Gesund durch den Winter!

Viele frische Vitamine

Vitamine gelten als Allheilmittel in Sachen Gesundheit und Abwehr. Aber ist das wirklich so? Und erhalten unsere Vierbeiner durch die tägliche „Standardfütterung“ oder über zusätzliches Saftfutter auch und gerade im Winter auch wirklich immer ausreichend Vitamine? Wie sichert der Pferdehalter gerade im Winter die bedarfsgerechte Versorgung seiner American Quarter Horses?

Ohne langes Überlegen würden wir wohl alle den Begriff „Vitamine“ mit der Eigenschaft „Frische“ assoziieren. Automatisch tauchen Bilder von saftigen Orangen, würziger Petersilie, leckerem Spinat, exotischen Kiwis oder schwarzen Johannisbeeren frisch vom Strauch auf. Vitamine sind in unserer Vorstellung eng mit pflanzlicher Kost, mit Obst, Gemüse und Salat verknüpft und insgesamt mit
positiven Assoziationen belegt. Manche Vorstellung aber gerade im Zusammenhang mit Vitaminen führt eher in die Irre, so
die Vermutung, man könne über eine Extraportion Vitamine besonders viel für die Gesundheit tun, vor allem die Abwehr stärken, Infektionen vorbeugen.

Alleskönner Vitamin?

„Vitamine“ suggeriert eine Einheitlichkeit unter den verschiedenen Vertretern, die eigentlich nicht existiert, denn die Schnittmenge aller Vitamine ist relativ gering. Nur drei Eigenschaften einen sie:
• Es sind organische Verbindungen (anders als etwa die anorganischen Mineralstoffe),
• sie werden im Organismus für bestimmte, lebenswichtige Funktionen benötigt und
• sie müssen dem Körper zugeführt werden, er kann sie nicht selbst synthetisieren.
Organische Verbindungen wie Vitamine werden, anders als anorganische Mineralstoffe, von lebenden Organismen hergestellt und unterliegen dem Verderb. Insofern trifft unsere spontane Assoziation mit „Frische“ ins Schwarze: Der Vitamingehalt ist in frischen, unverdorbenen Lebens- oder Futtermittel hoch und nimmt bei längerer Lagerung, teilweise auch infolge bestimmter Produktionsschritte (etwa Erhitzung) ab. Wer jetzt spontan an den Unterschied zwischen frischem Weidegras und Heu denkt, liegt richtig.

Pferde sind keine Trockennasenprimaten

Streng genommen besteht immer eine enge Beziehung zwischen einem bestimmten Stoff – etwa der Ascorbinsäure – und einem bestimmten Lebewesen – etwa dem Menschen, oder eben dem Pferd. Nur dann, wenn ein bestimmter Stoff von einer Spezies nicht selbst hergestellt werden kann, wird er als Vitamin bezeichnet – eine solche chemische Verbindung ist also ein Vitamin für eine Spezies und für eine andere vielleicht nicht.

Beispiel:

Ascorbinsäure ist das Vitamin C des Menschen und anderer Trockennasenprimaten, ihnen muss dieser Stoff über die Nahrung zugeführt werden. Derselbe Stoff wird vom Pferd dagegen selbst synthetisiert, das Pferd kennt also kein Vitamin C. Im alltäglichen Sprachgebrauch differenzieren wir aber eben nicht: Von A bis K – wir nennen alle 20 Elemente dieser Gruppe einfach „Vitamin“, und das kann in die Irre führen.
Im Leben unserer Pferde spielen insgesamt 14 Stoffe aus dieser Gruppe eine Rolle, doch die meisten können sie selbst herstellen. Vitamine im engeren Wortsinne sind für unsere Pferde die fettlöslichen Vitamine A, D, E und K, genauer Retinol, Cholecalciferol, Tocopherol und Phyllochinon/Menachinon. Zwei davon – D und K – können sogar unter bestimmten, günstigen Umständen ausreichend vom Organismus selbst hergestellt werden, lediglich A und E müssen tatsächlich komplett über die Ration geliefert werden. Die wasserlöslichen Stoffe – die Vitamine der B-Gruppe (dazu wird beispielsweise auch das Biotin gerechnet) sowie Ascorbinsäure und andere – werden komplett in Eigensynthese produziert. Soweit die Theorie.

