Vier Augen sehen mehr als zwei

Zuchtrichteranwärter im Härtetest

Bereits zwei Wochenenden verbrachten die DQHA-Zuchtrichteranwärter auf Gestüt Taubenhof, wo sie unter den fachkundigen und strengen Augen ihrer Ausbilderinnen auf ihre wichtige Aufgabe vorbereitet wurden. Nach weiteren Hospitationen und einer abschließenden Prüfung werden sie AQHs im Rahmen von DQHA-Zuchtschauen und Hofterminen linear beschreiben können und dafür sorgen, dass langfristige Zuchtwertschätzung und stete Optimierung der Zucht möglich sind. Vom 20. bis 21. Juli trafen sie sich zum dritten Modul ihrer Ausbildung erneut auf Gestüt Taubenhof.

Gleich am Morgen des Samstags starteten die Zuchtrichteranwärter mit der Praxis, sprich mit der Beschreibung mehrerer Pferde. „Machen, machen, machen, das schult einfach den Blick“, so DQHA-Zuchtrichterin Nina Obermüller, die die Zuchtrichterausbildung zusammen mit DQHA-Zuchtleiterin Ronja Hagedorn an diesem Wochenende als Referentin durchführte. Jeder Teilnehmer musste dabei allein für sich ein Pferd beschreiben, inklusive Pflasterprobe, Maße nehmen, Vorstellung auf der Dreiecksbahn, Beschreibung im Stand und in der Bewegung. „Der Ablauf war identisch mit dem einer Zuchtschau“, beschreibt Nina das Vorgehen. „Uns war wichtig, dass für die Teilnehmer die Nutzung des Tablets immer selbstverständlicher wird und sie genau wissen, wie was wo einzutragen ist.“ Daher achteten die Ausbilderinnen darauf, dass jeder Anwärter mit dem Tablet arbeitete.
Am Ende des Procederes versuchten sich alle Teilnehmer in einer Kommentierung, die ein wichtiger Teil der zukünftigen
Arbeit als DQHA-Zuchtrichter ist. Der DQHA-Zuchtleitung und den Richtern ist es ein Anliegen, dass Züchter und Eigentümer der vorgestellten Pferde die Lineare Beschreibung ihres Pferdes nachvollziehen können. Feedback zur Kommentierung gab es dementsprechend nicht nur von den Lehrgangsleiterinnen, sondern auch vom Vorsteller des jeweiligen Pferdes.

Dreh- und Angelpunkt Zuchtwertschätzung
Nachmittags ging es dann weiter mit der Theorie: Diesmal standen die Zuchtwertschätzung und ihre Bedeutung für die Rasse auf dem Programm. Wie hängen Lineare Beschreibung und Zuchtwertschätzung zusammen? Das war die Frage, die alle an diesem Nachmittag beschäftigte. „Über die Sammlung der Daten aus der Linearen Beschreibung können dann über die Zuchtlinien, Elterntiere, Geschwister und weitläufigeren Verwandten irgendwann bei entsprechender Datenlage Rückschlüsse über den Zuchtwert einzelner Pferde ziehen,“ erklärt Nina Obermüller.
Danach wurde erneut ein Pferd beschrieben, diesmal unter Berücksichtigung des Zeitmanagements, denn Zeitdruck besteht bei einer richtigen Zuchtschau durchaus. Natürlich wurden dann die Ergebnisse jedes Merkmals abgeglichen – auch mit der Beschreibung der Lehrgangsleitung. „Wichtig war uns auch, formell einheitliche Beschreibungen zu erwirken, die dann stets und Schauübergreifend vergleichbar sind,“ so die erfahrene Zuchtrichterin.

Vier Augen sehen mehr als zwei
Am Sonntag wurden erneut Pferde beschrieben, diesmal in Zweierteams wie auch auf der Zuchtschau. „Es macht durchaus Sinn, wenn zwei Zuchtrichter zusammen richten, denn vier Augen sehen mehr als zwei und das kann sich durchaus positiv auf die Beschreibung des Pferdes auswirken,“ erklärt Nina Obermüller aus ihrer Erfahrung. Danach kommentierten die Teams ihre Ergebnisse, wobei auch hier ein enormer Fortschritt bzw. Lerneffekt zu beobachten war.
„Eines der Pferde war durchaus etwas tricky,“ gibt Nina zu. „Mir ist wichtig, dass man immer wieder die anatomischen und biomechanischen Zusammenhänge anschaut und erkennt: Wie macht das Pferd das? Wie kompensiert es bestimmte Mängel? Und das geht nur durch Anschauen, Anschauen und nochmal Anschauen – bzw. Hinschauen. Was sehe ich in der Bewegung, ist das, was ich sehe, schlüssig mit dem zuvor angeschauten Rahmen und Gebäude?“ Dies schlüssig zu kommentieren und den Leitsatz „Form to Function“ bildlich erläutern zu können sollte die Stärke der Zuchtrichter sein.
Das letzte Pferd bzw. dessen Beschreibungen zeigten dann zur Freude der Ausbilder kaum noch Abweichungen. Als Fazit betont Nina Obermüller, dass sie mit dem Wochen-ende und der Entwicklung der Zuchtrichteranwärter sehr zufrieden ist. „Nun heißt es, während der Hospitationen so viele Pferde wie möglich anzuschauen, um das in Theorie und Praxis Gelernte weiter zu vertiefen und zu verinnerlichen,“ sagt sie und ist zuversichtlich, dass die Anwärter, die bis dahin alle Voraussetzungen erfüllen, Anfang Dezember in die Prüfung gehen können.
„Ein ganz herzlicher Dank geht an dieser Stelle auch an die Quarter Horse-Besitzer des Taubenhofs, die uns durch die zur Verfügungstellung ihrer Pferde tatkräftig unterstützt haben!“, so Nina Obermüller abschließend.

Text: Friederike Fritz; Fotos: Nina Obermüller