Hufgesundheit im Sommer

Gut zu Huf

Sommerzeit – Reitzeit! Und hier gilt: Ohne Huf kein Pferd, ohne Pferd kein Reiter. Im Sommer warten nicht nur wegen der zahlreichen Unternehmungen besondere Herausforderungen auf alle, die um die Hufgesundheit bemüht sind. 

Die grundlegende Frage der Hufgesundheit ist stets: Stehen Abrieb und Neubildung des Hufhorns in einem vernünftigen Verhältnis? Für diese Frage gilt es, passende Antworten zu finden und dabei flexibel unterschiedliche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen. Es gibt also nie die eine Lösung für alle Pferde: In Abhängigkeit von individuellen Hufformen und Hornqualitäten, Nutzungsarten und -intensitäten, aber auch mit Rücksichtnahme etwa auf Allgemeinerkrankungen, Alter, Haltungsform und vielen anderen Faktoren gilt es, die individuell beste Lösung zu finden.  

In der jüngeren Vergangenheit hat sich da viel getan. Früher wurde der Abrieb am Huf in den meisten Fällen durch einen konventionellen Hufbeschlag begrenzt. Heute hat sich viel geändert, der Rahmen an sinnvollen Möglichkeiten von Hufschutz und Hufpflege wurde bedeutend erweitert. Für immer mehr Pferde heißt dies: Sie laufen barhuf! Zur Unterstützung steht dem Pferdefreund nicht nur eine umfangreiche Produktpalette an Pflegeprodukten und Hufschuhen zur Verfügung – auch zahlreiche Fachleute für Hufschutz und Hufgesundheit, teils auf bestimmte Techniken spezialisiert, teils breit aufgestellt, sind annähernd flächendeckend vertreten. Sie stellen sicher, dass das empfindliche Gleichgewicht zwischen Nachwuchs und Abrieb möglichst erhalten bleibt und greifen ein, wo es zu kippen droht. 

Harte Zeiten für die Hufe

Im Sommer warten bezüglich der Hufgesundheit einige besondere Herausforderungen auf Reiter und Pferd:  

• Mehr Nutzung bedingt in der Regel auch einen erhöhten Abrieb – kann die Hornneubildung meines Barhufpferdes damit noch Schritt halten? Und wenn nicht, wie kann ich vorbeugen? 

• Durch die Weidehaltung sind die Pferdehufe mal monatelang äußerster Trockenheit, dann wieder für Wochen dauernder Nässe ausgesetzt. Wie beeinflussen diese Extreme Hufgesundheit, Beweglichkeit der Hornkapsel (den Hufmechanismus) und Hornqualität? Wo und wie muss/kann der Pferdehalter gegensteuern?  

• Manche reitsportlichen Aktivitäten verlangen zwingend nach bestimmten Formen von Hufschutz (z. B. Sliding Plates) oder Hufpflege (z. B. Lacke auf der Show).  

• Wie sieht es mit Problemen wie White Line Disease, Strahlfäule, rissigen Ballen oder von alten Nagellöchern ausgehenden Fäulnisprozessen aus – haben die im Sommer Pause oder kann trotz trockenwarmem Wetter derlei auftreten? 

Bewegung, Bewegung und noch mehr Bewegung

Dreh- und Angelpunkt aller Bemühungen ist zuverlässiges und hinreichendes Wachstum qualitativ guten Hufhorns. Die Neubildung von Horn lässt sich hinsichtlich Qualität und Quantität nur bedingt direkt beeinflussen. Das Ausmaß der Hornproduktion wird vor allem über die Bewegung des Pferdes beeinflusst: Beim Auffußen und Abfußen kommt der Hufmechanismus in Gang: Durch die Belastung wird die Hornkapsel vorwiegend im hinteren Bereich geweitet und mit der Entlastung kehrt sie wieder in die ursprüngliche Lage zurück. Dabei geht der Hauptimpuls vom Strahlpolster aus, wobei die Strahlfurchen als Dehnungsfuge fungieren. Infolge dieser Weitung kommt es zugleich zu einer leichten Absenkung der Hufsohle. Dieser rhythmische Vorgang beeinflusst die Durchblutung positiv, da eine Wirkung ähnlich einer Pumpe auf das Kapillarsystem ausgeübt wird. Mehr Durchblutung wiederum ermöglicht eine verbesserte Syntheseleistung, unterstützt die angemessen intensive Bildung hochwertigen Horns. 

