Ursprungszucht des AQH

Studien am Y-Chromosom decken Herkunft der Zuchthengste auf

Ob ein Pferd Hengst oder Stute wird, bestimmen die sogenannten Geschlechtschromosomen. Stuten besitzen zwei X-Chromosomen, während Hengste ein X-Chromosom und ein Y-Chromosom haben. Das Y-Chromosom kann jedoch noch viele weitere Aufschlüsse geben, was die männliche Stammfolge betrifft.

Das Y-Chromosom kann immer nur von den männlichen Tieren weitergegeben werden, also vom Vater auf den Sohn, und dies fortgesetzt über alle Generationen. Wird ein genetisch unterschiedlicher Zuchthengst eingesetzt, dann beginnt die männliche Stammfolge mit der Weitergabe seines Y-Chromosoms an seine männlichen Nachfahren von neuem. Mit einer genauen Analyse des Y-Chromosoms lassen sich somit männliche Stammfolgen und damit auch der Einsatz und insbesondere die Herkunft von Zuchthengsten und ihre Verwandtschaft über viele Generationen rückverfolgen.

Rückverfolgung der Linien möglich

An der Veterinärmedizinischen Universität Wien forscht Frau Dr. Barbara Wallner schon seit einigen Jahren sehr intensiv am Y-Chromosom des Pferdes. Durch die Entwicklung von Hochdurchsatz-Sequenziertechniken (NGS) können große Teile des männlichen Geschlechtschromosoms untersucht und molekulargenetisch aufgedeckt werden. Es werden so genetisch verschiedene Abschnitte auf dem Y-Chromosom identifiziert, welche Informationen über den Ursprung und die Entwicklung väterlicher Linien bei den Pferden zulassen. Aus diesen Informationen können zusätzlich männliche Stammbäume rückverfolgt und Verbindungen zu anderen Rassen auf der männlichen Seite aufgedeckt werden. Zusätzlich erlaubt die Rückverfolgung des Y-Chromosoms auch eine Überprüfung der Pedigree-Angaben. Die Analysen am Y-Chromosom zeigen auch auf, falls andere Zuchthengste als aufgezeichnet in einer männlichen Linie eingesetzt wurden. So haben Wissenschaftler zum Beispiel im Englischen Vollblutpferd nachgewiesen, dass eine männliche Stammfolge heute dort nicht auf den Linienbegründer Darley Arabian geb. 1700, sondern auf den Linienbegründer Byerley Turk geb. 1680 zurückzuführen ist.

Gezielte Zucht durch gezielten Einsatz männlicher Tiere

Durch den gezielten Einsatz von Hengsten wurden Zuchtrichtungen vor allem in Europa nachhaltig beeinflusst. Die Umzüchtung schwerer Gebrauchspferde zu leichteren Schlägen, etwa für militärische Zwecke, ist so zum Beispiel im 18. bis 19. Jahrhundert vordringlich mit der Einkreuzung Arabischer Vollbluthengste erfolgt. Es ist daher auch nicht besonders erstaunlich, dass die Arbeitsgruppe um Dr. Barbara Wallner zeigen konnte, dass es orientalische Hengste (Arabische Vollbluthengste und Turkmenen) gewesen sind, die unsere heutigen Hengstlinien in den meisten modernen Sportpferderassen begründen. Durch den gezielten Einsatz rassefremder Zuchthengste wurden bestehende alte Hengstlinien in den Landespferdezuchten so auch ausgeschaltet.
Betrachtet man die Verwandtschaft der heute noch bestehenden Hengstlinien in einigen ausgewählten Rassen genauer, so zeigen die bisher vorliegenden Studien am Y-Chromosom eine enge Verwandtschaft der Hengstlinien für Berberpferde, Iberische Pferde (Andalusier) und Barockpferde (Lipizzaner) auf. Der Einfluss und Erhalt des Nordafrikanischen Berberpferdes bzw. seiner Hengste kann noch heute im Lipizzaner und in südamerikanischen Pferderassen wie dem Mangalarga Marchador nachgewiesen werden.
Im American Quarter Horse basieren heutige männliche Stammfolgen dagegen auf Englischen Vollblutpferden. Gemeinsam unter anderem mit dem Morgan Horse, dem Tennessee Walking Horse und den Achal-Tekkinern bilden die Vaterlinien im Quarter Horse eine genetisch verwandte Hauptgruppe. Die heutigen Hengstlinien des Englischen Vollblutpferdes leiten sich mit aktuellen Analysen am Y-Chromosom und ergänzenden genetischen Studien nicht auf das Arabische Vollblut, sondern auf Hengste zurück, die ursprünglich in den Steppen Zentralasiens beheimatet waren.
Dass sich die Hengstlinien im Quarter Horse vordringlich auf Stammhengste des Englischen Vollblutpferdes konzentrieren, wird auch in ihrer Zuchtgeschichte bestätigt. So beschreibt Robert M. Denhardt in seinem Buch „The Horse Of The Americas“, dass es erstmals der Englische Vollbluthengst Janus (geb. in England 1738), ein Enkelsohn des Linienbegründers Godolphin Arabian (auch Godolphin Barb genannt) gewesen ist, der 1752 nach Virginia importiert und in die Stutenpopulation dort eingekreuzt wurde. Viele weitere Englische Vollblutpferde sind später gefolgt.

Vollblüter in der AQH-Zucht

Besonderen Einfluss auf den Aufbau des US Quarter Horse hatten unter anderem dann die schon in den USA gezogenen Vollblutpferde Sir Archy (geb. 1805), Chicaro (geb. 1923), Joe Blair (geb. 1911), Three Bars (geb. 1940), Depth Charge (geb. 1941) und Top Deck (geb. 1945). Der Vollblüter Three Bars kann als der einflussreichste Vererber bezeichnet werden, da sich seine männlichen Nachfahren mit Doc Bar, Dash For Cash, Kid Clu und Zippo Pine Bar bis heute in allen Performance Klassen unter den erfolgreichsten Zuchthengsten („Top Sires“) finden. Zum Aufbau der Zucht und Kreuzung standen den Siedlern im Westen vordringlich Stuten zur Verfügung, welche ursprünglich von den Spaniern mitgebracht wurden. Die genetische Vielfalt der Stutenlinien im US Quarter Horse ist somit im Vergleich zu den Hengstlinien weit breiter, was molekulargenetische Studien bereits mehrfach aufgezeigt haben. Die Basis der Zuchthengste konzentriert sich dagegen in der heute mit ca. 4,8 Millionen größten Pferderasse der Welt auf den Einsatz Englischer Vollblutpferde, deren genetische Spuren sich mit den Studien am Y-Chromosom auf Turkmenenpferde in den Steppen Zentralasiens zurückführen lassen.

Text: Dr. Ines von Butler-Wemken, Foto: Adrian Bozai