Durch diese Vernetzung wird der Magendarmtrakt mit dem Gesamtorganismus harmonisiert. Allerdings führt diese Verknüpfung auch dazu, dass Störfaktoren über Sympathikus und Parasympathikus auch den Magendarmtrakt erreichen und dessen Funktionen negativ beeinflussen können. So kommt es, dass Pferde auf Einflüsse wie abrupte Wetterumschwünge oder Stress mit Koliken reagieren, obwohl diese Auslöser scheinbar nichts mit dem Magendarmtrakt zu tun haben. Es trägt zur Kolikprophylaxe bei, wenn der Besitzer speziell bei Wetter-umschwüngen auf ausreichend Bewegung achtet und vielleicht vorbeugend ein Mash füttert, um etwaigen Problemen vorzubeugen. Auch sind eine insgesamt stressfreie Haltung und ein von Ruhe und Harmonie getragener Umgang bei Training, Showstart und Pflege eine wichtige Vorsorgemaßnahme – wobei das Stressempfinden sehr individuell ist und der Pferdehalter sich auf jedes Pferd einstellen muss.
Der Pferdedarm ist nicht auf der gesamten Länge fest und unveränderlich im Abdomen fixiert, sondern nur an wenigen Fixpunkten aufgehängt. Er ist deshalb relativ beweglich und bewegt sich natürlich auch selbst, um den Darminhalt voran zu treiben. Dabei kann einiges schieflaufen: So können sich Darmabschnitte in Engstellen verkeilen, über andere Strukturen stülpen, einmal um sich selbst drehen. Geschieht dies, stockt die Blutversorgung des Darms im abgeschnittenen Gebiet, der Darm nimmt Schaden und stirbt im schlimmsten Fall ab. Es herrscht akute Lebensgefahr, da die Darmwand zunehmend von Stoffen aus dem Inneren des Darms durchwandert werden kann oder sogar reißt. Ähnliche Probleme sind zu erwarten, wenn das Darminnere etwa von einem Futterpfropf verschlossen wird.
Bei einer Kolik ist nie ganz auszuschließen, dass ein solch gravierendes, lebens-bedrohliches Problem vorliegt oder sich entwickelt, etwa weil mit viel Gas gefüllte Darmabschnitte nach oben wandern, verstopfte sich senken und sich der Darm infolgedessen verlagert und „verwickelt“.
Für den Pferdehalter wichtig:
• Alle Koliken sind Notfälle!
• Je früher eine Kolik fachgerecht behandelt wird, desto besser stehen die Chancen, dass Ihr Pferd keinen dauerhaften Schaden nimmt!

Futter im Fokus

Die Kolikprophylaxe durch eine Optimierung der Fütterung ist aus mehreren Gründen besonders sinnvoll:
• Fütterungsfehler können zur direkten Ursache einer Kolik werden, aber auch
• die Darmfunktionen so schwächen, dass andere Auslöser mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Kolik verursachen und sie
• sind vom Pferdehalter mit geringem Aufwand selbst zu beheben.

