Stables for Stallions

Pferdegerechte Hengsthaltung

Die Haltung von Hengsten stellt eine echte Herausforderung dar: Einerseits muss die Sicherheit für alle in einem Pferdebetrieb lebenden Tiere garantiert sein, andererseits soll und muss ein pferdegerechtes Leben auch mit der Möglichkeit zu Sozialkontakten sichergestellt werden. Welche Haltungsalternativen bieten sich für Hengste an und worauf ist dabei zu achten?

Hengste benötigen ebenso Sozialkontakte wie Stuten und Wallache. Das bestätigt eine Übersichtsstudie, die auf 172 wissenschaftlichen Arbeiten basiert und 2023 in der Fachzeitschrift Animals veröffentlicht wurde. In ihrer Arbeit ging es Aleksandra Górecka-Bruzda, Joanna Jaworska und Christina R. Stanley vor allem darum, die sozialen Herausforderungen aufzuzeigen, mit denen freilebende Hengste konfrontiert sind und die sich daraus ergebenden sozialen Bedürfnisse. Die Autorinnen hoffen, dass ihre aus dem Leben wilder Hengste gewonnenen Erkenntnisse dazu führen, dass deren Bedürfnisse auch in der modernen Haltung besser erfüllt werden.

Die Forscherinnen fanden heraus, dass auch ausgewachsene Hengste in der Natur beinahe immer in Gruppen leben. Hengste schließen sich zu Junggesellengruppen zusammen. Dieses Sozialleben stehe in starkem Kontrast zur Hengsthaltung, wie wir sie kennen. „In vielen Fällen leben Hengste ein einsames Leben in einer relativ kargen Umgebung und haben oft keinen direkten sozialen Kontakt zu anderen Pferden“, stellen die Wissenschaftlerinnen fest. Junghengste werden zwar in der Regel zusammen aufgezogen, erwachsenen Hengste aber leben meist sozial isoliert. Dies führe häufig zu Frustration, die abnormales Sexualverhalten, Stereotypien und Selbstaggression auslösen könne, so die Forschungsergebnisse. „Unsere Überprüfung gibt jedoch eine Grundlage, auf die man sich bei der Planung und Verwaltung von Hengstunterkünften beziehen kann. Nur, wenn wir das soziale Umfeld verstehen, in dem sich Hengste entwickelt haben, können wir hoffen, dies nach Möglichkeit in Gefangenschaft zu replizieren“, schlussfolgert das Wissenschafts-Trio. „Offensichtlich wäre die Weideaufzucht oder die Haltung eines Hengstes mit Stuten und Fohlen das ganze Jahr über die wünschenswerteste Methode, um die Bedürfnisse eines Hengstes zu befriedigen“. Wo dies nicht praktikabel sei, müsse sichergestellt werden, dass alternative Vorkehrungen getroffen werden, um die natürlichen Bedürfnisse der Hengste zu unterstützen. Die wichtigsten Verbesserungen konzentrieren sich auf das Sozialleben und den Bewegungsbedarf. Dabei kann es sich um die Gruppenhaltung von Hengsten handeln oder zumindest um direkten Kontakt zwischen Hengsten, zum Beispiel durch sogenannte Sozialboxen. „Da Weidegang und ständige Fortbewegung im Freien die vorherrschenden Aktivitäten im Zeitbudget des Pferdes sind, ist der Zugang zu umweltgerechten Auslaufflächen und Weiden unerlässlich“, lautet eine weitere Forderung der Forscherinnen.

Hengste in Gruppenhaltung

Die Ideallösung einer gemeinsamen Aufzucht von Junghengsten im Familienverband bis zu einem Alter von zwei Jahren ist wegen der früheren Geschlechtsreife der meisten Zuchtrassen in der Regel nicht durchführbar. Auch dass immer nur ein geschlechtsreifer Hengst in einer Stuten-Fohlen-Gruppe gehalten wird, ist nur in wenigen Fällen praktikabel, etwa bei einer Privatzucht mit eigenem Deckhengst und einem festen Stutenstamm.

Realistischer ist da schon die zumindest zeitweise Gruppenhaltung von Hengsten, wenn keine Stuten anwesend sind. Das Schweizer Nationalgestüt (SNG) Agroscope in Avenches hält seit 2009 jeweils nach Abschluss der Decksaison erfolgreich eine Gruppe von ungefähr acht Zuchthengsten sechs Monate lang auf einer vier Hektar großen Weide mit Witterungsunterständen. Die so gehaltenen Hengste zeigen weitaus mehr Ritualverhalten als aggressive Interaktionen. Zudem nehme bereits drei bis fünf Tage nach Zusammenstellen der Gruppe die Häufigkeit dieser Verhaltensweisen rapide ab. Die Hierarchie unter den Zuchthengsten sei nach zwei bis drei Monaten stabil. Aufgrund der inzwischen mehrjährigen praktischen Erfahrungen beurteilt das SNG die Gruppenhaltung von Hengsten als gut möglich, sofern spezifische Voraussetzungen erfüllt sind: Die Weide muss ausreichend groß sein, die Hengste müssen von Stuten fern gehalten werden, die Einfriedung soll sicher sein und die Eisen sollten abgenommen werden. Nicht zuletzt brauche es gute Fachkenntnisse. Auch die Gruppenhaltung von Hengst und Wallach(en) ist unter diesen Bedingungen denkbar.

