Prima Klima
Optimale bedingungen
Ein Zusammenspiel von natürlichen Einflüssen und von Menschenhand gestalteten Rahmenbedingungen ergibt das Klima, was am Ende bei unseren American Quarter Horses im Stall ankommt. Das QHJ zeigt die Zusammenhänge und was der Reiter tun kann, um das Klima im Stall zu optimieren.
Das Klima wird von einzelnen, messbaren Klimaelementen geprägt:
• Lufttemperatur und
• Luftfeuchtigkeit,
• Luftdruck und
• Luftdichte,
• Windgeschwindigkeit und
• Windrichtung,
• Sonnenscheindauer und
• Bewölkung,
• Niederschlagsart und
• Niederschlagsmenge sowie
• Albedo (Rückstrahlvermögen von Oberflächen, also etwa eines Stalldachs).
Für den Pferdehalter sind drei Fragen entscheidend:
• Was von dem, das „draußen“ passiert, kommt „drinnen“ an?
• Unter welchen Rahmenbedingungen bezüglich des Mikroklimas im Stall-inneren geht es meinen Pferden gut?
• Und die entscheidende Frage: Wie erreiche ich dies? Welche Mittel kann ich wie einsetzen?
Was diese Mittel angeht, spielen nicht alleine Bauelemente eine Rolle, sondern auch das Management nimmt Einfluss. So haben Raufutter und Einstreu große Auswirkungen auf die Luftqualität – deren Qualität (staubig, verpilzt oder eben nicht) und die Handhabung (Aufschütteln oder Anfeuchten). Oder: Es reicht nicht aus, Fenster einzubauen, sie müssen auch ausreichend häufig und lange geöffnet bleiben und das wiederum heißt, dass etwa das Tränkesystem vor Frost geschützt werden muss. Das Stallklima ist also ein komplexes Thema.
Abschirmung war gestern
Früher sah man den Pferdestall als Erweiterung einer menschlichen Behausung an und gestaltete wesentliche Elemente so, dass sie ein für uns Menschen zuträgliches Mikroklima erzeugten. Dazu wurden Stallgebäude fast schon hermetisch von der Außenwelt abgeschirmt: Außentemperatur, Niederschläge und Wind, aber auch Sonnenlicht wurden abgekoppelt.
Die Pferde litten infolge der ungüns-tigen Bedingungen unter allerlei Gesundheitsproblemen, insbesondere der Atemwege. Diese Haltungsbedingungen richteten allerdings auch in der Psyche der Pferde viel Unheil an, was sich in Verhaltensstörungen äußerte. Nach und nach trat ein Umdenken ein. Heute ist man weithin davon abgekommen, Pferde so abgeschirmt und dazu noch kontaktlos und bewegungsarm aufzustallen und dazu übergegangen, auch das Stallklima den Bedürfnissen der Pferde anzupassen. Für viele Größen sind Grenzen oder Richtwerte definiert. Sie orientieren sich daran, was wissenschaftliche Untersuchungen über die idealen Lebensbedingungen für das Steppentier Pferd ergeben haben und was man heute über gesundheitsschädliche Auswirkungen von ungünstigen Werten weiß.
Temperatur
Das Thermoregulationssystem unserer Pferde ist ausgesprochen leistungsfähig, braucht aber Übung. Es ist zudem vor allem darauf ausgerichtet, das Pferd bei kühlen bis kalten Temperaturen zu schützen und ist weniger leistungsfähig, wenn es um den Umgang mit sehr hohen Temperaturen geht.
Für Reitpferde gelten 12-16 Grad als ideal, wobei „ideal“ nicht gleichbedeutend ist mit „anzustreben“, sondern lediglich der Temperaturbereich ist, innerhalb dessen das Pferd am wenigsten Aufwand betreiben muss, um die eigene Körpertemperatur konstant zu halten. Vielmehr sollte der Stallbetreiber durchaus darauf achten, dass innerhalb des Stalles eben keine konstante Temperatur herrscht, da dies das Thermoregulationssystem der Pferde unterfordert und ungenügend übt. Als Richtschnur gilt die Außentemperatur: Die Innentemperatur folgt der Außentemperatur, lediglich Extreme werden abgemildert.
