„Schulanfänger”

Jungpferdetraining 2: Was mein (Jung-)Pferd so alles lernt …

Auf dem Weg vom rohen zum angerittenen Pferd macht der vierbeinige Beruf-seinsteiger eine Entwicklung durch: Er oder sie lernt viel Neues kennen, legt die Basis für eine gute Zusammenarbeit mit dem Menschen, kommt körperlich wie geistig immer weiter. Die wichtigsten Stationen auf diesem Weg wollen wir in unserer Serie beispielhaft dokumentieren und so eine bessere Vorstellung davon vermitteln, was ein Jungpferd beim Trainer alles lernt oder lernen sollte.

Hier wird deutlich werden, welcher Aufwand betrieben werden muss, warum diese Arbeit in Profihände gehört, wo aber auch der Pferdebesitzer vor-, zu- und nacharbeiten kann und sollte und an welchen Stellen häufiger Probleme auftauchen – und warum. Wir fragen zudem nach, wie sich Versäumnisse im Zusammenhang mit der Grundausbildung später auswirken und auf welche Weise sie sich nachträglich kompensieren lassen.

Unsere neue Serie „Grundausbildung“
Begleitet und unterstützt wird unsere neue Serie von Volker Schmitt, den wir bereits aus „Reining für alle“ kennen und schätzen gelernt haben. Mit dabei sind einige jüngere Pferde als „Foto-Models“, an und mit denen sich Lerninhalte und Vorgehen gut fotografisch dokumentieren lassen. Aus Gründen der Fairness vor allem dem Pferd gegenüber verzichten wir darauf, „richtige“, also völlig rohe Jungpferde in ihrer Grundausbildung abzulichten – ihr Berufseinstieg ist schon spannend genug, auch ohne dass ihnen jemand mit der Kamera vor der Nase herumfuchtelt … Volker Schmitt hat sorgsam jeweils Pferde ausgewählt, die noch sehr jung sind und sich ganz am Anfang ihrer Ausbildung befinden, mit den jeweils dargestellten Elementen ihres Trainings aber bereits vertraut sind und diese unbefangen und stressfrei zeigen können, mit allen Einschränkungen und etwaigen Ausrutschern, die halt auch dazugehören und ebenfalls ihren Niederschlag im entstehenden Fotomaterial finden. Es wird also ein realistischer Ausschnitt aus dem Trainingsalltag dargestellt und – wichtig – keine Gebrauchsanweisung „DIY Anreiten“ vermittelt. Los geht’s!

Aus dem Kindergarten in die Schule
Wirklich „roh“ kommt heute wohl kaum ein Jungpferd mehr zum Trainer. American Quarter Horses wachsen traditionell nah am Menschen auf, anders als Rassen wie etwa das Islandpferd, das auch hierzulande die Jahre seiner Kindheit fast „unangetastet“ in der Jungpferdeherde verbringt und außer medizinischer und pflegerischer Grundversorgung oft wenig direkten Kontakt mit Menschen hat. Die meisten jungen AQHs dagegen haben bereits als Saugfohlen Gelegenheit, uns Zweibeiner näher kennenzulernen und positive Erfahrungen zu machen. Sie durchlaufen fast nebenbei ein gewisses Training, das unspektakuläre, aber grundlegende Fertigkeiten zum Inhalt hat: Sie kennen es,
• geputzt,
• geführt,
• angebunden und oft auch
• verladen zu werden.

