Infekte im Stall

Prävention durch Haltungsoptimierung

Winterzeit ist Hustenzeit. Kaum ein Stall, in dem man nicht Pferde husten hört. Warum Pferde im Winter oft infektanfälliger sind und wie man mit Haltungsverbesserungen diesen sogenannten Winterhusten vermeiden kann, erklärt Fachautorin Birgit van Damsen.

„Zwar kommt es im Winter bundesweit zur Häufung von hustenkranken Pferden, die Fallzahlen unterliegen aber jährlichen Schwankungen, die klimatisch bedingt sind“, sagt Dr. Ulrich Mengeler, der in Hamminkeln eine Praxis für Pferde betreibt und Atemwegserkrankungen zu seinen Schwerpunkten zählt. Fällt beispielsweise die Heuernte ins Wasser, sind durch die daraus resultierende schlechte Heuqualität mehr Hustenfälle im Folgewinter zu erwarten. Das ist aber nicht zwangsläufig so. Werden die Ställe etwa aufgrund einer milden Winterwitterung besser belüftet, kann es sein, dass erst zu Frühlingsbeginn die Fallzahlen steigen. Ursache ist dann die lange Lagerzeit des Raufutters. „Je älter das Heu, desto mehr Schimmelpilzsporen, Futtermilben und Mikroben enthält es“, begründet der Veterinär.
Die Ursachen für den typischen „Winterhusten“ sind also nicht etwa die niedrigen Temperaturen oder Zugluft mit vermeintlicher Erkältungsgefahr, sondern die oft belastenden Haltungs-bedingungen durch Stäube, Schadgase und hohe Luftfeuchtigkeit.

Schlechte Luft schwächt das Immunsystem

Die Luftqualität wird vor allem durch organischen Stallstaub beeinträchtigt. Insbesondere Feinstaub mit seiner geringen Partikelgröße dringt beim Atmen tief in die Lunge bis in die feinsten Endverzweigungen der Bronchien ein. Organische Feinstäube stammen überwiegend aus Raufutter minderer Qualität mit einer hohen Anzahl von Mikroorganismen wie Staubmilben und Schimmelpilzsporen, die zudem ein hohes Allergie-potenzial haben und auf Dauer zu chronischem Husten führen können.
Ein weiterer Belastungsfaktor ist die relative Luftfeuchtigkeit, die in dichtbesetzten und wenig belüfteten Winterställen meist deutlich über den empfohlenen 60 bis 80 Prozent liegt. Hohe Luftfeuchtigkeit führt wiederum zu einem erhöhten Luftkeimgehalt, weil Bakterien und Pilzsporen ideale Vermehrungsbedingungen vorfinden. Diese haften sich dann an anorganische Feinstäube. So können bei einer relativen Luftfeuchte von 90 Prozent zehnmal mehr Kleinpartikel in die unteren Atemwege gelangen als bei einer Luftfeuchte von 65 Prozent. Bei saugarmer Einstreu und mangelnder Stallhygiene ist außerdem die Schadgasbelastung in der Stalluft hoch. Das bekannteste Schadgas ist Ammoniak, das für den typischen Pferdestallduft verantwortlich ist, aber bereits in geringen Konzentrationen zu Schleimhautreizungen der Atemwege führt. Hinzu kommt, dass die Pferde im Winter in der Regel weniger bewegt werden. „Das schränkt die Selbstreinigungsfunktion der Lunge ein“, erklärt Dr. Mengeler. „Die hochspezialisierte Pferdelunge muss regelmäßig gefordert und trainiert werden. Nur durch Bewegung an der frischen Luft vor allem im forcierten Tempo wird das Gewebe bis in Lungenspitzen beatmet und werden die Selbstreinigungsprozesse gefördert“.
Alle belastenden Umstände schwächen die Abwehrkräfte des Pferdes nachhaltig, vor allem wenn mehrere Faktoren zusammenkommen und über einen längeren Zeitraum bestehen. Immunologisch vorgeschwächte Pferde sind empfänglicher für
andere Erreger wie Viren, die dann aber nur „Trittbrettfahrer“ der Haltungsmängel sind, den eigentlichen „Wegbereitern“ für eine Virusinfektion der Atemwege, macht Mengeler klar. „Das müssen nicht immer Influenza- oder Herpeserreger sein. Es gibt eine Vielzahl von Viren harmloser Art, die sich gerade im Winterstall mit hoher Besatzdichte schneller verbreiten können“. Entzündete Schleimhäute sind wiederum empfindlicher gegenüber Reizstoffen wie Feinstäube und können bei entsprechend genetischer Disposition durch eine Fehlprägung der gebildeten Abwehrzellen zu einer unspezifischen oder allergenspezifischen Überempfindlichkeit führen und so dazu beitragen, dass aus einem akuten Husten ein chronischer wird. „Die verschiedenen Hustenformen und ihre Ursachen sind nicht isoliert zu betrachten, sondern haben eine Wechselwirkung“, betont der Tierarzt. „Husten ist eine Faktorenkrankheit, bei der sich die einzelnen Ursachen gegenseitig bedingen und beeinflussen“.