Luftfeuchte
Empfohlen wird für Pferdeställe eine relative Luftfeuchte von 50/60-80 %. Das erscheint hoch, stellt man sich doch eine Steppe als trocken-heißen Ort vor. Allerdings ist auch in gut belüfteten und gemanagten Ställen nicht zu vermeiden, dass die Luft stärker mit Stäuben und Schadgasen belastet ist als die Umgebungsluft draußen.
Bei einer Luftfeuchte von 60-80 % hält sich diese Belastung in Grenzen und die Atemwege der Pferde werden ausreichend befeuchtet, was ihnen zuträglich ist. Ein trockeneres Raumklima würde dazu führen, dass erheblich mehr Staub herumwirbeln würde, während eine höhere Luftfeuchte vor allem Bakterien und Pilze, aber auch Darmparasiten allzu sehr begünstigen würde.
Luftvolumenstrom und Luftgeschwindigkeit
Prima Klima herrscht in einem Stall dann, wenn die Luft dort sauber und frisch ist. Verunreinigungen sind unvermeidbar, deshalb ist der stete Luftaustausch so wichtig. Er führt auch ständig Sauerstoff nach, der ja von den im Stall lebenden Pferden verbraucht wird, und er führt das ausgeatmete Kohlendioxid ab. Die Luftzirkulation hält auch die Keimbelastung in der Atemluft unserer Pferde in Grenzen, sorgt für die Angleichung der Stalltemperatur an die Außenwerte und hält zudem die relative Luftfeuchte in einem zuträglichen Bereich. Dazu ist ein Luftstrom notwendig, dessen Geschwindigkeit 0,2 m/sec nicht unterschreiten sollte. Pro Pferd und Stunde sollte im Sommer ein Luftvolumen von 160-213m3 und im Winter mindestens 36 m3 ausgetauscht werden.
Schadgase und Stäube
Bei kontinuierlichem Luftaustausch werden auch Schadgase und Stäube ständig aus dem Stall geführt und so die Grenzwerte im Stall eingehalten. Staub entsteht vor allem im Zusammenhang mit der Verwendung von Einstreu und Raufutter, sein Auftreten und die Konzentration im Stallgebäude ist abhängig von zahlreichen Faktoren. Unerwünschte oder gar schädliche Gase entstehen durch die Atmung der Pferde (die ausgeatmete Luft enthält viel Kohlendioxid) und die Abgabe von Urin und Kot. Zersetzen sich diese Ausscheidungen, werden beispielsweise Ammoniakgas und bei extrem unhygienischen Verhältnissen sogar Schwefelwasserstoffgas gebildet, beide toxisch. Der extrem schädliche Schwefelwasserstoff muss unterhalb der Nachweisgrenze liegen (<0 ppm), Ammoniak darf höchstens in sehr geringen Konzentrationen auftreten (< 10 ppm) und für Kohlendioxid gelten ebenfalls Grenzwerte (<1.000 ppm).
Sonnenlicht
Natürliches Sonnenlicht ist der Motor für das Getriebe der Chronobiologie unserer Pferde. Es steuert regelmäßig wiederkehrende Ereignisse wie Fertilität oder Fellwechsel. Sonnenlicht regt die Bildung von Vitamin D. Natürliches Licht kann durch künstliche Lichtquellen nicht annähernd ersetzt werden. Pferde sollten sich deshalb täglich so lange wie möglich unter freiem Himmel aufhalten und zudem einen möglichst hellen Stall bewohnen können. Als Richtwerte gilt eine (unverschattete!) Fensterfläche, die mindestens 1/20 der Stallfläche beträgt. Im Stall müssen mindestens acht Stunden täglich 80 Lux erreicht werden.
