Die moderne Zahnbehandlung

Ein Pflichttermin!

Ob Jungpferd, Turniercrack oder Pferdesenior – die Zahngesundheit spielt in jedem Alter unserer Westernpferde eine entscheidende Rolle. Dabei geht es nicht nur um die ordnungsgemäße Nahrungsaufnahme, sondern vielmehr auch darum, dass unser Vierbeiner unter dem Sattel zufrieden und leistungsfähig arbeiten kann. Die moderne Zahnbehandlung hat mit dem früheren „Haken abschleifen“ nur noch wenig gemein, sie betrachtet das Pferdegebiss ganzheitlich. Wie das funktioniert, beschreibt eine zufriedene Pferdebesitzerin. 

Heute steht Moonlights erste Zahnbehandlung an. Sie frisst wunderbar und auch beim Reiten ist mir eigentlich nichts Besonderes aufgefallen. Aber meine Trainerin wies mich darauf hin, dass eine jährliche Zahnkontrolle wichtig für die Gesunderhaltung des Pferdes ist und Moonlights gelegentliches Festmachen beim Reiten durchaus mit den Zähnen zusammenhängen kann.  

Frau Dr. Meier ist Tierärztin und Pferdedentalpraktikerin nach IGFP (siehe Info). Gemeinsam gehen wir zu Moonlights Box und sie begrüßt sie erst einmal, während sie mir allerlei Fragen stellt: Alter, Rasse, Vorgeschichte, Auffälligkeiten beim Fressen, Fütterung, Nutzung… Nachdem sie Moonlights Kopf abgetastet hat, verschwindet ihre Hand plötzlich komplett im Pferdemaul, was Moonlight verdutzt über sich ergehen lässt. Der Befund ist eindeutig: Es gibt einiges zu tun.  

Frau Dr. Meier bereitet ihren Arbeitsplatz vor der Box vor und legt diverse Instrumente zurecht: verschiedenartig geformte Handraspeln, Aufsätze für einen elektrischen Motor und ein sehr respekteinflößendes großes Metallgestell. „Das ist ein Maulgatter“, erklärt sie mir, „die Beißplatten werden auf den Schneidezähnen aufgesetzt und über die Hebel wird dann das Maul geöffnet, so dass man einen guten Blick in die Maulhöhle hat und ungefährdet bis zum letzten Zahn fühlen und arbeiten kann.“  

Dann wirft sie ein Seil über den Querbalken der Boxentür und befestigt daran eine Art Ring mit Riemen. „Damit hängen wir den Kopf auf, so ein sedierter Pferdekopf ist echt schwer“, lacht sie auf meinen fragenden Blick hin. „So ist das viel bequemer und ungefährlicher für alle Beteiligten.“ 

Vor der Sedierung, die für die Behandlung in der Regel notwendig ist, untersucht sie meine Stute. „Ich verschaffe mir einen Überblick über das Allgemeinbefinden, um zu überprüfen, ob ich sie heute sedieren kann. Ich möchte kein Pferd sedieren, das einen unentdeckten Infekt hat.“ 

Mein Pferd lässt die Spritze brav über sich ergehen und binnen Minuten merke ich eine Veränderung an ihr. Ein bisschen mulmig wird mir schon, als der Kopf immer tiefer sinkt, die Ohren anfangen, zur Seite zu hängen und die Hinterhand zu schwanken beginnt. „Das leichte Schwanken ist völlig normal“, beruhigt mich Frau Dr. Meier und macht sich konzentriert an die Arbeit. Mit einer großen Wasserspritze spült sie zuerst das Maul aus. „Es sind immer ein paar Futterreste in der Maulhöhle, teilweise kleben sie förmlich an den Zähnen. Wenn ich also Verfärbungen und Karies erkennen will, müssen die Zähne sauber sein.“ 

Dann wird der Kopf mit Hilfe der Halterung hochgehoben – und plötzlich grinst mich mein Pferd an. „Ein leichtes Smile“, konstatiert Frau Dr. Meier und deutet auf die Schneidezähne. „Die Kauflächen der Schneidezähne sollen eine gerade Linie bilden. Bewegt das Pferd beim Kauen seine Kiefer nicht mehr vollständig zur Seite, z. B. durch scharfe Kanten oder andere Einschränkungen im Backenzahnbereich, und nutzen sich die Schneidezähne allgemein zu wenig ab, so schleift sich das vorne oft in einer gebogenen Linie ein, ähnlich dem lachenden Smiley-Gesicht. Das korrigiere ich nachher wieder und kürze die Schneidezähne so, dass sie wieder zu den Backenzähnen passen.“  

Frau Dr. Maier lässt den Pferdekopf tiefer und nimmt eine lange Raspel in die Hand: „Bevor ich das Maulgatter anlege, raspele ich die schlimmsten Kanten an der Außenseite der oberen Backenzähne. Bei offenem Maulgatter werden nämlich die Backen an diese Kanten gezogen und das kann ganz schön fies sein.“  

Scharfe Kanten schmerzen

Dann fühlt sie bei nun geöffnetem Maulgatter mit ihrer Hand über alle Zähne und leuchtet mit einer starken Kopflampe ins Maul. Mit einem Spiegel werden die Kauflächen genauer untersucht, dann fasst die Dentalpraktikerin ihre Befunde für mich zusammen. „Keine Wolfszähne, aber scharfe Kanten, im Oberkiefer auf der Außenseite, also Richtung Backe, und im Unterkiefer auf der Innenseite der Zähne, also Richtung Zunge.  

Hier sieht man sogar die leichten Verletzungen in der Backe. Außerdem haben sich an beiden ersten oberen Backenzähnen Haken gebildet, wodurch der Unterkiefer nicht mehr frei zur Seite und auch nicht nach vorne bewegt werden kann. Das ist aber absolut notwendig für das Herantreten ans Gebiss. Die Trainerin hat das ganz richtig beobachtet“, erklärt sie mir. 

Keine 10-Minuten-Arbeit

Mit den verschiedenen elektrischen Aufsätzen und Handraspeln werden die spitzen Kanten berundet und die Kauflächen der Backenzähne in eine Ebene gebracht. „Der Pferdezahn schiebt nicht unendlich nach, deshalb raspeln wir nur so wenig wie möglich und so viel wie nötig. Aber was die Beweglichkeit und beim Fressen stört, muss weg, “ erläutert Dr. Maier. Dementsprechend dauert solch eine Behandlung auch nicht nur 10 Minuten! 

Zum Schluss werden die Schneidezähne ohne Maulgatter gekürzt und begradigt. Nachdem sie noch einmal das Maul ausgespült hat, verschiebt sie Moonlights Kiefer gegeneinander. Ein sattes Mahlgeräusch erklingt. „Das klingt doch sehr gut!“ stellt sie fest.  

Während mein Pferd die Sedation in Ruhe ausschläft, notiert Frau Dr. Meier ihre Befunde und die Korrekturmaßnahmen auf einem Befundbogen und packt die gesäuberten Instrumente wieder ein. „Moonlight darf so lange nichts fressen. bis sie wieder richtig wach ist und normal reagiert. Ich denke so in etwa einer Stunde. Es kann sein, dass sie dann erst mal etwas komisch kaut, weil sich alles an die neue Situation gewöhnen muss. Wenn irgendetwas unklar ist oder sich noch Fragen ergeben, rufen Sie mich gerne an. Sonst sehen wir uns wieder in einem Jahr, “ schließt Frau Dr Maier ihre Zahnbehandlung ab. Und ja, zukünftig bleiben wir dran!  

Text: Lena Greite, Ulrike Albrecht und Anna Piffath, Foto: C. Slawik