Der passende Sattel für Pferd UND Reiter!
Das Glück der Erde…
Es ist soweit. Der vorhandene Sattel passt nicht mehr oder ist nicht mehr geeignet, zur anstehenden (Turnier-)Saison einen vernünftigen Eindruck zu hinterlassen. Pünktlich zum einziehenden Frühling soll ein neuer her. Doch worauf sollte man achten und welche Punkte sind wichtig? Es gibt einige Punkte zu beachten, damit Reiter und Pferd gleichermaßen glücklich werden mit dem neuen Prunkstück.
Betrachten wir uns die Sache einmal näher, ist schnell klar: Es gibt gleich zwei Beteiligte, denen der Sattel passen muss. Reiter und Pferd.
Der Reiter…
… ist lange Zeit in ein und demselben Sattel geritten. Dieser ist entweder perfekt gewesen und passt nun nicht mehr dem Pferd oder ist so in die Jahre gekommen, dass ein neuer her muss. In diesem Fall kann man dem besattelnden Fachmann den alten Sattel zeigen oder beschreiben, so dass das neue Modell sich in wesentlichen Punkten vom wohlverdienten kaum unterscheidet. In der Regel ist es möglich, den Sitz zu bestimmen, in dem man sich bislang wohl gefühlt hat.
Manchmal verändert sich aber auch die Figur oder der Reitstil, man entwickelt sich weiter und empfindet den bisherigen Sitz nicht mehr als optimal. Kommt man mit dem alten Sitz nicht mehr zurecht, ist es sinnvoll, verschiedene Sättel Probe zu reiten, um herauszufinden, welche Sitzposition man als angenehm empfindet bzw. in welcher man sich überhaupt nicht wohl fühlt. Dies kann man während einer Anprobe machen oder, falls sich diese Möglichkeit bietet, einmal bei Reiter-Kollegen fragen, ob man mal auf deren Sätteln probesitzen bzw. -reiten darf.
Was ist am Markt?
Der Markt bietet eine Vielzahl an Sitzen an, oft mit ganz besonderen Bezeichnungen, etwa „Close-Contact“, „Horsemanship-Seat“, „Equitation-Seat“ oder „Ladies-Seat“. Hier sollte man jedoch schlicht und ergreifend ganz objektiv und pragmatisch vorgehen und sich nicht von den tollen Namen irritieren lassen. Der Sitz, der sich am besten anfühlt, ist meist der richtige. Oft haben Kunden einen ganz bestimmten Sitzwunsch und beim Probereiten stellt sich dann im Vergleich heraus, dass sie sich unter dem wohlklingenden Namen etwas ganz anderes vorgestellt hatten.
Ebenfalls ist es kein Geheimnis, dass Breite und Aufhängung der Fender ebenfalls eine Rolle spielen. Bei Markensätteln, die meist an feste Schnittmuster gebunden sind, gibt es oft drei verschiedene Fenderlängen. Auch die Fenderbreite spielt je nach Figur des Reiters eine Rolle und sollte Beachtung finden. Eine Reiterin mit einer Körpergröße von knapp über 1,80m und einer schlanken Figur wird demzufolge vielleicht mit einem Maßsattel besser bedient sein, denn sie benötigt lange Fender, die bei einem Markensattel je nach Modell nicht unbedingt gegeben sind.
Diese bekommt unsere Kundin dann jedoch kaum bewegt. Ähnliches gilt für Reiter/-innen, die recht klein sind und ein paar Kilo mehr auf die Waage bringen: Hier werden die kurzen, schmalen Fender oft vom Reiterbein völlig verdeckt. Speziell auf Turnieren wirkt das sehr unvorteilhaft und kann optisch zu einem unruhigen Bein führen.
Mittlerweile ist das Angebot an Sätteln sowohl „von der Stange“ als auch im Maßbereich so groß, dass sich final der passende Sattel – sowohl objektiv vermessen als auch individuell „erfühlt“ – für jeden Reiter finden lässt.
Schauen wir uns nun die Unterseite des Sattels an, bzw. worauf man hier achten muss, um auch den vierbeinigen Partner auf der anderen Seite glücklich zu machen.
Das Pferd…
… ist bislang ebenfalls mit dem vorhandenen Sattel gelaufen, der im Idealfall gepasst hat. Sollte der Wunsch nach einem neuen Sattel entstanden sein, weil der alte nicht mehr passt, sollte man sich folgende Fragen stellen:
1. Wie massiv ist das Passformproblem?
• Passformungenauigkeit: Beginn eines unregelmäßigen Schwitzbildes
• Passformproblem: Sattel liegt im Bereich Widerrist oder Lendenwirbelsäule auf oder stellt sich beim Gurten hinten auf
• Für das Pferd bereits schmerzhaftes Passformproblem: eines der oben genannten Probleme mit deutlichem Abwehrverhalten des Pferdes beim Auflegen oder Gurten
2. Seit wann besteht das Passformproblem?
Die oben genannten Aufzählungen dienen nur als Beispiel, es gibt natürlich noch viele andere Passformprobleme.
Abhängig von der Intensität der Passformproblematik ist relevant, ob das Pferd unter dem vorherigen Sattel schon gelitten hat. Hier sind mehr die physischen Leiden als die psychischen gemeint. Ein nicht passender Sattel, ob zu weit oder zu schmal, zu viel Schwung oder Druck auf die Wirbelsäule, verleitet den Körper dazu, kompensatorisch eine Schonhaltung einzunehmen.
Schonhaltungen sind Hilferufe!
