„Hawaiians Take Cheyenne!“

Die legendären Cowboys von Hawaii

„Hawaiians Take Cheyenne!“ – Ikua Purdy, Jack Low und Archie Ka’au’a, drei junge Kuhhirten aus Hawaii, stellten im August 1908 den Wilden Westen auf den Kopf. Beim „Daddy of ’Em All“, dem legendären Rodeo anlässlich der Cheyenne Frontier Days, zeigten sie den Festlandskollegen und den staunenden Zuschauern in der „Holy City of the Cow“, wie schnell und geschickt die „ausländischen Insulaner“ Kälber einfangen und Pferde reiten können.

Hawaii – da denkt man an Sonne und Strand, Meer und Surfer, Ukulele und Blütenkränze, tropische Wälder und Vulkanberge. Hawaiianische Cowboys kommen einem eher nicht in den Sinn, wenn man auf einer der Inseln des 50. US-Bundesstaats unterwegs ist. Oahu kennt man als Surferparadies und wegen der Hauptstadt Honolulu mit dem legendären Strand Waikiki. Die nördlich davon gelegene Insel Kauai gilt als Garteninsel und tropisches Paradies. Im Süden liegen die vier anderen dauerhaft bewohnten der insgesamt 137 Inseln der hawaiianischen Inselkette: die wenig überlaufenen Molokai und Lanai, das bei Hochzeitern beliebte Maui und schließlich Hawaii, besser bekannt als Big Island – das Epizentrum der hawaiianischen Cowboykultur!

Erstaunlicherweise reichen die Wurzeln der Cowboy-Kultur auf Hawaii weiter zurück als diejenigen im Wilden Westen Nordamerikas. Dort hatte man erst etliche Jahrzehnte später, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Rinderzucht begonnen. Dennoch wurde der Cowboy auf dem Festland schnell zum Mythos, was auch durch die Wild-West-Shows eines Buffalo Bill Cody und frühe Romane forciert wurde.

Kein Wunder, dass die grandiosen Auftritte der drei hawaiianischen Paniolo, wie man Cowboys auf Hawaii nennt, im Westen Nordamerikas gehörig für Aufsehen sorgten. Purdy holte sich den Titel des „Steer Roping World Champion“ und sogar Präsident Theodore „Teddy“ Roosevelt, vormals selbst Cowboy und Rancher in North Dakota, war voll des Lobes.

Der höchste Berg der Welt

Angesichts der fast ganzjährig tropischen Temperaturen freut man sich am Strand – Waikui Beach – im Nordwesten von Big Island, einen Schattenplatz ergattert zu haben und sich in den türkisblauen Fluten des Pazifiks abkühlen zu dürfen. Kaum 20 Fahrtminuten oder 15 km entfernt, in Waimea, im Hinterland, wird es dann plötzlich kühl. Hier auf rund 1.200 m Höhe, zu Füßen des Vulkanberges Mauna Kea, herrschen ganz andere klimatische Gegebenheiten. „Schneeberg“ nennen ihn die Hawaiianer ehrfurchtsvoll, und in der Tat bedeckt eine Schneekappe fast ganzjährig seine Spitze. Mit 4.200 m Höhe ist der Mauna Kea der höchste Berg Hawaiis und misst man bis hinunter zum Meeresboden, wäre er mit über 10.200 m sogar der höchste Berg der Welt! 

Das Kleinstädtchen Waimea, ein Aussteiger- und Künstleridyll, wird eingefasst von schier endlosen Weideflächen auf dem Hochplateau und erinnert tatsächlich ein wenig an den Westen Nordamerikas. Die schwarzen Punkte auf den sattgrünen, fast irreal wirkenden Wiesen entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Rinder. Mitten im Ort stößt man zudem auf einen alten Bekannten: den legendären Cowboy Ikua Purdy in Gestalt einer Bronzestatue.

Vom spanischen Kuhhirten zum hawaiianischen Paniolo

Cowboys auf Hawaii heißen „Paniolo“, wobei sich der Namen vom spanischen Wort „española“ ableiten soll. Was wiederum mitten hineinführt in die lange Geschichte der hawaiianischen Kuhhirten. Die ersten waren tatsächlich spanisch sprechende Vaqueros, die 1832 in Kalifornien, das damals noch Teil von Mexiko war, angeworben worden waren. Doch wozu Cowboys auf Hawaii? In Waimea gibt es gleich drei Orte, die darüber Auskunft geben: die historische Parker Ranch, das kleine Museum in den Pukalani Stables und die 32 Wandbilder der lokalen Künstlerin Marcia Ray im Fireside Food Court im Parker Ranch Center, einem Einkaufszentrum.