Alles gut, wenn alles gut ist

Reicht es also aus, den Bedarf nur an diesen beiden Vitaminen über die Tagesration zu sichern, und gut ist? Jein. Bei der Eigensynthese kann einiges schieflaufen und das Pferd dann doch ohne lebensnotwendige Vitamine dastehen. Damit die Produktion wirklich reibungslos gelingt und auch der Bedarf nicht ausufert, sodass er nicht mehr von der Eigenleistung gedeckt werden kann, braucht es eine ganze Reihe an Voraussetzungen, insbesondere • ohne Funktionsstörungen arbeitende Leber und Nieren,
• Ruhe im Darm, vor allem eine stabile Besiedelung mit Darmbakterien und die
• ausreichende Bereitstellung von etwaigen Vorstufen und Bausteinen, aus denen dann die Vitamine hergestellt werden.

Problematisch:

Wir können nicht reinschauen in den Pferdekörper und auch kaum mit anderen Mitteln, etwa einer Blutuntersuchung, möglichen Engpässen und somit drohenden Vitaminmängeln im Vorfeld auf die Spur kommen. Hinzu kommt: Auch eine intensive Nutzung des Pferdes in Sport oder Zucht scheint im Einzelfall zu einem so hohen Bedarf zu führen, dass nicht jedes nichtessentielle Vitamin tatsächlich in genügender Menge bereitgestellt wird. Auch die Haltung spielt eine Rolle: Wird das Pferd nicht artgerecht, also ausschließlich in der Box gehalten, kann es kein Vitamin D aus der selbst produzierten Vorstufe synthetisieren, da dazu natürliches Sonnenlicht benötigt wird.

Machen Vitamine gesund?

Noch ein „Jein“. Abweichend von einer weit verbreiteten Vorstellung haben Vitamine nicht die Wirkung eines Arzneimittels in der Art, dass eine zusätzliche Gabe bestimmter Vitamine eine heilende oder vorbeugende Wirkung entfaltet. Es gibt allerdings zwei direkte Verknüpfungen zwischen Vitaminen und Gesundheit:
• Eine bedarfsgerechte Versorgung mit allen essentiellen Vitaminen ist eine Voraussetzung dafür, dass wichtige Prozesse des Stoffwechsels problemlos laufen können, vor allem bei der Verarbeitung von zugeführten Nähr- und Wirkstoffen, dem Aufbau von Zellen in allen Bereichen des Organismus und eben auch im Immunsystem. Vieles funktioniert also einfach nicht oder nicht richtig, wenn die entsprechenden Vitamine fehlen, das kann auch die Abwehr betreffen.
• Zudem kann es im Zusammenhang mit der nicht bedarfsgerechten Versorgung mit Vitaminen zu eigenen Erkrankungen kommen, sogenannten Hyper(zu viel)- oder Hypo(zu wenig)vitaminosen.
Für den Pferdehalter bedeutet dies: Füttert er eine über dem Bedarf liegende Menge, ergibt sich daraus kein positiver Einfluss auf das Pferd, allenfalls riskiert er eine Hypervitaminose. Heißt: Wenn er auf eine bedarfsdeckende Futterration noch eine Extraportion Saftfutter oder ein weiteres Zusatzfuttermittel draufpackt, wird dies keine positive, aber evtl. negative Wirkungen haben. Das Pferd wird davon jedenfalls kein bisschen gesünder oder besser vor Infektionen geschützt.