Wir fragen also: Was hält den Darm gesund, sodass Koliken keine Chance haben? Und welche Fehler müssen vermieden werden, die auch bei einem ansonsten gesunden Darm eine Kolik hervorrufen können?
Faktor Raufutter: Pferde brauchen für eine physiologische Darmfunktion eine ausreichend große Menge an Raufutter, das über den ganzen Tag verteilt in kleinen Portionen aufgenommen werden sollte. Ist dies gewährleistet, kann auch der Magen gut arbeiten und ist weitgehend vor Magenschleimhautentzündungen und -geschwüren geschützt – auch häufige Anlässe für Koliken. Ausreichend Raufutter sorgt für eine gut arbeitende Darmperistaltik, der Darminhalt wird kontinuierlich Richtung „Ausgang“ vorangetrieben. Im Zusammenhang mit der Raufutterzuteilung spielen demnach zu geringe oder zu seltene Raufuttergaben eine wichtige Rolle bei der Kolikprophylaxe.
Es kommt aber auch auf die Art des Raufutters an: Zu große Mengen an Stroh, extrem hartstängeliges ebenso wie allzu feines Heu („Kälberheu“, zweiter und dritter Schnitt) können auch von Pferden mit gutem Gebiss nicht so gekaut und eingespeichelt werden, dass ein normaler Transport durch den Darm gewährleistet ist. Es kommt dann zu einem „Raufutterstau“ insbesondere an Stellen, wo der Darmquerschnitt sich verringert – eine Verstopfungskolik droht.
Faktor Futterverschmutzung: Nicht selten nehmen Pferde, oft unbemerkt vom Halter, größere Mengen an Erde und Sand auf. Das kann geschehen, wenn sie aufgrund einer Unterversorgung mit Vitaminen oder Mineralstoffen von sich aus gezielt Grund fressen oder daran lecken, häufiger aber kommt es zur unbewussten Aufnahme von Erde im Zusammenhang mit der Fütterungspraxis.
Gefährdet sind Pferde, die auf überweideten Flächen gehalten werden, da sich hier beim Grasen oft die Pflanzenwurzeln lösen und mit verspeist werden. Auch die Heufütterung direkt vom (sandigen) Boden, etwa im Auslauf, kann zur Aufnahme von Fremdstoffen führen. Sand und Erde sammeln sich, der Schwerkraft folgend, in bestimmten Darmabschnitten an, stören durch ihr Gewicht die Eigenbewegung des Darms, reizen ihn und können ihn sogar komplett verlegen.
Faktor Futterqualität: Pferde reagieren, anders als beispielsweise Rinder, ausgesprochen empfindlich auf Mängel in der Futterqualität. Schimmeliges (Heu, Heulage), von Futterschädlingen (Kraftfutter) befallenes und verdorbenes (gärende Zuckerrübenschnitzel) Futter bringt die Verdauung durcheinander und führt zu Koliken.
Faktor Kraftfutter: Der Magendarmtrakt und seine Funktionen sind grundsätzlich nicht in der Lage, große Kraftfuttermengen überhaupt zu verdauen. Das Pferd als Steppenbewohner nahm lediglich zeitlich begrenzt geringe Mengen an „Kraftfutter“ auf, wenn seine Nahrungsgrundlage reife Fruchtstände etwa der Gräser enthielt. Auf eine massive Zufuhr hochkalorischer Futtermittel ist der Magendarmtrakt nicht vorbereitet und er ist auch nicht in der Lage, sich darauf einzustellen – das sehen seine Funktionen nicht vor. Zu hohe Gesamtmengen an Kraftfutter ebenso wie zu große Einzelportionen und ungünstige Verhältnisse Kraftfutterration/Raufutterration führen zu Verwerfungen im normalen Ablauf und begünstigen Koliken.
Faktor Futtermittel: Bestimmte Futtermittel können Koliken hervorrufen, etwa durch eine überdurchschnittliche Gasbildung im Darm. Dazu gehören die Klassiker wie etwa Rasenmähergras, erhitzter Grünschnitt oder erntefrisches Heu, aber auch grundsätzlich ungeeignete Futtermittel oder in größeren Mengen schlecht verdauliche Futtermittel wie frisches Brot oder Birnen.
Faktor Umstellung: Wichtige Abläufe im Verdauungsprozess finden im Dickdarm statt und werden dort von Milliarden Verdauungsbakterien geleistet. Sie sind in Menge und Zusammensetzung an die aktuelle Fütterungssituation an-gepasst. Jede Änderung in der Fütterung stört dieses Gleichgewicht und setzt eine Reaktion in Gang, mit der sich die Bakterienpopulation auf die neuen Verhältnisse einstellt. Abrupte Änderungen der Futtergrundlage aber führen zu einem massiven Absterben der Darmbakterien und einer gravierenden Störung der Verdauungsabläufe bis hin zur Kolik. Jede Fütterungsänderung, nicht nur der Wechsel von Heu zu Weide oder vom Weidegang zu Winterfütterung, muss deshalb allmählich und behutsam über Zeiträume von zwei bis drei Wochen vorgenommen werden, damit die Bakterienbesiedelung sich an die neue Lage anpasst.
Faktor Wasser: Wassermangel führt über eine Verstopfung ebenfalls auf direktem Weg in die Kolik. Zu bedenken sind nicht nur Defizite in der Wasserversorgung (defekte Tränken, zu wenige Tränken, „Mobbing“ rangniedriger Pferde), sondern auch Zustände, die ein Wasserdefizit im Pferd hervorrufen. Insbesondere bei größeren Leistungen in der Sommerhitze kann es zur Austrocknung und nachfolgenden Eindickung von Darminhalt kommen.

