Die Fohlengeburt

Ein ganz besonderer Moment

Ob alter Hase oder Neuzüchter, nun beginnt die aufregendste Zeit im Leben des Stutenbesitzers. Bald ist es soweit und die lang ersehnten American Quarter Horse Fohlen purzeln ins Stroh. Lange Monate des Wartens und der Fürsorge für die tragende Stute gehen zu Ende, und gerade auf den Neuzüchter kommt eine aufregende und spannende Zeit zu, die mit der Geburt beginnt.

Der erfahrene Züchter kann seine Stuten bzw. die individuellen Merkmale und Besonderheiten vor dem großen Ereignis recht gut lesen und die Geburtsbereitschaft erkennen: So senkt sich in der letzten Phase der Trächtigkeit der Bauch, die breiten Beckenbänder erschlaffen, was gerade bei Stuten, die schon mehrere Fohlen zur Welt gebracht haben, sehr deutlich sichtbar wird. Das bestätigt auch AQH-Züchterin Friederike Brallentin: „Ich beobachte und kenne meine Stuten sehr gut, die meisten „sagen“ mir, wann es losgeht. Aber natürlich haben wir auch ein Überwachungssystem mit Geburtsmelder-Gurten und zusätzlich Video-Kameras in allen Boxen“.
Das Euter wächst in den letzten Wochen stetig, wird prall, und bei vielen Stuten bildet sich in den Tagen unmittelbar vor der Geburt der Harztropfen. Die Milchdrüsen haben begonnen, die wertvolle Kolostralmilch zu produzieren. „Wir kontrollieren die nahende Geburt mittels pH-Test“, so die erfahrene AQH-Züchterin Ruth Kurvin. „Dafür benötigt man einen herkömmlichen Urintest aus der Apotheke mit dem Wertebereich 5,6 – 8. Damit bestimmt man den pH-Wert der Vormilch. Zur Messung reicht ein Tropfen aus. Man darf die Stute dabei nicht anmelken, damit keine Biestmilch verloren geht. Der pH-Wert fällt zur Geburt hin ab. Die meisten Stuten fohlen bei einem Wert zwischen 5,6 und 5,8 innerhalb von 24 bis 48 Stunden. Diese Art der Vorgeburtsüberwachung wenden wir mittlerweile seit 2012 an und haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Wenn es dann ernst wird, überwachen wir die werdende Mutter via Kamera über Laptop bzw. Handy.“
Keine Sorge: Ist der Harztropfen vor der Geburt nicht zu sehen heißt das nicht, dass die Stute keine oder zu wenig Milch haben wird. In diesen Fällen schießt die Milch erst mit dem Einsetzen der Geburt ein. Ein Vorteil: Es geht kein Tropfen des wertvollen Kolostrums verloren!
Bei vielen Stuten schwellen die Schamlippen an und im Liegen kann die Schamspalte leicht geöffnet sein. Manche Stuten werden vor der Niederkunft auffallend ruhig, fast in sich gekehrt, während andere unruhig und nervös werden. Alle Veränderungen – körperliche wie auch das Verhalten betreffende – sollte der Züchter aufmerksam beobachten. Dies sei besonders bei Maidenstuten, die das erste Mal gebären, essentiell, betont Friederike Brallentin: „Da ist eine enge Überwachung wichtig.“

Gut vorbereitet

Auch eine Fohlengeburt will gut vorbereitet sein (siehe QHJ 2/2021). Im Idealfall hat die Stute schon geraume Zeit vor dem Termin eine große Abfohlbox bezogen. Diese ist dick eingestreut und die Einstreu – bevorzugt gut isolierendes, weiches Stroh – ist zu den Wänden hin leicht aufgeschichtet. Allerdings möchte auch die werdende Mutter bis kurz vor der Geburt ausreichend Bewegung haben, also tagsüber viel Zeit im Freien verbringen. „Unsere Stuten kommen nachts in ihre sehr großen Boxen. Sie müssen also vor der Geburt nicht mehr umziehen“, so Friederike Brallentin, die jedes Jahr mehrere Fohlen zieht und ihren Stall darauf eingerichtet hat. „Trotzdem hatten wir auch schon Überraschungsgeburten auf der Wiese oder im Paddock“, berichtet sie.

Was ist sonst noch zu tun?

Unbedingt daran denken, den Salzleckstein zu entfernen! Häufig wird dies vergessen und schwere Durchfälle sind die Folge, wenn das wenige Tage alte Fohlen neugierig daran schleckt. Neben dem Notfallpaket mit Flasche, Sauger und Kolostralmilch in Pulverform sollten folgende Utensilien bereitstehen (am besten alles in eine Kiste oder einen eigens dafür bereitgestellten – sauberen – Putzkasten packen): Desinfektionslösung für den Nabelstumpf, Einmalklistier (falls es zu Darmpechverhalten kommt), Einmalhandschuhe, gut ausleuchtende Stirn- oder Taschenlampe, Handtücher, Schnüre zum eventuellen Hochbinden der Nachgeburt.