Einfluss nehmen auf das Stallklima
Bei der Beeinflussung des Stallklimas arbeitet der Pferdehalter vor allem mit zwei Stellschrauben: dem Luftaustausch, der gleichzeitig auch Einfluss auf Temperatur, Luftfeuchte sowie Belastung mit Staub und Schadgasen nimmt, und dem Sonnenlicht. Nicht immer, aber häufig lassen sich diese beiden Größen sogar gemeinsam beeinflussen, nämlich dann, wenn der Luftaustausch über große Öffnungen in den Außenwänden und Decken eines Stallgebäudes geregelt wird und damit potentiell auch den Lichteinfall verbessert.
Technische und bauliche Voraussetzungen sind wichtige Bausteine für ein gutes Stallklima, das Management kommt dazu. In die Neuerrichtung eines Stallgebäudes können moderne Erkenntnisse bezüglich gesunder Haltungsformen einfließen, bestehende Anlagen stellen den Pferdehalter häufig vor besondere Herausforderungen.
Prima Klima – Bauelemente
Wenn Luftaustausch und Lichteinfall die wichtigsten und zudem oft gleichzeitig zu beeinflussenden Stellschrauben für günstiges Stallklima sind, wie lassen sich bei bestehenden Stallgebäuden diese Faktoren am einfachsten positiv verändern? Wie kommt mehr Licht und Luft in alte Ställe? Dazu braucht es Öffnungen in der Außenhaut, also im Dach und/ oder in den Wänden. Gleichzeitig kann auch die Luftzirkulation innerhalb des Gebäudes durch weitere Öffnungen etwa in den Boxenwänden unterstützt werden. Den Rest erledigt oft die Physik: Warme Luft steigt auf, entweicht durch Öffnungen im Dachbereich, erzeugt einen Unterdruck und der wiederum saugt frische und kühlere Luft von außen an, die durch bodennahe Öffnungen eindringen und das Stallinnere durchfluten kann.
Je nach Art der Bedachung lassen sich auch nachträglich oft mit überschaubarem Aufwand klimawirksame Elemente in das Dach einbauen. Sie befinden sich entweder im First oder in den Dachschrägen, lassen entweder Licht oder Luft, teilweise sogar beides in den Stall und können zusätzlich mit einem Regelmechanismus versehen werden.
Geht es vorwiegend um eine Verbesserung des Lichteinfalls, können im Dachbereich nachträglich Lichtbänder oder einzelne Lichtplatten eingebaut werden.
Häufig wählt man aber Lösungen, die gleichzeitig auch die Luftzirkulation verbessern. Dazu werden Lichtelemente meist im Firstbereich eingefügt und mit einem Unterbau aus Aluminium versehen, der die ganze Konstruktion anhebt und so einen Lufteintritt unterhalb der Lichtelemente ermöglicht. Seitlich angebrachte Windabweiser sorgen dafür, dass starker Wind draußen bleibt und auch keine Niederschläge von der Seite eindringen können. Optional können zudem regelbare Luftklappen eingebaut werden. Auch für Pultdächer und andere Dachformen sind Kombilösungen möglich, die Lichtelemente mittels Unterkonstruktion über das Dachniveau anheben und den Luftzutritt darunter erlauben. Ist der Lichteinfall im Stall bereits gut und muss nur die Luftzirkulation verbessert werden, können Kaminfirste mit variablen Öffnungsbreiten die Führung der Abluft verbessern.
Entlang der Längsseiten eines Stalls sorgen großflächige Öffnungen für die notwendige Querlüftung. Ob und wie solche Öffnungen auch nachträglich in bestehende Wände eingebaut werden können, weiß der Architekt – vielleicht können vorhandene Türen und Fenster erweitert oder versiegelte Flächen geöffnet werden? Alte Ställe sind häufig noch mit innen vergitterten Fensterscheiben versehen, die problemlos entnommen werden können. In jedem Fall müssen diese Öffnungen so aufbereitet werden, dass Luft zirkulieren kann, Licht einfällt, aber Niederschläge abgewehrt werden. Dazu eignen sich Windschutznetze, die fest installiert, aber auch als Rollo verbaut werden können. Mit absenkbaren Rollos kann zudem allzu starker Licht- und damit Hitzeeinfall abgemildert werden. Für den schmalen Geld-beutel oder kleine Ställe können Windschutznetze als Meterware bestellt werden. Allerlei Zubehör ermöglicht den kostengünstigen Selbsteinbau. Auch fertige Montagesets für Rollos an Fenstern und Toren sind erhältlich. Zudem kann gewählt werden, wie effektiv der Wind abgewehrt werden soll. Windschutznetze sind so gewirkt, dass Regen abperlt und auch Schnee nicht eindringen kann. Sie sind reißfest und UV-beständig.