Bewegung als Kolikprophylaxe

Bei jeder Bewegung des Pferdes wird der Darm im Abdomen sanft durchgeschaukelt. Diese konstante passive Bewegung unterstützt die Eigenbewegung des Darms, die Peristaltik, und fördert zudem die Blutzirkulation. Die Darmfunktion wird optimal nicht bei hoher Intensität und kurzer Dauer, sondern bei niedriger Intensität und langer Dauer der Bewegung unterstützt. Deshalb spielt vor allem die Haltung und erst in zweiter Linie das Training eine Rolle: Optimal ist eine Haltung, die viel Bewegung ermöglicht und fördert. Es kommt also nicht alleine etwa auf das Platzangebot an, vielmehr muss der Pferdehalter auch für Bewegungsanreize sorgen, vor allem durch die Vergesellschaftung mit Artgenossen.
Meist lässt sich feststellen, dass verschiedene Maßnahmen im Paket die Kolikgefahr entscheidend verringern: artgerechte Haltung in Gesellschaft, raufutterlastige Fütterung 24/7, sparsame Zuteilung von Kraftfutter in mehreren kleinen Einzelportionen, stressfreies Training und eine eventuelle Umstellung von Stroheinstreu auf eine alternative Streu, die nicht gefressen wird.

Nicht vergessen: medizinische Grundversorgung

Darmparasiten sind eine häufige Ursache von Koliken. Nimmt die Wurmbürde überhand, fangen die Parasiten dem Pferd nicht nur wichtige Nährstoffe weg, sondern stören auch die Darmfunktion. Im Einzelfall kann durch massenhaft ineinander verknäulte Würmer sogar das Darmlumen verlegt werden! Es droht aber auch Gefahr aus ganz anderer Richtung: Wird ein stark verwurmtes Pferd mit einem Wurmmittel behandelt, kann es mit einer Kolik reagieren – nicht auf das Medikament selbst, wie oft angenommen wird, sondern durch das massenhafte Absterben der Würmer im Darm und das plötzliche und gleichzeitige „Erwachen“ anderer Wurmstadien im Organismus, die sich nun alle zeitgleich auf den Weg in den Darm machen und dabei die Darmwand durchbohren. Ein vernünftiges, individuelles und vor allem nachhaltiges Entwurmungsprogramm ist deshalb Pflicht, um die Wurmbürde auf ein verträgliches Maß zu beschränken.
Auch die regelmäßige Zahnkontrolle und -korrektur trägt effektiv zur Kolikprophylaxe bei. Probleme mit dem Gebiss – ob mechanischer Art oder durch Schmerzen – führen zu Problemen mit dem Kauen und dies wiederum hat zur Folge, dass Futter nicht ausreichend zerkleinert und eingespeichelt wird – der Verdauungsprozess ist schon zu Beginn gestört und kann nicht regelgerecht ablaufen. Einmal jährlich, bei älteren Pferden oder bestehenden Gebissproblemen auch zweimal im Jahr und natürlich sofort, wenn dem Besitzer ein Problem auffällt, wird das Gebiss kontrolliert und sachkundig korrigiert.
Sachkundige Fütterung, pferdegerechte Haltung, ein von Ruhe getragener Umgang und sorgsames Management tragen gemeinsam dazu bei, dass es bei unseren Westernpferden im Bauch rund läuft und Koliken keine Chance haben!

Text und Foto: Angelika Schmelzer