Überwachen ja, Stören nein

Da Stuten als Fluchttiere erst gebären, wenn sie sich sicher und ungestört fühlen, warten sie meist, bis im Stall absolute Ruhe herrscht. Deshalb kommen die meisten Fohlen spätabends oder nachts zur Welt. Dennoch möchte der Züchter bei Komplikationen helfend zur Seite stehen, die nahende Geburt entsprechend überwachen und den neuen Erdenbürger natürlich umgehend begutachten und willkommen heißen! Wer keine Möglichkeit hat, moderne Überwachungssysteme zu nutzen, sollte nachts regelmäßig nach der Stute schauen: Ein prüfender Blick über die Boxenwand reicht. Grelles Licht, Geräusche und allgemeine Unruhe sind zu vermeiden.
Eine Fohlengeburt ist im Normalfall keine Sache von mehreren Stunden und so mancher Züchter hat schon das Wesentliche verpasst, wenn das Fohlen zwischen zwei Kontrollgängen auf die Welt gekommen ist. Die Eröffnungsphase dauert zwischen 50 und 80 Minuten. Während dieser beginnt die Stute, unruhig zu werden. Sie kann schwitzen, scharren, sich niederlegen, wieder aufstehen. Nach dem Platzen der Fruchtblase, was meist nicht zu überhören ist, beginnt die Austreibungsphase, die weniger als 30 Minuten dauert. Die meisten Stuten liegen dabei flach auf der Seite und pressen stöhnend das Fohlen Stück für Stück zum Beckenausgang. Während dieser Zeit sollte man sich zurückhalten, die Stute in Ruhe ihren Job machen lassen und erst in die Box gehen, wenn das Fohlen bereits durch den Geburtskanal getreten ist. Eine kurze Kontrolle, ob die Eihaut über den Nüstern gerissen ist, damit das Fohlen ungehindert atmen kann, reicht als Unterstützung, wenn es sonst keine Probleme gibt. Das bestätigt auch Züchterin Ruth Kurvin, die ihre Stuten am Bildschirm unter Beobachtung hat: „Wir haben es uns zur Gewohnheit gemacht, die Stuten bis zu dem Moment, wenn sie anfängt zu pressen, aus der Distanz zu überwachen und dann vor Ort dabei zu sein und zu helfen. Auf diese Art bekommen wir mit, wenn es Probleme gibt und konnten bereits einige Mal bei schwierigen Geburten rechtzeitig eingreifen.“

Ruckzuck ist das Fohlen da

Fohlen kommen mit Vorderbeinen, Hals und Kopf zuerst auf die Welt. Wenn danach die Schulterpartie des Fohlen durch das Becken gepresst ist, rutscht der Rest des neugeborenen Pferdekindes wie von selbst nach.
In der Regel bleibt die Stute nach der Geburt noch eine Weile liegen, schließlich hat sie in kurzer Zeit Schwerstarbeit geleistet. Das Fohlen ist noch über die Nabelschnur (die nicht durchtrennt werden sollte) mit der Mutter verbunden. Wenn die Stute dann aufsteht, reißt die Nabelschnur – für eine Art Sollbruchstelle hat die Natur gesorgt. Der Mensch sollte in diesen ersten Minuten nicht stören, sich im Hintergrund halten und Stute und Fohlen die Möglichkeit geben, sich kennen zu lernen. Meist belecken die Mütter ihren Nachwuchs liebevoll und beantworten beruhigend blubbernd das erste Wiehern ihres Fohlens. Ein unvergesslicher Moment im Leben jedes Neuzüchters!

To Dos nach der Geburt

Nach dem Aufstehen kann der nun freistehende Nabelstumpf des Fohlens desinfiziert werden. Am einfachsten geht das, indem ein weithalsiges Glas zuvor mit Jodtinktur gefüllt und der herabhängende Nabelstumpf am stehenden Fohlen kurz eingetaucht wird. Die Eihäute hängen zwischen den Hinterbeinen der Stute und sollten, wenn die Gefahr besteht, dass die Stute darauf tritt, mit Schnüren am Schweif hochgebunden werden.
Die Plazenta löst sich in den Nachwehen und innerhalb der nächsten zwei Stunden geht die Nachgeburt im Normalfall komplett ab. Sie sollte in einem Behälter gesammelt und auf ihre Vollständigkeit überprüft werden. Bleiben Plazentareste in der Gebärmutter der Stute zurück, kann dies zu schweren Komplikationen führen.
Häufig unmittelbar nach der Geburt erkennbar ist der Saugreflex beim gesunden Fohlen. Es schürzt die Lippen und sucht nach etwas, woran es saugen kann. Die meisten Fohlen beginnen innerhalb kürzester Zeit mit den ersten Aufstehversuchen. Spätestens nach zweieinhalb Stunden sollte das Fohlen sicher stehen und seine erste Milch trinken, die Biest- oder Kolostralmilch.

Warum ist die Kolostral- oder Biestmilch so wichtig?

Da die Fohlen ohne eigene Antikörper geboren werden, werden sie mit der ersten Milch der Mutterstute, der Kolostral- oder Biestmilch, mit den ersten Antikörpern versorgt. Deshalb…

Jetzt den kompletten Artikel hier weiterlesen!

Text: Friederike Fritz, Foto: Foto: Christina Albrecht-Hoschka