Unterschätzte Kunst

Gutes Longieren hat positive Auswirkungen auf die Gesundheit des Pferdes

Wird ein Pferd gut longiert – und das heißt in den allermeisten Fällen ohne Hilfszügel – verbessert es seine Balance, baut Verspannungen ab und an den richtigen Stellen Muskulatur auf. Korrektes Longieren sorgt dafür, dass die Hinterhand abkippt und das Pferd in der Lage ist, korrekt und tief unter seinen Schwerpunkt zu treten. Dies alles wiederum fördert die Losgelassenheit und sorgt dafür, dass das Pferd das Reitergewicht besser aufnehmen kann, ohne gesundheitliche Schäden davon zu tragen.

Richtig longiert bietet die Arbeit auf dem Zirkel eine tolle Ergänzung und Abwechslung zum Training unter dem Reiter.
Eines sollte jedem klar sein: Longieren ist viel mehr als das Pferd im Kreis um sich herumlaufen zu lassen und kann viel mehr als „überflüssige Spannung“ durch Bewegung abzubauen.
Die Arbeit an der Longe bietet die Möglichkeit, die tragende Muskulatur zu trainieren und dem Pferd zu einem biomechanisch korrekten Bewegungsablauf zu verhelfen. Bei dieser Art des Longierens wird gezielt die richtige Muskulatur angesprochen, um ungesunde Bewegungsmuster aufzulösen bzw. gar nicht erst entstehen zu lassen.

Was heißt „biomechanisch korrekter Bewegungsablauf“?
Bewegt sich ein Pferd biomechanisch korrekt in Hinblick auf seine Aufgabe als Reitpferd, hebt es durch seine Bauchspannung den Brustkorb an und dehnt sich aus dem Widerrist nach vorne-unten, was übrigens nichts gemein hat mit auf der Vorhand latschen – im Gegenteil. Nur wenn Schulter-, Brust- und Bauchmuskulatur aktiv mitarbeiten, kann auch der Rücken frei durchschwingen und das Becken korrekt abkippen. Damit gewinnt es an positiver Körperspannung, Takt, Losgelassenheit und – wichtig für das Reiten selbst – Tragfähigkeit. Und eine Grundvoraussetzung für die Anlehnung und spätere Versammlung unter dem Reiter.

Unterschätzte Kunst
Longieren sieht zunächst ganz easy aus: Mensch steht im Inneren des Zirkels und Pferd läuft im Kreis um ihn herum. Da kann der Mensch doch nicht so viel falsch machen, oder? Doch, kann er. Falsches Longieren schadet dem Bewegungsapparat des Pferdes, belastet Gelenke und Sehnen ungewollt stark und sorgt bei vielen Pferden für Stress. Warum? Für das Pferd ist es schwer, korrekt auf der Kreisbahn zu laufen, dafür ist es anatomisch nicht gemacht und muss erst langsam umgeformt werden, damit es sich auch auf der Kreisbahn korrekt tragen kann.
Die meisten Pferde fallen anfangs über die innere Schulter in den Kreis, belasten dabei vermehrt das innere Vorderbein, während die Hinterhand versucht, das Ungleichgewicht durch Abdriften nach außen aufzufangen. Deshalb macht es also durchaus Sinn, sich vor dem Longieren nicht nur mit der Biomechanik des Pferdes auseinanderzusetzen, sondern auch, sich das Longieren von einem Könner zum Beispiel auf einem Wochenendlehrgang zeigen zu lassen.

Die Hilfsmittel
Für korrektes Longieren lohnt es sich, in einen passenden, hochwertigen Kappzaum zu investieren, der dem Pferd angenehm ist. Kappzäume gibt es in vielen verschiedenen Ausführungen von leicht bis schwer, gepolstert oder auch mit recht scharfem Nasenteil. Hier lohnt es, sich von Fachanbietern oder Trainern beraten zu lassen, denn nur ein gut sitzender, dem Pferd angenehmer Kappzaum unterstützt die Longenarbeit zielführend.
Weitere Hilfsmittel sind eine Longierpeitsche, die gut in der Hand liegt und eine Longierpeitsche, am besten aus weichem, nicht zu schwerem Gurtmaterial.

Die Körpersprache
Die Körpersprache spielt beim Longieren eine große Rolle. So kann zum Beispiel die richtige Position des Longenführers vermeiden, dass das Pferd auf die innere Schulter fällt.
Grundsätzlich bilden die gedachten Linien zwischen Kopf des Pferdes und Longenführer (durch die Longe verbunden), Longenführer und Hinterhand (die in gerader Linie zum Pferd gehaltene Longierpeitsche) und das Pferd in seiner ganzen Länge ein Dreieck. Die Peitsche als solche soll das Pferd ebenso wie die Longe einrahmen. Innerhalb dieses Dreiecks kommt es dann zu Verschiebungen:
• Steht der Longenführer auf Höhe der Kruppe des Pferdes, wirkt dies treibend,
• in der neutralen Position, etwa auf Höhe der Schulter, sollte das Pferd das Tempo halten. In dieser Position hat der Longenführer übrigens auch Einfluss darauf, ob das Pferd nach innen fällt oder nicht.
• Positioniert sich der Longenführer auf Höhe des Kopfes, heißt es fürs Pferd, langsamer zu werden oder anzuhalten.
Nicht nur die Position, sondern auch die Körperspannung spielt eine entscheidende Rolle, ob der Longenführer das Pferd erfolgreich longiert oder eben nur im Kreis laufen lässt.

Der Boden
Da beim Longieren andere Kräfte wirken als beim Reiten, sind ein Longierplatz und/oder eine Longierhalle eine feine Sache.
Das Pferd läuft beim Longieren meist in gleichbleibender Zirkelposition, deshalb sollte der Boden eine erhöhte Scherfestigkeit besitzen, damit nicht binnen einiger Runden eine Laufspur entsteht. Zudem sollte der Boden leicht federnd sowie natürlich rutschfest sein und gelenk- sowie sehnenschonende Eigenschaften besitzen, um das Pferd auch wirklich gesunderhaltend arbeiten zu können.
Übrigens: Die Pflege eines Longierzirkels ist ebenso wichtig wie die Pflege eines anderen Trainingsbodens. Regelmäßiges, am besten unmittelbares Abäppeln gehört zur täglichen Pflicht. Um die Tritt- und Scherfestigkeit langfristig sicherzustellen, wird der Longierzirkel ebenfalls regelmäßig abgezogen und für eine gleichmäßige Bewässerung gesorgt, ohne dass sich im Hufschlag Pfützen bilden.

Text: Friederike Fritz, Foto: Angelika Schmelzer