Kommen sie so vorbereitet zum Trainer, kann darauf aufgebaut werden: Vom Führen ist es nicht mehr weit bis zum Longieren oder zur Führarbeit mit Ausrüstung, über das Putzen lassen sich ganz einfach erste freundschaftliche Bande zum Ausbilder knüpfen und das ruhige Stehen am Anbindeplatz legt den Grundstein für das so wichtige coole Verhalten unter dem Reiter. Beim Übergang in die Grundausbildung kommt es an zwei Punkten möglicherweise zu Problemen: Es kann Defizite und/oder Fehlentwicklungen geben. Dies gilt nicht nur für die Inhalte, sondern auch für die Art und Weise, wie diese vermittelt wurden – Lernen hat eben immer auch etwas mit Beziehung zu tun und mit einer Einstellung zum Miteinander, die der Lehrende dem Lernenden vermittelt.
Dabei gilt: Es ist für den Trainer einfacher, das Jungpferd in dieser Phase anzulernen, also bei null zu beginnen oder Versäumtes schlicht nachzuholen, als falsch Gelerntes zu korrigieren. Das ist äußerst mühsam, teils wirklich stressig fürs Pferd und oft nicht durchgreifend möglich, sodass eine völlige Korrektur nicht immer gelingt. Zudem ist es einfach nicht wirtschaftlich – es kostet nicht nur Zeit, sondern natürlich auch Geld. Volker Schmitt rät deshalb: „Gute Vorarbeit spart Zeit und Nerven, aber es ist besser, das junge Pferd überhaupt nicht als es nicht sachkundig zu arbeiten. Besitzer können sich auch entlasten, indem sie den Trainer schon früh mit ins Boot holen, nach sinnvoller Vorarbeit fragen und konkret um Rat bitten.“

Was kann das junge Pferd?
Was kann das junge Pferd oder was sollte es jetzt möglichst noch lernen, bevor es zum Ausbilder kommt – sofern dies sachkundig und stressfrei im Heimatstall möglich ist?
Es ist mit dem Aufhalftern vertraut. Dazu gehört, dass es bei der Annäherung des Menschen nicht ausweicht und das Anlegen und Schließen des Halfters ruhig mitmacht. Schon diese scheinbar so einfache Aufgabe zeigt deutlich: Lernen braucht Vertrauen und basiert auf guten Erfahrungen. Wie kann Ihr Pferd (jetzt noch) lernen, stehenzubleiben und keine Kopfscheu zu zeigen, damit das Aufhalftern – und das spätere Anlegen des Zaumzeugs – gelingen? Es muss zwei Dinge verinnerlichen:

  1. Bei der Zusammenarbeit mit dem Menschen bin ich sicher und
  2. ich kann mich dieser Zusammenarbeit nicht entziehen.
    Lassen sich Pferde allerdings nicht einfangen, nicht aufhalftern oder reagieren sie schreckhaft bei Manipulationen am Kopf, haben sie entweder schlechte oder noch keine guten Erfahrungen gemacht. Volker Schmitt kennt die Gründe: „Manchmal verwildern Jungpferde auch, wenn sie zu selten gearbeitet werden oder es schon zu lange her ist. Sie haben noch keine Basis an Gelerntem, auf die sie auch nach ein paar Monaten Pause noch zurückgreifen können. Dann fängt man besser noch einmal von vorne an, vermittelt erst wieder gute Erfahrungen und legt eine gute, vertrauensvolle Grundlage, bevor man wieder in die Basisarbeit einsteigt.“
    Was können Sie tun? Vermeiden Sie es, Ihr junges Pferd nur dann zu holen, wenn unangenehme Dinge zu tun sind, also etwa für den Tierarztbesuch. Gehen Sie öfter einfach auf die Weide oder in den Laufstall, um kurz „Hallo“ zu sagen, es ein wenig zu kraulen oder Mineralfutter zu reichen. Sinngemäß gilt dies auch für das Aufhalftern: Raus auf die Weide zum Jungspund, Halfter drauf, kurzes Gespräch, Halfter ab und Tschüss! Außerdem wichtig: Wenn Sie Ihr junges Pferd holen kommen, dann holen Sie es auch. Läuft es weg, bleiben Sie ruhig, aber beharrlich dran, wie lange es auch dauert. Immer! Es darf nicht die Lernerfahrung machen, dass es sich Ihrem Zugriff nach Belieben entziehen kann, es darf aber auch nicht den Eindruck haben, Sie ließen sich auf ein Fangspiel ein. Ruhe bewahren, nicht ins Rennen kommen, es nicht zu überlisten versuchen oder in die Ecke treiben. Beharrlich weglaufende (Jung-)Pferde können oft durch dieses völlig unaufgeregte Dranbleiben (Walk-Down-Methode) innerhalb überraschend kurzer Zeit korrigiert werden. Essentiell ist aber, dass Sie Ihr Pferd dabei nie in den Fluchtmodus bringen und die nötige Geduld haben, um bei den ersten Versuchen notfalls auch eine Stunde oder länger dranzubleiben.