Eine Frage der Haltung

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass durch eine Optimierung der Haltungsbedingungen das Immunsystem gestärkt und Atemwegsinfekte im Idealfall ausbleiben. Pferdebesitzer können also durch haltungsverbessernde Maßnahmen effektive Vorbeugung betreiben. Denn, so der Tierarzt: „Die Unterbringung in einer Paddockbox, besser noch in einem Offenstall und viel Bewegung an der
frischen Luft auch bei Minusgraden sind die beste Hustenprophylaxe“.
Die Haltungsbedingungen liegen – und darauf weisen auch Tierärzte oft nicht nachdrücklich genug hin – einzig in der Verantwortung des Pferdehalters, betont Mengeler: „Die meisten Pferdebesitzer sind heute sehr gut aufgeklärt, gehen aber häufig zu große Kompromisse ein und sehen nicht selten von einem dringend notwendigen Stallwechsel ab, weil die bisherige Anlage zum Beispiel bessere Trainingsmöglichkeiten bietet“, kritisiert Mengeler, der um die Unterbringungsmängel in vielen Pensionsställen weiß. Stallbetreiber sehen jedoch meist keine Veranlassung zu Veränderungen, solange sich nur wenige Einsteller beschweren. Die Meinung oder Ansprüche Einzelner werden häufig nicht ausreichend berücksichtigt, so die Erfahrung des Veterinärs. Sein Rat: „Betroffene Einsteller sollten sich abstimmen und gemeinschaftlich mit dem Stallbetreiber ins Gespräch gehen, um Einfluss auf verbesserte Haltungsbedingungen zu nehmen“.
Im Einzelnen stehen folgende Haltungsoptimierungen im Fokus:
• Luftverbessernde Umbaumaßnahmen in geschlossenen Ställen mit geringem Luftvolumen durchführen. Hierzu zählt zum Beispiel der Einbau von Windschutznetzen oder Windschutzblechen in die Stallwände sowie Lüftungsschlitze in den Boxenwänden. Der Einbau von Ventilatoren kann bei einer Traufen-First-Lüftung für zusätzliche Belüftung sorgen. Besser sind Wanddurchbrüche, um aus Innenboxen Paddockboxen oder wenigstens Außenboxen zu machen
• Eine erhöhte Staubbelastung besteht vor allem in älteren Ställen mit niedrigen Decken und Hallen mit angeschlossener Bauweise. Eine Langzeitstudie vom Institut für Tierhygiene der Tierärztlichen Hochschule Hannover bestätigt, dass die bauliche Konzeption einer Reitanlage ein wichtiger Faktor für die Staubbelastung ist: „Die Partikel-Konzentration war in jenen Anlagen am höchsten, in denen die Halle im gleichen Gebäude wie die Stallungen untergebracht waren, getrennt lediglich durch eine halb-hohe Wand“. In Stall und Halle ist deshalb für eine stetig gute Be- und Entlüftung zum Beispiel durch möglichst ständig geöffnete Fenster und Türen zu sorgen. Bei Neubauten sollte zudem auf große Lufträume durch hohe Deckenführung geachtet werden.
• Auf Qualität und trockene Lagerung des Raufutters idealerweise in einem Extragebäude achten. Bei Lagerung auf dem Heuboden über dem Stall muss die Zwischendecke absolut staubdicht sein, bei Bodenlagerung ist für eine ausreichende Belüftung etwa durch Paletten zu sorgen. Sichtbar verschimmeltes oder stark überlagertes Raufutter komplett entsorgen. Atemwegsbelastende Pilzsporen, die in geringer Anzahl auch in qualitätsvollem Heu stecken, können durch Benässen oder Bedampfen gebunden werden. Feuchte Futterreste müssen wegen der Fäulnisgefahr täglich entfernt werden.
• Statt staubigem und saugarmem
Getreide-Langstroh saugstarke Alternativeinstreu wie Holzgranulat, Hanf-, Raps- oder Leinstroh verwenden. Beim Kauf auf eine mehrfache Entstaubung des Materials achten. Ob die Einstreu nicht nur staubarm, sondern wirklich staubfrei ist, lässt sich mit dem sogenannten „Stiefeltest“ überprüfen: Fährt man mit einem dunklen Stiefel durch das frisch eingestreute Material, darf kein Staubbelag sichtbar werden. Bei Außenlagerung ist außerdem eine wetterfeste Folienverpackung wichtig. Dringt nämlich Feuchtigkeit ein, ist die Einstreu nicht nur weniger saugfähig, sondern kann bei pflanzlichem Material auch zu Fäulnisprozessen führen.
• Pferde auch vor Staubeinwirkungen durch Arbeiten wie Fegen der Stallgasse oder Heuaufschütteln in den Ställen schützen, indem stauberzeugende Tätigkeiten in Abwesenheit der Pferde ausgeführt werden. Das immer öfter praktizierte „Fegen“ der Stallgasse mit einem Laubbläser sollte grundsätzlich unterbleiben, weil hierdurch besonders viel Staub aufgewirbelt und im gesamten Stall verteilt wird.
• Auch wenn es dem menschlichen Empfinden widerspricht, ist die Haltung im sogenannten Kaltstall gesünder für unsere Pferde. Die Lufttemperaturen im Stall sollten deshalb das ganze Jahr über – also auch im Winter – den Außenlufttemperaturen unter Vermeidung von Extremwerten folgen. Bei Vernachlässigung dieses Grundsatzes, also bei gleichmäßigen Stalllufttemperaturen, wird der Organismus des Pferdes nicht zum Training der thermoregulatorischen Mechanismen angeregt, das Pferd reagiert empfindlicher und wird anfälliger für Infekte.

Text: Birgit van Damsen, Foto: Birgit van Damsen