Weiterhin kann überlegt werden, welche Bauelemente im Stallgebäude der Luftzirkulation im Weg stehen. Manche Zwischenwand braucht es nicht mehr, vielleicht können Gitterkonstruktionen die Funktion einer Wand übernehmen oder einzelne Elemente „luftiger“ gestaltet werden. So lassen sich beispielsweise in bestehende Holz-Boxenwände im unteren Bereich einige Lüftungsschlitze längs einfräsen, wodurch die Box im Bodenbereich besser entlüftet wird.
Prima Klima – Management
Einstreu und Raufutter sollten nicht im Stallgebäude, sondern außerhalb gelagert und möglichst auch dort auf-bereitet werden, um die Staubbelastung zu minimieren.
Wird Heu vor dem Einfüllen in Raufen und Krippen aufgeschüttelt, geschieht dies außerhalb des Stallgebäudes. Mit Stäuben belastetes Heu wird möglichst kurz gewässert (getaucht, nicht besprüht), um den Staub zu binden. Das entlastet Stallluft und Atemwege gleichermaßen.
Die Verwendung einer staubarmen Einstreu in Verbindung mit weichen, dämmenden Bodenbelägen kann das Stallklima entscheidend positiv beeinflussen. Bei der Wahl einer solchen Einstreu spielt nicht nur die Qualität des Produkts eine Rolle, sondern auch, wie es verwendet wird: Welche Mengen werden benötigt und wie sieht die Handhabung aus? Muss täglich ein großes Volumen nachgestreut und verschmutzte Einstreu mit hohem Aufwand entfernt werden, wirbelt dies mehr Staub auf als der Umgang mit einem ebenso staubarmen Produkt, das sparsamer in der Anwendung ist und einfacher gereinigt und aufbereitet wird, also vielleicht ohne Aufschütteln. Für manche Einstreuvarianten empfehlen die Hersteller gar leichtes Anfeuchten zur Staubbindung, wobei das Wasserbindungsvermögen davon nicht beeinträchtigt werden soll.
Auch die Fähigkeit der Einstreu, Ausscheidungen zu binden und die Bildung von Schadgasen bei der möglichen Zersetzung zu unterdrücken, spielt eine Rolle. Diese Funktion von Einstreu begrenzt auch das Einsparpotential: Wird zum Abkoten und Urinieren nur ein relativ kleines „Klo“ vorgehalten, ein mit wenig Einstreu gefülltes Areal, so ist deren Bindungsvermögen bald erschöpft und es fängt unweigerlich an, gehörig zu müffeln… So viel Einstreu, dass Ausscheidungen gebunden werden, so wenig, dass Kosten gespart und Staubentwicklung gemindert wird – dieser Spagat sieht in jedem Stall ein wenig anders aus und hängt von den individuellen Verhältnissen ab. Eine Haltung ganz ohne Einstreu und ohne geeignete („verformbare“, also weiche) Liegefläche ist übrigens tierschutzwidrig. Wer einmalig in hochwertige Beläge für den Liegebereich investiert und zusätzlich auf eine staub-arme Einstreu setzt, kann das Stallklima ganz entscheidend positiv beeinflussen und spart langfristig Kosten.
Dies gilt für alle Maßnahmen, die das Stallklima bestmöglich an den Bedürfnissen unserer American Quarter Horses ausrichten: Langfristig belohnen uns diese Aufwendungen nicht nur mit gesunden und fitten Pferden, sondern auch mit Einsparungen. Oft in Bereichen, wo wir dies zuvor nicht vermutet hätten…
Text: Angelika Schmelzer, Foto: Johanna Koch