Die Kraft der Natur
Aus Mutter Naturs Schatzkästchen in die Futterschüssel unserer Pferde
Fragt man Ernährungsexperten oder Futtermittelkundige nach ihrem wichtigsten Tipp für Mensch und Pferd, wird man übereinstimmend hören: Hauptsache vielseitig! Natürlich lässt sich im Detail viel über die arttypischen Anforderungen, über wichtige Bestandteile und weniger zuträglich Elemente der Ernährung sagen, doch sind Pferde wie Menschen vor allem auf eine vielseitig zusammengesetzte Kost angewiesen.
Stimmt diese Basis, ist damit die Grundlage für Fitness und Wohlbefinden gelegt – stimmt sie nicht, können Mangelerscheinungen und allerlei gesundheitliche Beeinträchtigungen die Folge sein.
Basis der Ernährung unserer Pferde ist das Raufutter. Großzügige Portionen gutes Heu, im Sommerhalbjahr ausgedehnter Weidegang auf gepflegten Weiden, das sichert eine zuverlässige Futtergrundlage. Doch was, wenn Futtergras und Heu von verarmten Weiden und Wiesen stammen? Die Pflanzengesellschaften des heutigen Dauergrünlands sind alles andere als vielseitig zusammengesetzt: Typische Saatmischungen legen den Schwerpunkt auf frohwüchsige, ertragreiche Gräser, durch intensive Nutzung und Düngung kommt es zu weiterer Verarmung und nun werden bestehende Flächen durch den Klimawandel zusätzlich einem beständigen Stresstest ausgesetzt – was tun?
Nicht immer ist es möglich, das Übel an der Wurzel zu packen und an der Futtergrundlage – dem Dauergrünland – Grundlegendes zu verändern.
Futter aufwerten
Eine gute und vor allem kurzfristig verfügbare Lösung liegt für viele Pferdefreunde deshalb darin, die Futterration ihrer Pferde durch entsprechende Zusätze aufzuwerten. Der Markt hat sich längst auf dieses Bedürfnis eingestellt und bietet eine reiche Auswahl. Artenvielfalt sozusagen nachträglich herstellen, durch entsprechende Beifütterung – das ist nur eine Motivation. Oft erhofft man sich durch den gezielten Einsatz entsprechender Produkte auch eine gesundheitsfördernde oder gar therapeutische Wirkung: Die Abwehr stärken, Atemwegsprobleme ausheilen, Giftstoffe ausleiten, die Fruchtbarkeit fördern, Magenprobleme kurieren, mit den Kräften der Natur entwurmen, diese und viele andere mögliche Einsatzgebiete lassen sich den Deklarationen entsprechender Präparate entnehmen.
Dabei kommen nicht nur Kräuter, sondern auch Rinden, Wurzeln, allerlei Früchte und Samen zum Einsatz – von Apfelpellets über Hagebutten, Weidenrinde, Ringelblumen, Meerrettich, Ingwer, Algenpulver, Anis, Süßholzwurzel bis zu Isländisch Moos… Zudem sind zahlreiche Mischungen aus mehreren Komponenten und diverse Zubereitungsformen wie etwa Öle auf dem Markt. Die Auswahl ist groß, doch es tun sich auch zahlreiche Fragen auf:
• Woher stammen die Zutaten? Werden sie eigens für diesen Zweck angebaut oder muss befürchtet werden, dass beim Sammeln etwa die wild wachsenden Bestände gefährdet werden?
• Wer kontrolliert Qualität und Inhaltsstoffe? Gibt es überhaupt eine verbindliche Kontrolle, wer führt diese durch und welche Maßstäbe werden hier angelegt – die für Arzneimittel, für Futtermittel oder andere? Der Pferdefreund will sichergehen, dass er seinem Vierbeiner einwandfreies und gehaltvolles Futter vorlegt, unbelastet etwa von Pilzen, aber auch von sogenannten Pflanzenschutzmitteln und zudem mit einem zuverlässigen Gehalt an wertbestimmenden Inhaltsstoffen.
• Das Vertrauen in die Kraft der Natur ist sicher gerechtfertigt, doch schließt gerade dieses das Gießkannenprinzip aus. Wer ergänzende Produkte aus dem Schatzkästchen der Natur anwendet, will dies zielgerichtet tun und wissen, dass seine Unterstützung eine positive Wirkung auf das Pferd hat. Aber woher soll dieses Wissen stammen – gibt es belastbare Forschungen an Pferden bezüglich der Wirkungen und etwaiger unerwünschter Nebenwirkungen der Produkte oder zumindest zuverlässige Erfahrungswerte oder ist man auf Mutmaßungen und (möglicherweise irreführende) Herleitungen angewiesen?
• Die vielen Angeboten fallen in zwei Kategorien: Einzelpräparate und Mischungen. Gibt es da Unterschiede in der Wirksamkeit? Kann der Anwender davon ausgehen, dass sich die verschiedenen Komponenten einer Mischung gegenseitig ergänzen und unterstützen oder ist es nicht doch besser, ein Einzelpräparat zu verwenden, dessen Wirkung sich vielleicht besser einschätzen und überprüfen lässt?
• Im Angebot sind nicht nur beispielsweise Wildkräuter und Rinden, die unsere Pferde auf einer vielseitig zusammengesetzten Weide selbst aufnehmen würden, sondern auch allerlei Wurzeln, Algen oder exotische Sämereien, an die wohl kaum ein heimisches Pferd von selbst gelangen würde. Widerspricht dies nicht irgendwie auch dem Argument einer naturnahen Fütterung? Kann der Pferdefreund auch diese Produkte bedenkenlos füttern? Fragen über Fragen…
Fachleute gesucht!
Aus diesen und weiteren Fragen ergeben sich meist zwei grundlegende Probleme: Wer hilft? Wenn der Pferdefreund sich unsicher ist, auf welche Weise er sein Pferd unterstützen kann, wer ist da ein sachkundiger Ansprechpartner? Und: Wer liefert wirklich gute, erprobte und zuverlässige Produkte? Sind Angebote von Reitsportausstattern, die auch Futtermittel vertreiben, wirklich empfehlenswert, braucht es den Spezialisten für natürliche Futterergänzungen, sollte der Pferdefreund diese gar als Einzelpräparate aus der Apotheke beziehen oder selbst sammeln? Ist mein Tierarzt in Sachen Kräuter und Co beschlagen, weiß mein Tierheilpraktiker wirklich gut Bescheid, kann ich den Produktbeschreibungen uneingeschränkt vertrauen, mich an die telefonische Beratung entsprechender Hersteller wenden oder an eine „gelernte Kräuterhexe“, an jemanden, der eine der angebotenen Ausbildungen zur Kräuterkunde durchlaufen hat?
Sicher ist: Wir fangen gerade erst an, die ganze Kraft der Natur auch über die Fütterung unseren Pferde zugutekommen zu lassen. In der Zukunft wird es wohl vor allem eine Kombination aus überliefertem Wissen, entsprechenden Forschungen in der Anwendung beim Pferd und neuen Erfahrungswerten sein, die uns helfen wird, unseren Pferden wieder zu einer vielseitig zusammengesetzten Futtergrundlage zu verhelfen. Es bleibt also spannend…
Text: Angelika Schmelzer, Foto: Trio Bildarchiv