Gesund & leistungsfähig dank moderner Kompressionstherapie
Pferdebeine
Kompression als ein Bestandteil der sogenannten „komplexen physikalischen Entstauungstherapie“ bewirkt eine Steigerung des venösen und lymphatischen Rückflusses durch die Durchmesserverengung der Gefäße. Die Fließgeschwindigkeit des Blutes wird erhöht, Stoffwechselendprodukte besser abtransportiert und Muskeln regenerieren schneller.
Eine feine Sache also gerade bei Boxenhaltung, Sportpferden oder generell angelaufenen Beinen. Die Physiotherapeutin Franzi Bechberger-Gaber beschäftigt sich seit Jahren mit dem komplexen Thema Kompression und beschreibt die Grundzüge moderner lymphatischer Therapie am Pferdebein.
Leider ist es gar nicht so einfach, am Pferdebein eine adäquate Kompression umzusetzen. Der zu komprimierende Bereich (Röhre) besitzt anders als beim Menschen (Wade) nur noch sehnige Ausläufer, sprich fast kein Weichteil
gewebe, zeigt zudem Kuhlen und prominente Stellen auf und letztendlich ist der breiteste Teil der Huf. Aber wieso spielt das alles eine Rolle?
Ein kurzer Einblick in die Anatomie
„No foot, no horse!“ Ein oft verwendetes Zitat, welches die Sache auf den Punkt trifft. Warum konnte das Pferd evolutionstechnisch trotz stumpfer Zähne und fehlender Krallen überleben? Es ist besonders aufmerksam und kann trotz seines vergleichbar hohen Gewichtes bei einer Bedrohung schnell beschleunigen. Gewicht sparen, wo nur möglich, ohne an Funktion zu verlieren, dass ist die Prämisse beim Körperbau des Pferdes. Im Bereich der Röhre finden wir deshalb nur noch sehnige Ausläufer.
Nun zur Anatomie:
- Muskelbäuche, die sich unter Bewegung kontrahieren und wieder entspannen, helfen dem Abtransport von Stoffwechselendprodukten. Wie oben beschrieben, finden wir beim Pferd bereits früh die sehnigen Ausläufer,
- welche viel weniger kontraktionsfähig sind. Eine Sehne dient als Verbindungsstück zwischen dem elastischen Muskel und dem unelastischen Knochen.
- Die ersten Lymphgefäße finden wir beim Pferd bereits im Huf. Diese Erkenntnis ist wichtig für den Bereich, den wir komprimieren wollen. Wieso? Dazu später.
- Das Röhrbein ist im Querschnitt oval. Wenn wir also hier eine Bandage anlegen oder ein komprimierendes Material, so haben wir vorne und hinten ein Vielfaches an Druck. Genau da, wo das Pferd nur Fell und empfindliche Knochenhaut aufweist. Die Knochenhaut ist besonders sensibel, der Schmerz des angehauenen Schienbeins wird kaum jemand erspart geblieben sein. Um einen gleichmäßigen Druck ausüben zu können, müssen wir also das Gesetz nach La Place berücksichtigen und die Röhre „rund machen“.
Das Laplace-Gesetz
Ein Prinzip aus der Mathematik findet ebenfalls in der Kompressionstherapie seine Anwendung, das sogenannte „Laplace-Gesetz“. Vereinfacht drückt das Laplace-Gesetz aus, dass nur ein dimensionaler Körper komprimiert werden kann und keine Fläche und dass, je ebenmäßig dimensionaler der Körper ist, desto kontinuierlicher die Kompression erfolgt.
Was bedeutet dies für die Kompression am Pferdebein?
- Muskelgewebe vs. Sehne: Der Mensch trägt Kompressionsstrümpfe prophylaktisch, beim Sport, auf langen Reisen oder wenn eine Gefäßschwäche bekannt ist. Welchen Bereich komprimieren wir? In der Regel Fuß und Wade. Die Wade ist muskulös.
Welchen Bereich komprimieren wir beim Pferd? Wenn alles gut läuft: Kronrand und Röhre. Also viel weniger Muskelgewebe, weswegen sehr schnell ein zu hoher Druck aufgebracht wird.
- Lymphgefäße: Hier gilt, wer den Kronrand nicht mitberücksichtigt, macht es den abfließenden Stoffwechselprodukten (Venen- & Lymphsystem) doppelt schwer, denn so müssen diese auf dem Weg Richtung Herz eine zusätzliche Barriere überwinden. Die Kompression muss am körperfernsten Punkt, in diesem Fall dem Kronrand, am höchsten sein.
- Die Form der Röhre: Um einen gleichmäßigen Druck ausüben zu können, müssen wir also das Gesetz nach Laplace berücksichtigen und die (ovale) Röhre „rund machen“.
Was bedeutet das für uns und vor allem für das Bandagieren?
Eine normale Bandage mit Unterlage bringt nachweislich einen viel zu hohen Druck auf das Gefäßsystem. Nicht nur die abfließenden Gefäße werden zu stark komprimiert, sondern auch die hinführenden, sprich die Arterien. Wenn wir uns überlegen, wann wir Pferde mit Bandagen sehen, nämlich in maximaler Belastung – sprich Training oder Wettkampf oder bei angelaufenen Beinen – wird schnell klar, dass festes Bandagieren kontraproduktiv ist, weil das Pferd in beiden Szenarien auf die bestmögliche Versorgungssituation angewiesen ist.
Zudem wird durch dauerhaft zu festes Bandagieren das Periost (die Knochenhaut) gereizt bis hin zum Zelltod – jeder kennt die weißen Stichelhaare.
Dass zu alledem die peripheren Lymph-gefäße unterhalb der Fessel ignoriert werden, ist aufgrund der schwierigen Umsetzung in der Praxis nachvollziehbar, deshalb aber immer noch falsch.
Gut gemeint ist nicht gut gemacht – wieso hält sich der Mythos „Bandage“ in der Reiterwelt und auch der Tiermedizin?
Man eifert dem nach, an was das Auge gewöhnt ist. Auf der Show sehen wir unsere Profis mit Bandagen, der Tierarzt empfiehlt es, in jedem Katalog sind Bandagen in unterschiedlichen Ausführungen zu haben und schließlich sind die Beine nach dem Bandagieren ja auch schön dünn.
Dünner ja, aber was passiert tatsächlich? Ein so hoher Druck wie ihn die Bandage auslöst führt dazu, dass Flüssigkeit weggepresst wird, da alles andere (Knochen und Sehnen) nicht oder nur wenig auf den Druck reagieren kann. Wassermoleküle werden weggedrückt, diese dienen aber den anderen Stoffwechselprodukten als Transportfahrzeug. Wenn das Wasser als Molekül fehlt, können Eisen, Magnesium und Co. nicht mehr abtransportiert werden, bleiben also im Gewebe liegen. Das Zellmilieu verändert sich und begünstigt Erkrankungen wie Arthrose.
Moderne Kompressions-Strümpfe – auch für Pferde
Mehrere Produkte, die den Effekt der unterstützenden Kompression versprechen, sind auf dem Markt erhältlich.
Unter anderem ein Kompressionssystem, welches oben aufgeführte Punkte – zum Beispiel die Einbeziehung des Kronrandes – berücksichtigt und große Erfolge im Bereich der Vorsorge, aber auch bei Gallen, Sehnenschäden oder Vernarbungen aufweist. Eine enge Betreuung durch ausgewählte Experten im Bereich der Lymphologie gehört beim Anbieter zum Service dazu.
Text: Franzi Bechberger-Gaber, Foto: NoLeaf