Diese Schonhaltung ist keine Kleinigkeit, sondern der Versuch des Körpers, trotz der langfristig schädigenden Einwirkung möglichst lange schadfrei über die Runden zu kommen. Die einzige Methode, die dem Pferd hier zur Verfügung steht, ist die Muskulatur. Beispiel: Ein Pferd, welches mit einem Sattel mit zu viel Schwung geritten wird, drückt den Rücken in Richtung Boden (Senkrückenartig). Der Muskel, welcher diesen Druck direkt erfährt, ist der lange Rückenmuskel. Er spannt dann reflektorisch an und zieht den Rücken erst recht zu Boden. Weitere Muskeln der Hinterhand adaptieren diese Fehlbelastung und ziehen die Hinterbeine in Streckung. Die Folge: Das Pferd kann nicht mehr untertreten, agiert eher in Schubentwicklung und weniger in Tragkraft, der Hals ist eher hoch aufgerichtet und die Vorhand tendiert zu hohen, kurzen Tritten. Im Galopp rennen die Pferde eher weg und das Rückwärtsrichten wird häufig ganz verweigert.
Es ist gleichgültig, wie das Pferd unter bzw. wegen einem Passformproblem reagiert, Tatsache ist: Es bewegt sich nun anders als zuvor. Je länger es in dieser falschen Haltung geritten wird, desto mehr verändert sich das Pferd körperlich.
Erst einmal durchchecken
Daher ist vor allem in diesem Fall der erste Schritt vor der Besattlung, den Osteopathen kommen zu lassen. Es versteht sich von selbst, dass der alte Sattel nach der Behandlung nicht mehr auf das Pferd kommt. Nun muss man mit dem Sattler zusammen abwägen, wie man in Sachen neuer Sattel am besten vorgeht. Die Muskulatur lässt zwar nach einer osteopathischen Behandlung sofort wieder los, jedoch kann der Osteopath die „falsch“ trainierte Muskulatur nicht im Handumdrehen wieder umtrainieren. Daher wird der neue Sattel unter Umständen auch nicht lange passen. Hier hilft der Fachmann vor Ort, da jeder Fall individuell ist.
Zeitfaktor beachten
Ein weiterer Punkt ist der Zeitpunkt der Besattlung. Habe ich mein Pferd die letzten Wochen wegen der wohlverdienten Winterpause nur wenig geritten und bestelle zu Beginn des Trainings den Sattler, so wird die Passgenauigkeit ebenso von kurzer Dauer sein wie die des Freizeitpferdes, welches in den Wintermonaten kaum bis gar nicht geritten wird und im Sommer jedes zweite Wochenende auf einem Wanderritt unterwegs ist. Ebenso verhält es sich mit der Spitze des Trainingszyklus. So oder so, in jedem Fall sollte man sich der Problematik des jeweiligen Zeitpunktes bewusst sein und dem Sattler ehrlich über die Nutzung des Pferdes Auskunft geben. Was dann im Einzelnen getan werden kann, sollte mit dem Fachmann persönlich besprochen werden. Die Bandbreite reicht hier von verstellbaren Sätteln über Leihsättel, bis das Pferd wieder trainiert ist, bis hin zu speziellen Pads, die trainingsbedingte Passformschwankungen vorübergehend ausgleichen können.
Passformparameter Sattelgurt
Wer glaubt, ein Sattelgurt sei nur dazu da, den Sattel inklusive Pad ordentlich auf dem Pferderücken zu befestigen, der irrt. Auch der Gurt verhilft dem System „Sattel“ zu optimaler Passform, wenn er klug und mit Blick auf die anatomischen Eigenschaften des jeweiligen Pferdes gewählt wird.
Ein guter Sattelgurt – ob aus Hightech-Material oder traditionell aus Mohair – zielt darauf ab, das Pferd entsprechend moderner anatomischer und biomechanischer Erkenntnisse vor allem im Bereich des Brustbeines oder der Ellenbogen zu entlasten und so Verspannungen, Blockaden und Hautirritationen vorzubeugen. „Ein“ Sattelgurt war gestern, heute gilt es, den zum individuellen Pferd passenden Gurt zu finden. Bei der Suche spielt vor allem der Körperbau eine übergeordnete Rolle.
Ein guter Gurt passt natürlich zuallererst in der Länge und gibt dem Pferd im Bereich der Ellbogen ausreichend Raum, so dass keine Scheuerstellen entstehen können. Je nach Rumpflänge und –form sowie Stellung der Ellbogengelenke sollte der Gurt so ausgeformt sein, dass er auch in der Bewegung nicht von der eigentlichen, gewünschten Gurtlage nach vorne rutscht und damit viel zu nahe am Ellbogen anliegt mit der Folge, dass er das Pferd in der Bewegung behindert.
Anatomisch geformte oder „Mond“-Gurte sind aus dem heutigen Angebot gar nicht mehr wegzudenken. Für sie gilt jedoch, dass sie – am besten vom Fachmann – vermessen werden müssen, denn die Ausformung muss immer zum entsprechenden Pferd passen.
Die altbewährten – und damit sind nicht die Billigprodukte gemeint – Schnurengurte aus Mohair und Alpaka wurden nicht umsonst über Jahrhunderte erfolgreich genutzt. Die Vorteile hochwertiger Schnurengurte liegen auf der Hand: Sie sind nicht zu dick, behindern das Pferd also im Bereich der Ellbogen nicht, und die vielen einzelnen Schnure passen sich gut der Anatomie des Pferdes im Rumpfbereich an. Zudem gilt für die Schnurengurte, dass sie kantenlos verarbeitet sind (wo keine Kante/Naht ist, kann nichts scheuern) und das Naturmaterial von den meisten Pferden hervorragend vertragen wird.
Text: Biggi Küpper, Equine Diplomed Osteopath EDO® FF, Foto: A. Krappweis