Mehr Körperkontakt durch Sozialboxen

Die Mehrzahl der adulten Hengste wird aber immer noch in Einzelboxen gehalten. Stehen die Hengste nebeneinander, erlauben die praxisüblichen Pferdeboxen mit eng angebrachten Gitterstäben im oberen Bereich der Boxentrennwände zwar Schnupperkontakt, verhindern aber weitergehende soziale Interaktionen. Speziell angefertigte Boxentrennwände bestehen zur Hälfte aus einer geschlossenen Bretterwand und zur anderen Hälfte aus vertikal angeordneten Rohren, die bis zum Boden reichen. Die Rohrabstände müssen grundsätzlich auf die Größe der benachbarten Pferde angepasst sein, so dass Kopf- und Halsbereich gut hindurchpassen, sie aber schmal genug sind, damit der Brust- und Schulterbereich nicht durchgedrückt werden kann. Die vergrößerten Rohrabstände von etwa 30 Zentimetern ermöglichen den Pferden, ihre Köpfe relativ weit in die Nachbarbox zu strecken und mit dem Nachbarpferd zu interagieren, sei es, um zu spielen, einander zu imponieren, gemeinsam Stroh zu knabbern oder zu dösen. Der geschlossene Teil der Trennwand erlaubt den Pferden, sich zurückzuziehen. Bei der Verwendung von Sozialboxen ist darauf zu achten, dass keine ständigen Nachbarwechsel stattfinden und die benachbarten Pferde sich gut verstehen. Hier kommt als Nachbarpferd auch ein verträglicher Wallach infrage.

Positive Erfahrungen mit der sogenannten Sozialbox hat das Agroscope in Avenches im Rahmen einer Studie gemacht. „Mit dem nachgewiesenen, deutlich verlängerten und hauptsächlich freundschaftlichen Sozialverhalten stellt die Sozialbox eine erhebliche Bereicherung innerhalb der recht eintönigen Umwelt eines Pferdes in Einzelboxenhaltung dar. Die Zuchthengste erwiesen sich als fähig, vermehrt und enger miteinander zu agieren, ohne dass es zu potentiell gefährlichen Auseinandersetzungen kam. Ihr Sozialverhalten glich sich somit dem typischen Normalverhalten von in Junggesellengruppen lebenden Hengsten an, obwohl die Hengste weiterhin einzeln aufgestallt waren“, heißt es im Jahresbericht von 2015. Verbesserungspotential sieht das Agroscope allerdings bei der technischen Ausführung. 

Einzeln, aber nicht allein

Um einen ständigen Zugang zu Auslaufflächen und Weiden zu gewährleisten, bietet sich der sogenannte Hengststern als Stallform an, angelehnt an das Vorbild für die Haltung von Deckhengsten im 19. Jahrhundert in England und Ostpreußen. Er besteht aus einem mittig angeordneten Gebäude, von dem aus sich möglichst großzügige Einzelausläufe sternförmig anschließen. Daran angrenzende Einzelweiden erhöhen den Bewegungsraum und ermöglichen Freilauf in einer naturnahen Umgebung. Ausläufe und Weiden sind durch einen mehrere Meter breiten Zwischenraum voneinander getrennt, wobei die Einfriedung stabil sein und über eine ausreichende Höhe (min. 0,9 x Widerristhöhe) verfügen muss. Im Gebäude sind entsprechend der Anzahl der Hengste Boxen eingerichtet, deren Trennwände im Idealfall aus Sozialgittern (mindestens zu einem Nachbarpferd) bestehen. Auf diese Weise besteht im Außenbereich stets Sicht- und Hörkontakt, während die wichtigen Sozialkontakte im Stallinneren stattfinden können. 

Für einen wenigstens stundenweisen Weidegang mit räumlicher Trennung eignet sich ein spezielles Rotationsverfahren, bei dem jedem Hengst zwei Weidestreifen zur Verfügung stehen. Diese Weideparzellen werden mittels Weidetor immer so geöffnet, dass zwischen jedem Hengst immer ein Trennungsbereich liegt. So wird ein direkter Körperkontakt zwischen den Pferden über nur einen Zaun verhindert, aber dennoch freie visuelle Sicht ermöglicht. Hecken, Wälzplätze, Raufutterraufen und andere Einrichtungen dienen als Laufanreize und bieten Abwechslung. Verbleiben die Hengste ganztägig auf den Weiden, brauchen sie jeweils einen eigenen Unterstand. Damit sich die Pferde auch beim Ruhen im Unterstand sehen können, sollten Windschutznetze anstatt der holzverschalten Wände bzw. Planen an den beiden Längsseiten angeordnet werden. Für den Winterbetrieb könnte die an den Unterständen angrenzende Teilfläche auch als Sandauslauf angelegt werden, die aber unbedingt galoppierfähig (min. 20 m breit und 10 m lang) sein sollte.

Text: Birgit van Damsen, Foto: Heike Klar