Milow & Ranger
Der Ammen-Wallach & das Waisenfohlen
Wir alle wissen: American Quarter Horses sind außergewöhnliche Pferde, die außergewöhnliche Geschichten schreiben. So auch die von Milow und Ranger, zweier AQH-Jungs, die auf ganz ungewöhnliche Weise miteinander verbunden sind.
Eigentlich war die Freude groß bei Familie Eppler auf der Dinky Hill Ranch, als ihre Senior-Stute Smart Quixote Chic, eine direkte Smart Chic Olena-Tochter, am 11. Juni ein gesundes Hengstfohlen zur Welt brachte. Die 24-jährige Stute war von der nicht ganz leichten Geburt etwas geschwächt, hatte sie jedoch recht gut verkraftet und schien zu Kräften zu kommen. Was dennoch vier Tage später passierte, wünscht man keinem Züchter: Chic verstarb unerwartet. Nicht nur ein schwerer Schlag für Sandra und Reto Eppler, die ihre geliebte Stute verloren haben, sondern vor allem auch für den kleinen Hengst, der nun ohne Mutter war.
Ein so junges Fohlen mutterlos großziehen zu müssen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe und für das Waisenfohlen musste nun – neben all der Trauer um die verlorene Stute – schnellstens eine Amme gefunden werden. Aber auch dieses Vorhaben schien vom Pech verfolgt, denn die Ammenstute und der kleine AQH-Hengst passten einfach nicht zusammen. In der Folge ging es für das Fohlen und seine Besitzer erst einmal in die Pferdeklinik der Universität Gießen, um abzuklären, wie die Chancen des Pferdekindes denn überhaupt standen. Nach eingehenden Untersuchungen und einer vorbeugenden Plasmagabe durfte DHR Chics Legacy (name pending) wieder heimreisen. Die Prognose: unauffällig und den Umständen entsprechend stabil.
Ausnahmezustand auf der Dinky Hill Ranch
Alles andere als stabil war jedoch die Lage auf der Dinky Hill Ranch, denn Sandra und Reto standen nun vor der Herausforderung, ein mutterloses Flaschenfohlen groß zu ziehen. Wie schwierig das ist, kann jeder nachvollziehen, der weiß, wie eng die Bindung zwischen Stute und Fohlen in den ersten Tagen und Wochen normalerweise ist. Zudem ist die Prägung durch das erwachsene, erfahrene Pferd für die gesunde Entwicklung eines Fohlens immens wichtig. Und der kleine Braune war – so liebevoll er auch von seinen Menschen betreut wurde – allein.
Aber ein paar Tage später gab es für Ranger, wie das Fohlen mittlerweile genannt wurde, einen Hoffnungsschimmer in Gestalt des Wallachs Milow (Whizperin Dun It), der augenscheinlich großes Gefallen an Ranger fand und ihn liebevoll unter seine Fittiche nahm. Sandra Eppler beschreibt den Siebenjährigen, den sie behutsam ausbildet, als eher schwieriges „Ein-Frau-Pferd“.
„Wir wagten es noch kaum charakterlich zu glauben, aber wir durften mit den beiden wunderschöne Momente erleben“, so Sandra heute. „Wir waren uns damals auch durchaus bewusst, dass es in ein paar Stunden, Tagen oder Wochen wieder ganz anders aussehen könnte, aber für den Moment waren wir einfach nur froh über diese positive Entwicklung für den kleinen Ranger.“
Stetes Auf und Ab
Die ersten zwei Wochen waren für das Waisenfohlen und seine zweibeinigen Betreuer ein stetes Auf und Ab zwischen Hoffen und Bangen. Mal war es starker Durchfall, dann wieder hartnäckige Verstopfung, was dem Pferdekind das Leben schwer machte und seinen Besitzern Sorgen bereitete. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich alles einpendelte, einschließlich der Flaschenfütterung alle zwei Stunden Tag und Nacht (neun Liter pro Tag!) und Check-up durch den Tierarzt alle zwei Tage. „Neben der Erschöpfung war die Angst unser täglicher Begleiter“ gibt Sandra unverblümt zu.
Milow, der Fels in der Brandung
Was die „Ersatz-Mutter“ anging, konnten Epplers dagegen recht schnell aufatmen, denn der Wallach hatte Ranger quasi vom Fleck weg adoptiert und entwickelte sich in kürzester Zeit zur Über-Mama. „Er hütete Ranger auf Schritt und Tritt. In der Box klappte das Zusammenleben nahezu auf Anhieb“, schildert Sandra, die die zwei Pferde Schritt für Schritt zusammenführte. „Auf der Koppel erwies sich Milow dann als absolute Über-Mama, da mussten wir schon helfend eingreifen, damit Milow seine anfängliche Unsicherheit überwinden konnte, wenn der kleine Ranger sich mal verselbständigte. Um ein bisschen Stress bei beiden Pferden rauszunehmen, mussten wir ihn zeitweise sogar an den Strick nehmen“, lacht Sandra heute über Milows übertriebene Fürsorge in der ersten Zeit.
5 Wochen und 35 kg Milchpulver später
Nach fünf Wochen stand endlich sicher fest: der kleine Ranger ist dank des unermüdlichen Einsatzes seiner Züchter, die sage und schreibe bis dahin nahezu 350 Flaschen Fohlenmilch an ihr Waisenfohlen verfüttert hatten, über dem Berg. Eine lange Zeit.
Und der hübsche Nachwuchshengst von der Dinky Hill Ranch entwickelt sich weiter so stabil wie es sich für ein waschechtes American Quarter Horse gehört. Mittlerweile frisst er bereits eifrig Heu und Gras und ein hochwertiges Fohlenfutter zusätzlich zu seinen Milchportionen, die mittlerweile je 1,5 bis 2 Liter umfassen, aber nur noch alle drei bis vier Stunden verabreicht werden. Immer an seiner Seite – und daran wird sich wohl bis zum Absetzen nichts ändern: „Ammen-Wallach“ Milow, der dem Nachwuchshengst das Pferde-Einmaleins beibringt und für Schutz und Sicherheit wie eine leibliche Mutter sorgt.
Sandra Eppler atmet mittlerweile auf und gibt zu, dass während der ersten Wochen mit Ranger das normale Leben völlig brach lag: „Wir hatten unglaubliches Glück und mit unserem eigenen Betrieb auch die Möglichkeit, das Abenteuer Waisenfohlen zu wagen“, gibt sie zu bedenken. „Auch die mentale und fachkundige Unterstützung durch unseren Tierarzt, der selbst seit Jahrzehnten Pferde züchtet, war uns eine große Hilfe.“
Text: Friederike Fritz, Foto: Familie Eppler