Nachhaltigkeit in der Pferdehaltung: Kunstrasen

Kunstrasen – ein Schnäppchen?

Seit einigen Jahren ist Kunstrasen als Paddockbelag oder Trennschicht für Reitplätze immer wieder im Gespräch. Der aus dem Sportplatzbau bekannte grüne Kunstboden ist gebraucht sehr preiswert zu erhalten, steht derzeit aber massiv in der Kritik. Ist Kunstrasen wirklich eine sinnvolle Alternative zu professionellen Produkten für den Pferdebereich? 

Kunstrasen bietet im Pferdeauslauf durchaus einige Vorteile: Er ist wasserdurchlässig, haltbar und liegt sicher. Zudem gilt er als pflegeleicht, ist weich und rutschfest. Die Pferde sollen sich gerne hinlegen und Barhufe durch geringeren Abrieb geschont werden. Dem gegenüber steht aber eine ganze Reihe von teils gravierenden Nachteilen. 

Was ist Kunstrasen eigentlich genau?

Die für Kunstrasen verwendeten Garne der Kunsthalme bestehen aus Polypropylen (PP), Polyethylen (PE) oder Polyamid (Nylon).  

Es gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Kunstrasenqualitäten, die je nach Einsatz eine unterschiedliche Faserstruktur und Polhöhe sowie Gewicht haben. Kunststoffrasen wird meist in Rollen mit einer Breite von ein bis vier Metern verlegt. Für Sportplätze erfolgt die Verlegung meist auf einer zusätzlichen Elastikschicht aus PUR-gebundenem Gummigranulat oder Schaumstoff-Bahnen oder -Platten.  

Die Kunstrasenfläche ist wasserdurchlässig, sodass der Boden nicht versiegelt wird und Niederschlagswasser an die unteren Schichten abgegeben werden kann.  

Mikroplastik und Schwermetalle

Während die Spielfelder früher ausschließlich mit Sand verfüllt wurden, wird heute vielfach ein Sand-Gummigranulat-Gemisch oder nur Gummigranulat als Füllstoff verwendet, das den Kunstrasen weicher und elastischer macht. Das Problem: Das verwendete Gummigranulat wird meist aus Altreifen hergestellt und trägt als eine der Hauptquellen für Kunstkautschuk-Mikroplastik wesentlich zur Verseuchung von Böden und Ozeanen bei. Auf EU-Ebene wird deshalb zurzeit über ein Verbot des Gummigranulats ab 2022 diskutiert. Zudem stellten norwegische Forscher fest, dass aus dem Gummigranulat Schwermetalle ausgeschwemmt werden, was zusätzlich die Umwelt belastet. Neben dem Gummigranulat haben deutsche Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts inzwischen auch den Kunstrasen selbst im Visier. Bei Untersuchungen stellten sie fest, dass von den Kunstfasern Teile abgerieben werden und in die Umwelt gelangen. Dass dieser Austrag von Mikroplastik mit der Belastung und dem Verschleiß des Platzes wächst, liegt nahe. 

Darüber, wie sich Mikroplastik auf die Gesundheit auswirkt, weiß man bislang leider noch wenig. Mikroplastikpartikel können im Körper aber theoretisch über Lunge, Darm oder Haut aufgenommen werden und zu Entzündungen führen. Forscher haben dies bereits in Kurzzeitversuchen an entsprechenden Zellen beobachtet. Die Ergebnisse sind durchaus auf den Menschen übertragbar. Und was für den Menschen gilt, ist sicherlich auch für das Pferd relevant. 

Gebrauchter Kunstrasen: Wirklich ein Schnäppchen?

