Die Blutegeltherapie
Endlich schmerzfrei
Nein, sie sind nicht hübsch. Ja, sie sind blutrünstig. Mancher findet sie eklig, ihr Name und ihr Aussehen machen sie nicht sehr sympathisch. Dabei handelt es sich um wirklich tolle Helfer: Medizinische Blutegel oder Hirudo medicinalis. Wie sie als Waffe gegen diverse Erkrankungen beim Pferd eingesetzt werden können, erläutert Claudia Wichtmann.
Mit ihrem Biss und Saugvorgang helfen Blutegel effektiv den Pferden, zum Beispiel bei Arthrose, Kiefergelenksentzündung, Hufrollenentzündung, Gallen, Bänder- und Sehnenerkrankungen, Narben, Mauke, Wundheilungsstörung, Abszessen und vielem mehr.
Respekt vor den Egeln!
Wer sich die Blutegeltherapie genauer anschaut oder ihre Wirkung schon erlebt hat, empfindet die Egel vielleicht sogar als Wundertiere. Eine Blutegeltherapie ist wie ein kleiner Aderlass. Der Egel beißt zu, saugt sich fest und lässt, wenn er sich am Blut seines Wirtes satt getrunken hat, wieder los. Während dieser Vorgänge stößt er in seinem Speichel unterschiedliche Sekrete aus, die entzündungshemmend, schmerzstillend, blutgerinnungshemmend und entgiftend wirken. Anschließend blutet die Wunde bis zu 12 Stunden nach. Acht Sekrete des Blutegels sind erforscht, man geht aber davon aus, dass es insgesamt zwischen 30 und 100 Stoffe sind.
Die Blutegeltherapie
Vor der Behandlung mit Blutegeln sollte das Pferd keine Schmerzmittel erhalten, weder oral noch äußerlich. Die betroffenen Stellen sollten auch nicht mit Salben, Gel oder ähnlichem eingeschmiert werden. Blutegel sind sehr empfindlich und können das Beißen verweigern, wenn fremde Substanzen im Spiel sind.
Die Anzahl der Egel für eine Therapie richtet sich nach dem Befund des Pferdes und der Stelle, wo das gesundheitliche Problem liegt. Meistens werden bei einer Behandlung drei bis sechs Egel verwendet. Der Biss des Egels ist nicht sehr schmerzhaft, vergleichbar mit der Berührung von Brennnesseln. Manche Pferde reagieren dennoch empfindlich, andere stören sich gar nicht daran. Es ist immer ratsam, während der Behandlung einen Heusack für das Pferd aufzuhängen, denn Fressen beruhigt und lenkt ab.
Wer es den Blutegeln leichter machen möchte, geht vor der Behandlung mit seinem Pferd spazieren (wenn es der Gesundheitszustand zulässt) oder bürstet die betroffene Stelle gründlich. Das fördert die Durchblutung und die Egel beißen schneller zu.
Die Therapie dauert etwa 30 Minuten bis zwei Stunden. Der Saugnapf des Egel-Kopfes sitzt während des Saugvorganges sehr fest. Wenn die Blutegel satt sind, lösen sie sich ab und lassen sich fallen. Ein gewaltsames Absetzen der Blutegel sollte dringend vermieden werden. Sie geraten dabei unter Stress, können erbrechen und es gelangen Bakterien aus dem Magen der Egel in die Wunde, was zu Infektionen führt. Außerdem würde die natürliche Reinigung der Wunde durch die Speichelsekrete unterbrochen, die der Blutegel auch beim Loslassen absondert. Die Häufigkeit der Behandlungen hängt vom Befund und vom Verlauf der Heilung ab. Nicht in allen Fällen ist eine Blutegeltherapie sinnvoll, der Therapeut klärt darüber auf.
Nach der Behandlung
Nach der Blutegelbehandlung kann die Wunde noch bis zu zwölf Stunden nachbluten. Das Pferd verliert dann noch einmal so viel Blut wie bereits während des Saugvorgangs, insgesamt etwa 50 ml pro Biss. Die Nachblutung hält die Wunde sauber und es besteht nur eine sehr geringe Infektionsgefahr. Auch die Sekrete des Egels halten die Wunde keimfrei. Dennoch sollte das Pferd nach der Behandlung sauber stehen. Direkt nach Ende der Blutung schließt eine Kruste die Wunde. Sie muss also nicht mit einem Verband verschlossen werden. Ein Verband kann sogar das Nachbluten behindern. Die Krusten dürfen wegen der Infektionsgefahr nicht entfernt werden.
Die Entsorgung der Egel
Wenn die Blutegel ihren Dienst getan haben, werden sie getötet, damit bei einem möglichen neuen Biss keine Keime vom vorherigen Wirtstier an einen nächsten Wirt weitergegeben werden. Am egelfreundlichsten ist es, die Tiere einzufrieren und dann zu entsorgen. Blutegel fallen bei Kälte in eine Stoffwechselruhe und schlafen ein, bevor sie erfrieren. Die Entsorgung erledigt der Therapeut, dies ist nicht Aufgabe des Pferdebesitzers.
Woran erkenne ich einen guten Blutegeltherapeuten?
Ein guter Blutegeltherapeut informiert vor der Behandlung über mögliche Nebenwirkungen, erklärt den Ablauf der Therapie, macht die Herkunft der Blutegel transparent und klärt über die Kosten auf. Durchschnittlich kosten Blutegel zwischen 10 und 12 Euro pro Tier. Dazu kommen noch Behandlungskosten für den Zeitaufwand des Therapeuten und Fahrtkosten.
Blutegel oder Blutekel?
Wer sich vor den kleinen Helfern ekelt und darum vor einer Behandlung mit Blutegeln zurückschreckt, dem hilft es vielleicht zu wissen, dass er keinerlei Berührungspunkte mit ihnen haben muss. Alles, was getan werden muss, erledigen die Egel selbst und der Therapeut. Und wer sich einmal von ihrer Wirkung überzeugen konnte, schafft es erfahrungsgemäß leicht, sich mit ihnen zumindest gedanklich anzufreunden.
Text: Claudia Wichtmann, pferdetherapie-wichtmann.de, Foto: Ines Lehnerer, equines – Ganzheitliche Pferdetherapie