Es lässt sich führen.
Zunächst lernt es das Führen hinter der Mama, wobei der Einfluss des Menschen noch sehr gering gehalten werden kann. Nach dem Absetzen muss es üben, sich auch von den Artgenossen weg führen zu lassen. Diese Aufgabe schließt sich an, wenn Einfangen und Aufhalftern gut klappt. Oft ist es sinnvoll, mit wenigen Schritten auf der Weide, in der Nähe der Artgenossen zu üben und die Ansprüche allmählich höher zu schrauben. Dabei gilt: Immer aufhören, BEVOR Ihr Youngster einen Fehler macht. Es ist in dieser Phase noch sehr wichtig, gute Lernerfahrungen zu sammeln und den Fluchtmodus nie einzuschalten. Also nicht immer noch einen draufsetzen, weil grad alles so toll klappt – das führt nur dazu, dass Sie Ihr Training automatisch mit einem Fehler beenden. Verknüpfen Sie geschickt von Anfang an auch das Geschehen mit Ihren Stimmsignalen. Anhalten, Starten und Wendungen nach links und rechts stehen auf dem Programm, dazu mit wachsendem Können und Sicherheit des Jungpferdes Spaziergänge weg von den Kumpels, über die Anlage, rund um die Weide oder später auch ins Gelände. Wer mag und kann, lässt den jungen Quarter als Handpferd die große weite Welt erobern. Entscheidend ist, dass Ihr Jungpferd lernt, sich an Ihnen zu orientieren. Es soll irgendwann verinnerlicht haben, dass es sich beim Führen Ihrem Tempo, Ihrer Richtung automatisch und ohne Hilfengebung anpasst. Für Volker Schmitt gibt es bei ersten Führübungen ganz klare Prioritäten: „Das Pferd soll lernen, sich vertrauensvoll unterzuordnen. Es geht hier auch um die Rangordnung, um Respekt und Vertrauen. Es sollte immer kleinschrittig vorgegangen und jeder richtige Schritt belohnt werden.“.

Es lässt sich überall putzen.
Nehmen Sie einfach von Anfang an eine Bürste mit auf die Weide und schaffen Sie unauffällig fließende Übergänge zwischen Kraulen mit der Hand und Putzen mit der Bürste. Orientieren Sie sich zu Beginn an der arttypischen so-zialen Fellpflege: Wie sieht es aus, wenn Pferde einander freundschaftlich das Fell pflegen und wie genau tun sie dies? Sie stehen umgekehrt parallel zueinander und nutzen ihre Zähne zu schubbernden oder gar sanft kneifenden Putzbewegungen, vor allem an den Stellen, die sie selbst (mit der „solitären Fellpflege“) nicht erreichen können. Brust, Kruppe und Widerrist sind besonders beliebte Stellen. Wer früh häufig „Hand anlegt“ und dabei auf die Rückmeldung des Fohlens achtet, wird mit dem Übergang zum „richtigen“ Putzen später keine Probleme haben. Kitzlige und empfindliche Stellen werden konsequent, aber rücksichtsvoll geputzt. Achten Sie darauf, das jeweils passende Putzzeug zu benutzen und suchen Sie, wenn Ihr Youngster ausweicht, den Umweg über pferdetypische Fellpflege mit den Fingern. Was tun, wenn Ihr freundlicher Jung-Quarter den Gefallen erwidern und Sie ebenfalls kraulen möchte? Volker rät: „Wenn Pferde uns nach Pferdeart kraulen, wird es schnell schmerzhaft. Anschnüffeln und berühren ist ok, knabbern und beißen aber eben nicht. Und: Das Pferd darf nicht das Kommando übernehmen. Kraulversuche auf Pferdeart sollten deshalb ruhig und gelassen unterbunden werden. Es braucht eine Balance, Strafen sind unangebracht.“
Das Aufheben der Hufe darf anfangs so geübt werden, dass der Mensch das noch wackelige Fohlen ein wenig stützt, bis es sich an den Vorgang gewöhnt hat und seine Balance selbst halten kann. Dabei wird nach und nach auch das Auskratzen geübt, ebenso wie Sie ganz nebenbei mit dem Hufkratzer mal auf den Huf klopfen, mal den Huf nach vorne nehmen, ein bisschen darauf herum kratzen.