Wer also den Hufmechanismus über ausreichend und vor allem stetige Bewegung anregt, sorgt für genügend Horn-Nachschub. Weidegang ist dabei ideal, da sich das Pferd hier über längere Zeit bewegt und auf relativ weichem Boden unterwegs ist, was den Abrieb vermindert und für eine Aktivierung des Strahlpolsters sorgt. Die Haltung mit entzerrten Funktionsbereichen unterstützt diesen Effekt. Die Tränke an einem Ende, die Hütte oder das Futter am anderen, das zwingt die Pferde, immer wieder die gesamte Länge der Weide entlang zu schlendern. 

Hilfe von innen und außen

Auch bei guten Rahmenbedingungen kann nur dann Horn gebildet werden, wenn alle dafür notwendigen Stoffe kontinuierlich bereitgestellt sind.  

Die Bildung von gesundem Hufhorn steht, wie man heute weiß, auf zahlreichen Säulen: Mineralien und Spurenelemente, Proteine, Enzyme, Vitamine, aber auch bestimmte Fettsäuren beteiligen sich daran. Ein komplexes Geschehen, das zudem auf eine gut funktionierende Verdauung und einen reibungslos arbeitenden Stoffwechsel angewiesen ist! Das Hufhorn als Hautanhangsgebilde spiegelt die Versorgung und den Gesundheitszustand des Pferdes ebenso wider wie Fell und Haut. Es reagiert sehr sensibel und zeitnah auf Missstände, bei deren Korrektur aber braucht der Pferdehalter bei einem Wachstum von etwa 8 mm monatlich (bei besten Bedingungen!) und fortlaufendem Abrieb einen langen Atem. Zudem sind etwaige Versorgungsmängel über Blutbilder, Futteranalysen und Rationsbestimmungen nicht immer sicher festzustellen. Viele Pferdebesitzer greifen deshalb vorsorglich zu einschlägigen Zusatzfuttermitteln, die einzelne oder mehrere dieser Stoffe bereitstellen. So stellen sie sicher, dass dauerhaft die Grundlage einer adäquaten Hornneubildung vorhanden ist. Bei jeder Gabe von Zusatzfuttermitteln sollte aber überprüft werden, ob diese mit der Gesamtration kompatibel sind oder man eventuell unabsichtlich eine Überversorgung mit einzelnen Stoffen provoziert, die nicht immer folgenlos bleibt. 

Zur Unterstützung der Hufgesundheit von außen sind zahlreiche Produkte im Handel erhältlich. So soll der Abrieb vermindert, die Elastizität des Hufhorns erhalten, seine Qualität verbessert werden. Ansprechpartner und Ratgeber sind allerdings stets ausgewiesene Hufspezialisten, die erst nach genauer Diagnose des Problems oder Analyse des Ist-Zustandes die korrekte Vorgehensweise empfehlen. Wer etwa ohne eine solche fachkundige Beratung klebrig-pappige Salben auf rissige Hufballen schmiert, wird nach dem ersten Ritt auf sandigem Boden eine Verschlimmerung der Lage feststellen können. Wo Fäulnisprozesse innerhalb der weißen Linie (White Line Disease) oder in alten Nagellöchern durch Kunsthorn oder andere, nicht „atmende“ Verschlüsse abgekapselt werden, brodelt es in der Tiefe munter weiter. Vor jeder Behandlung einer Strahlfäule steht das sachgerechte Ausschneiden und Freilegen der Herde. Also: Erst beraten lassen, dann handeln!

Text: Angelika Schmelzer