Die Gretchenfrage

Mit diesem Wissen lässt sich nun die Frage nach der Vitaminversorgung konkreter fassen: Was muss, was kann der Pferdehalter tun, um zum einen sicherzustellen, dass die Eigensynthese bedarfsdeckend arbeitet und zum anderen die Vitamine A und E in ausreichender Menge in die Tagesration zu integrieren?

Viel ist mit zwei ganz einfachen, selbstverständlichen Maßnahmen getan:

Halten Sie Ihre Pferde artgerecht und füttern Sie viel Heu bester Qualität. Damit alleine sichern Sie schon die Bereitstellung von genügend Vitamin D und außerdem die Synthese aller Vitamine, die von den Darmbakterien produziert werden. Sie entlasten gleichzeitig Leber und Nieren, die insbesondere von mit Schimmelpilz belastetem Futter arg gebeutelt werden. Sind Leber und Niere gesund und fit, freut das den Darm, der dann ebenfalls gut arbeitet und beispielsweise das im Futter vorhandene Vitamin-Kontingent maximal ausschöpfen kann.

Wichtig:

Die Vorstufe von Vitamin A und das Vitamin E finden wird zwar nicht nur im frischen Gras, sondern auch im Heu, der Gehalt nimmt aber allmählich ab. Zweiter Baustein der Vitaminversorgung im Winter ist eine insgesamt bedarfsdeckende Ration auf der Basis von gutem Heu mit einer Ergänzung durch ein mineralisiertes, vitaminisiertes Krippenfutter oder ein vitaminisiertes Mineralfutter. Diese Futtermittel berücksichtigen die Bedürfnisse der Pferde und die zahlreichen Verknüpfungen von einzelnen Elementen: So kann etwa Ihr Pferd Vitamin A aus der Vorstufe Beta-Karotin zwar selbst herstellen, braucht dazu aber Zink – es reicht also nicht, einem Futtermittel lediglich Beta-Karotin beizufügen, der Hersteller mischt auch genügend Zink bei. Mit solchen Futtermitteln sind Sie auf der sicheren Seite.
Alternativ können Sie eine reine Heuration oder eine Tagesration ohne nennenswerten Kraftfutteranteil auch leicht um die beiden Komponenten Beta-Karotin und Vitamin E aufwerten. Dazu reicht beim Reitpferd eine Menge von ungefähr zwei Kilo Karotten am Tag als Lieferant der Vorstufe von Vitamin A. Die meisten Pferde werden sich über eine tägliche Möhrenration sicher freuen…
Schwieriger wird es bei Vitamin E, hier sind vor allem bestimmte Öle (Weizenkeimöl, Sonnenblumenöl) zuverlässige Lieferanten – die aber ohne Kraftfuttergrundlage in ausreichender Menge ins Pferd zu bekommen ist nicht immer einfach. Wer also nicht zu einem der praktischen Kombiprodukte zur umfassenden Mineral- und Vitaminversorgung greifen möchte, kann entweder ein möglichst hochwertiges Öl einsetzen und die Tagesdosis über die Karotten geben oder sich für ein Vitamin E-haltiges Zusatzfuttermittel in Pulver- oder Pelletform entscheiden, das dann ebenfalls am besten mit der Möhrchen-Ration kombiniert gereicht wird.
Alle Pferde, die hinsichtlich ihres Bedarfs und/oder der Fähigkeit zur Eigensynthese irgendwie aus der Norm fallen (alte, kranke Pferde, Hochleistungssportler, tragende Stuten), müssen zwingend täglich ein individuell zugeschnittenes „Komplett-Paket“ erhalten, in dem dann auch die eigentlich nicht essentiellen Elemente verfügbar sind. Gesunde, nicht überdurchschnittlich belastete Pferde dagegen benötigen meist über das Winterhalbjahr nur Vitamin E und Beta-Karotin, wenn sie artgerecht gehalten und mit hochwertigem Heu
versorgt werden.

Text und Foto: Angelika Schmelzer