Den Anfang machte der Brite Captain George Vancouver. Als er 1793 an der Westküste Hawaiis anlegte, schenkte er dem ersten hawaiianischen König Kamehameha I. vier Stiere und acht Kühe. Nicht ganz ohne Hintergedanken, denn die „Sandwich Islands“, so nannte man die Inselkette von Hawaii damals, dienten nicht nur den Briten als Versorgungs-station auf ihren Pazifiküberquerungen. Mittels Rinderzucht hätte man die Fleischversorgung für die Schiffe gesichert – und gut daran verdient. Pech war jedoch, dass König Kamehameha I. (regierend von 1795 bis 1819), die Tiere mit einem „kapu“ belegte und sie damit unter königlichen Schutz stellte.

Den Rindern gefielen die tropischen Wälder, die satten Wiesen und das reichlich vorhandene Wasser im Hinterland der Vulkaninsel. Wenige Jahrzehnte später sollen sich an die 25.000 wilde Rinder auf der Insel getummelt – und zur Plage entwickelt – haben. Die Gärten und Felder der Insulaner waren wie diese selbst nicht mehr vor den Rindern sicher.

Geburtsstunde der Paniolo

Für Abhilfe, für den Beginn einer kontrollierten Rinderzucht und das Aufkommen einer Cowboy-Kultur auf Hawaii sorgte dann ein gewisser John Palmer Parker (1790–1868). In Massachusetts geboren, war er als junger Seemann 1809 auf Hawaii gestrandet, wurde zum Vertrauten des Königs und heiratete 1816 in die königliche Familie ein. 

Parker erhielt die Erlaubnis, wilde Rinder zu schießen und das gepökelte Fleisch zu verkaufen. Er erwarb Land und erbaute die Ranch Mana Hale, die man heute noch besichtigen kann. Bis die Rinderzucht jedoch richtig anlief, sollte es noch dauern. Erst Kamehameha III. verpflichtete 1832 drei kalifornische Vaqueros, die den Einheimischen die Kunst des Viehhütens beibringen sollten.

Dies war die Geburtsstunde der Paniolo. Bis 1861 kaufte Parker mehr und mehr Land im Nordwesten Hawaiis, am Nordhang des Mauna Kea. Seine Ranch entwickelte sich zur größten Nordamerikas und zählt noch immer zu den größten und ältesten in den USA. Heute von einer Stiftung betreut, geht es dort nicht mehr ausschließlich um Rinderzucht. Man setzt sich für alternative Energien ein und unterstützt kulturelle Einrichtungen in der Region und auf der ganzen Insel, vor allem aber hat sich die Parker Ranch einen Namen in der Pferdezucht gemacht. Es handelt sich vor allem um AQHA Registered Quarter Horses. Etwa 125 leben ganzjährig auf der Ranch, wobei der Zuchtschwerpunkt auf „good temperament, cow sense and ranch usability“ liegt.

1803 hatte König Kamehameha I. ein Pferd geschenkt bekommen und war so vom Reiten angetan, dass er gleich mehrere per Schiff aus den USA kommen ließ. Wenig später schon fing man auf den ersten Ranches an, Pferde zu züchten, die für die spezifischen klimatischen Bedingungen und die Lavalandschaft der Insel geeignet waren.

Blumen und Hawaiihemden

Obwohl Reminiszenzen an die mexikanischen Vaqueros unverkennbar sind, sind die hawaiianischen Cowboys stolz auf ihre eigenen kulturellen Wurzeln. Die Einflüsse der polynesischen Kultur treten vielleicht am deutlichsten in der Kleidung zu Tage: Sie ist farbenfroher als anderswo. Cowboys auf Hawaii setzen auf Hemden in den typisch floralen Mustern und auf breitkrempige Hüte, die die Sonne besser abhalten. Häufig sind sie dazu mit Leis verziert und bestehen aus leichtem Material wie geflochtenen Pandanus-Blättern.

Zur Ausstattung gehört zudem ein langer Poncho, da in den höheren Lagen Regen keine Seltenheit ist. Hawaiianische Frauen präsentieren sich bei Paraden und Feierlichkeiten in bunten langen Röcke auf ihren ebenfalls farbenprächtig und aufwändig geschmückten Pferden. Nach den weiten Röcken nennt man sie „Pa’u Riders“.