Gebraucht ist Kunstrasen teils sehr günstig zu bekommen. Nach zehn bis fünfzehn Jahren ist ein Kunstrasen-Spielfeld so weit abgenutzt, dass es für den Sport nicht mehr taugt und ausgetauscht werden muss. Um die hohen Entsorgungskosten zu sparen, wird der Kunstrasen dann komplett mit Füllstoffen für unter einen Euro pro Quadratmeter angeboten, manchmal sogar verschenkt. Angesichts des drohenden Verbots von Gummigranulat ist zu befürchten, dass zukünftig vor allem gebrauchter Kunstrasen mit diesem Füllstoff ausgetauscht wird und weniger solche mit ausschließlicher Sandfüllung. Gebrauchter Kunstrasen ist auch ohne Füllstoffe erhältlich, wobei aber auch hier noch ein Restanteil vorhanden ist und damit eventuell auch das besonders problematische Gummigranulat.  

Die Preise für gereinigten Kunstrasen liegen durchschnittlich bei rund fünf Euro pro Quadratmeter. Allerdings muss der Kunstrasen anschließend wieder mit Sand verfüllt werden, damit er stabil liegt und länger hält. Empfohlen wird eine Laufschicht von mindestens einem Zentimeter für den Paddock, bestehend aus gewaschenem Quarzsand ohne Feinanteile, der mit entsprechenden Maschinen eingebürstet werden sollte. Versandet man den Kunstrasen nicht, ist er starken Belastungen durch die Pferde auf Dauer nicht gewachsen und „arbeitet“ sich an seinen Übergängen und Enden mit der Zeit nach oben. Dasselbe passiert, wenn die Bahnen nicht fachgerecht verbunden, sondern lediglich überlappend verlegt werden. Das Verbindungsmaterial kostet natürlich zusätzlich.  

Verwendet man den Kunstrasen als Trennschicht im Reitplatz, sind sogar zehn bis fünfzehn Zentimeter Reitsand als Tretschicht erforderlich. 

Aufwendiger Unterbau und hohe Entsorgungskosten

Um eine ausreichende Stabilität und Wasserabführung des Kunstrasenbelags zu gewährleisten, ist außerdem eine Schotter-Tragschicht von mindestens zehn bis fünfzig Zentimetern notwendig. Da die Entwässerung nur bei mäßigen Niederschlägen ausschließlich in vertikaler Richtung, das heißt durch die Tragschicht erfolgt, sollte zudem ein Gefälle von 0,5 bis ein Prozent bestehen, das bei ergiebigen Niederschlägen auch oberflächlichen Abfluss zu den Platzrändern ermöglicht. Dort muss für eine ausreichende Wasserabführung zum Beispiel durch Entwässerungsgräben gesorgt werden. Zudem wird eine weitere zwei bis zehn Zentimeter starke Zwischenschicht aus Brechsand empfohlen.  

Hinzu kommen die nicht unerheblichen Kosten für die Entsorgung des Kunstrasens, der irgendwann ansteht, denn nichts hält ewig. Weil Kunstrasenbeläge mit all ihren Bestandteilen als Sondermüll gelten, müssen sie entweder auf Sondermülldeponien entsorgt oder die verschiedenen Materialien (Kunststoffe, Latex, Gummigranulat, Sand) getrennt werden, um sie anschließend wieder verwerten zu können. Diese fachgerechte Entsorgung oder Verwertung kostet für ein Fußballfeld mit einer Fläche von 6.500 Quadratmeter circa 20.000 Euro – heruntergerechnet auf die Standardgröße eines Reitplatzes von 20 x 40 Meter sind das etwa 2.500 Euro oder rund drei Euro pro Quadratmeter. Berücksichtigt man alle Ausgaben für Transport, Unterbau, Füllmaterial, Spezialmaschinen, eventuell Fremdfirmen und Rückbau, ist selbst ein geschenkter Kunstrasen alles andere als ein Schnäppchen. Dann doch lieber gleich richtig geplant und in einen speziell für den Pferdebereich konzipierten und umweltgerechten Belag für Paddocks und/oder Reitplatz investiert…  

Text: Birgit van Damsen