Es kennt das Anbinden.
Bei diesem „Fach“ ist die Gefahr, dass etwas gründlich schiefläuft, wohl am größten. Oft wird überstürzt oder unsachgemäß vorgegangen; es kommt auch vor, dass bei heftigen Reaktionen des jungen Pferdes falsch gehandelt wird, was zu schweren Unfällen führen kann. Nichts in seinen bisherigen Erfahrungen hat das junge Pferd darauf vorbereitet, dass es in dieser Weise fixiert wird, ihm jede Fluchtmöglichkeit genommen wird, es großen, unnachgiebigen Druck verspürt, wenn es sich über ein von ihm selbst nicht vorhersehbares Maß bewegt. Ersparen Sie ihm – und sich selbst – schlechte Erfahrungen mit dem Anbinden und schaffen Sie einen gleitenden Übergang. Dazu nutzen Sie das Aufhalftern und die Führübungen, indem Sie immer wieder etwas Druck über das Halfter ausüben – mit Fingerspitzengefühl aber immer unterhalb der Schwelle bleiben, die Ihrem Youngster Angst macht oder Unbehagen hervorruft. Es soll lernen, auf Druck nachzugeben und sich dabei sicher zu fühlen. Beim Erlernen des Anbindens wird zunächst – und gerne auch längerfristig – kein Knoten gebildet, sondern der Führstrick ein-, zweimal durch den Anbindering oder um die Querstrebe geführt, der Mensch behält vorläufig das Ende in der Hand. So können Panikreaktionen erfolgreich vermieden werden. Später dann bitte keine Knotenhalfter fürs „richtige“ Anbinden verwenden – aber das wissen sie sicherlich schon…
Was tun, wenn Ihr Jungpferd trotzdem zappelt oder gar Panik bekommt, es vielleicht schon zu gefährlichen Situationen gekommen ist? Augen zu und durch? Oder doch warten, bis der Trainer dieses Problem korrigieren kann – aber was ist dann mit dem Transport, für den das junge Pferd ja ebenfalls angebunden werden muss? Ein Dilemma … Volker Schmitt rät: „Es gibt oft die Möglichkeit, Pferde unangebunden zu transportieren. Anbinden im Hänger oder Transporter ist bei Pferden, die das noch nicht ausreichend kennen, einfach zu gefährlich.“ Und was natürlich immer geht: Einfach vorerst nicht mehr anbinden, sondern bei allen Verrichtungen rund ums junge Pferd den – ausreichend langen – Führstrick in der Hand behalten. So gewinnen Sie Zeit und verhindern weitere schlechte Erfahrungen. Das ist in jedem Fall besser für alle Beteiligten, denn dieses Problem kann später aufgegriffen und gelöst werden.
Vorarbeiten im Sinne des Fohlen-ABCs? Ja, aber nur, wenn die nötige Sachkenntnis vorhanden ist und auch die Rahmenbedingungen dies erlauben. Hilfreich ist in jedem Fall eine frühzeitige Absprache mit dem zukünftigen Ausbilder des Pferdes: Geben Sie freimütig Auskunft, was Ihr Jungpferd schon kann oder wo es noch hakt. Der Profi wird Ihnen raten können, wo und auf welche Weise ein Aufarbeiten der Defizite möglich und sinnvoll ist und was warten kann, bis Ihr Youngster im Ausbildungsstall steht. Für Volker Schmitt am wichtigsten: „Der Trainer muss einfach Bescheid wissen, was gemacht wurde und wo es vielleicht zu Problemen gekommen ist. Er muss unbedingt auch über schlechte Erfahrungen informiert werden. Beide Seiten sollten immer mit offenen Karten spielen, auch was bisherigen Haltungsbedingungen (Kennt das Pferd die Box? Kann es eine Selbsttränke bedienen?) oder die Fütterung angeht. “

Text und Fotos: Angelika Schmelzer