Ungewöhnlich ist auch der hawaiianische Sattel, „Noho Lio“ genannt. Für den Sattelbaum wird Holz des nur lokal vorkommenden Neneleau-Baums (Rhus sandwicensis/eine Sumach-Art) oder des Monkeypods (Regenbaum, Samanea saman) verwendet. Aus dem leichten Holz wird ein relativ kleiner Sattelbaum geformt, der durch seine konkave Form auffällt. Er wird mit festem Rohleder überzogen und vernäht. Lederverzierungen kommen anders als bei üblichen Cowboy-Sätteln selten vor, dafür ist das Lederband zum Verzurren des Sattels breiter und wird „Aweawe“ genannt. Auch der Sattelknauf ist ausgeprägter, da ein Paniolo wegen der frei grasenden Rinder und der Bodenbeschaffenheit ein besonders langes Lasso oder genauer eine Reata, auch „Kaula Ho’ohei“ bzw. „Kaula ’ili“ bezeichnet, benutzt.

Kaffee, Rinder und Touristen

Hawaii ist Vulkanland. Gleich fünf bilden Big Island: Neben dem ruhenden Mauna Kea sind dies der erloschene Kohala im Nordwesten sowie die drei aktiven Hualalai, Mauna Loa – einer der größten aktiven Vulkanberge der Welt – sowie der Kilauea, der im Mai 2018 Teile der Insel im Südosten unter einem Lavastrom begrub. Im sehenswerten Hawai’i Volcanoes National Park im Süden von Big Island kann man die eindrucksvolle Vulkangeschichte der hawaiianischen Inselkette hautnah erleben.

Erkaltete Lavaströme prägen die Süd- und Westküste von Big Island. Malerisch schieben sie sich stellenweise bis ins Meer hinein. Die Berghänge stellen dagegen dank der herrschenden Feuchtigkeit ein einzigartiges Biotop mit seltener Flora und Fauna dar. An den Westabhängen, um den zentralen Ort Kona, hat sich eines der besten Kaffeeanbaugebiete der Welt etabliert. Der hier produzierte Kona Coffee wird weltweit hoch geschätzt und ist nicht eben billig.

Abseits der beliebten Badestrände an der Nordwestküste und der als Nationalparks unter Schutz gestellten historischen hawaiianischen Siedlungen und Königssitze im Westen wird es im Norden, im Kohala District, ruhiger und grüner. 

Hier herrscht noch heute die Rinder- und Pferdezucht vor. Zu den größeren Ranches gehört die bereits Ende des 19. Jahrhunderts gegründete Kahua Ranch.

Ausritte durch sechs Klimazonen

Allein wegen ihrer Lage an den Hängen des Kohala stellen die von dieser Working Cattle Ranch angebotenen Ausritte ein besonderes Erlebnis dar: Sechs Klimazonen quert man dabei, vom Regenwald auf über 1.000 m Höhe bis hinunter zum Pazifik. Zwischen 1.400 und 2.000 Mutterkühe leben auf den ausgedehnten Weiden und bilden die heute größte Rinderherde auf Hawaii. Außerdem gibt es eine große Schafherde und es wird Pferdezucht betrieben. Sie reicht zurück ins frühe 20. Jahrhundert, als die Ranch für die US Army Pferde mit Quarter Horse, Thoroughbred und Morgan-Blutlinien züchtete. Bekannt ist die Ranch auch für ihr holistisches Grasland-Management: Die Herden werden regelmäßig umgesetzt, damit sich die Gräser auf den Weiden erholen können.

Hawaiis wilder Osten

Ganz anders wiederum präsentiert sich die Ostküste von Big Island, die Hamakua Coast. Hier dominiert tropische Vegetation, einen guten Einblick erhält man im Hawaii Tropical Botanical Gardens nahe dem Hauptort Hilo. Atemberaubend sind die Wasserfälle im Akaka Falls State Park oder Wailuku River State Park.

Die kleine Ortschaft Honokaa liegt nur rund 20 km östlich von Waimea und war einst ein Zentrum der Paniolo. Daran erinnert eine Ausstellung im North Hawaiʻi Education and Research Center, einer Abteilung der University of Hawaiʻi at Hilo. 

Heute ist der Ort Heimat von Aus-steigern aller Art und dient als Ausgangspunkt zum Waipio Valley, einem der meistfotografierten Orte auf der Insel. Hilo, zentral an der Ostküste gelegen und schon um 1100 von Polynesiern gegründet, ist mit seinen über 43.000 Einwohnern der größte Ort auf der Insel und hat sich im historischen Stadtzentrum authentisch-hawaiianisches Flair erhalten. 

Auch in Hilo ist die Paniolo-Kultur noch präsent. Alljährlich finden sich im Februar die besten Paniolo Hawaiis ein um Kräfte und Geschicklichkeit zu messen. Drei Tage lang fühlt man sich während der Pana’ewa Rodeo Stampede wie im Wilden Westen – mit hawaiianischem Touch. Auch an anderen Orten – u. a. auf der Parker Ranch – finden Rodeos statt. 

Text: Dr. Margit Brinke, Dr. Peter Kränzle, Foto: HTA/KirkLeeAeder