Das braucht’s für den Einstieg

Reining für Reiner? Reining für alle!

Wir wissen: Unsere American Quarter Horses, aber auch jedes andere western gerittene Pferd kann von einem Perspektivwechsel profitieren. Auch davon, die Reining nicht nur als Showdisziplin anzusehen, sondern als Leitfaden für eine umfassende, im guten Sinne dressurmäßige Ausbildung unserer Pferde – Reining für alle eben.

Trainiert werden dann nicht primär Stop und Spin, Roll Back und Flying Lead Change, sondern Ausdauer, Kraft, Elastizität, Schnelligkeit und Wendigkeit – Dehnungs- und Versammlungsfähigkeit. Wir machen unsere American Quarter Horses fit für ihren Beruf, ein Leben lang.
Die verschiedenen Reining-Manöver dienen dabei als Roter Faden, als Ziel und Maßstab gleichermaßen: Sie liefern die Vorgaben für Trainingsinhalte und dienen der Überprüfung des Fortschritts. Bilden das Gerüst eines durchdachten Trainingsplans und sind in perfekter Ausführung das im Fokus liegende Ziel. Können, müssen aber dann nicht als Krönung vor großem Publikum gezeigt werden.
„Reining für alle“ heißt im Grunde auch „Reining von Anfang“ an – wenn ein paar Grundvoraussetzungen gegeben sind und passende Rahmenbedingungen geschaffen wurden. Und es heißt „Reining für immer“ – ein Pferdeleben lang, solange eben diese Basis vorhanden ist. Versuchen wir zunächst, den Einstieg so niedrigschwellig wie möglich zu halten: Ein Pferd, einen Reiter, dazu Sattel, Gebiss und Zaumzeug, mehr braucht es anfangs wirklich nicht.

Reining-Outfit von Kopf bis Fuß

Braucht es einen Reiningsattel? Jein. Erst einmal kommen Sie mit Ihrem gewohnten Sattel zurecht, wenn er denn Ihnen und Ihrem Pferd passt. Irgendwann unterstützt ein spezieller Reiningsattel Sie in der Hilfengebung und im Sitz: Mit niedrigem Horn, das die später einhändige Zügelführung erleichtert, mit einer großzügig ausgelegten, genügend tiefen Sitzfläche, dazu hinten hoch genug für einen stabilen Sitz, wenn’s mal wieder rasant zugeht. Die Ausgestaltung von Fendern und Steigbügeln hat eine effektive Hilfengebung über die Schenkel im Fokus. Achten Sie darauf, dass die Skirts im hinteren Bereich so geschnitten sind, dass sie bei extrem engen
Wendungen nicht stören.

Für das Gebiss gilt: Die Regeln fürs Showen spielen erst

einmal keine Rolle. Anfangs sind Sie mit Ihrem gewohnten Snaffle, beidhändig geführt, gut bedient. Auch eine klassische Hackamore eignet sich für „Reining für alle“. Volker Schmitt gibt grundsätzlich zu bedenken: „Jedes Gebiss ist so hart oder weich wie die Reiterhand und es muss vor allem immer zum Ausbildungsstand des Pferdes passen“. Ob und wann Sie Ihr Pferd im Bit reiten, hängt in erster Linie vom Ausbildungsstand ab und nicht von seinem Alter. Für Hebelgebisse ebenso wie für gebisslose Zäumungen mit Hebel braucht es die „Kandarenreife“. Die kommt nicht von selbst, stellt sich nicht in einem bestimmten Alter automatisch ein, die müssen sich Pferd und Reiter erarbeiten. Also Hände weg von Hebelgebissen aller Art, wenn Sie und Ihr Pferd noch nicht soweit sind – das gilt übrigens nicht nur fürs Reiningtraining.
Besondere Aufmerksamkeit widmen Sie den Beinen Ihres Pferdes: Splint Boots schützen die Röhrbeine vorne, Skid Boots die Fesselköpfe hinten. Auch Bandagen werden teilweise verwendet. Glocken vor allem vorne bewahren Ihr Pferd vor Verletzungen im Bereich der Ballen und des Kronsaums. Eine spezielle Schutzkappe im Bereich des Vorderfußwurzelgelenks („Knee Boot“) schützt diesen Bereich vor Verletzungen beim Spin, verursacht durch das andere Bein.

Nur echt mit Spezialbeschlag?

Was ein richtiger Reiner sein oder werden will, der braucht natürlich auch den passenden Beschlag – gilt das immer und überall, von Anfang an? Klar ist: Reiner tragen auf der Show an den Hinterhufen zwingend Slide Plates (auch „Sliding Plates“ oder „Slider“), Spezialeisen, die das Gleiten im Sliding Stop erst möglich machen. Der entscheidende Unterschied zum klassischen Eisenbeschlag ist die extrem reibungsarme, breite Unterseite der Sliding-Eisen, aber Sliding Plates unterscheiden sich auch in der Formgebung vom gewöhnlichen Beschlag: Die Zehe ist abgerundet, die Schenkel sind nach hinten verlängert. Keine Sliding Plates – kein Sliding Stop! Es gleitet sich ohne einfach nicht gut genug, und vor allem nicht gelenkschonend.
Leider jedoch gleiten diese Spezialeisen so hervorragend, dass derart beschlagene Pferde beim „normalen“ Reiten vor allem im Gelände Probleme bekommen können und im Einzelfall sogar nicht mehr guten Gewissens auf die Weide entlassen werden können – zu groß die Gefahr, dass sie ausrutschen und sich verletzen. Die Gretchenfrage für den Reiter: Mit Slidern beschlagen und diese Einschränkungen hinnehmen – oder auf Slider und damit auch auf den Sliding Stop verzichten und dafür weiterhin trittsicher auf allen Böden unterwegs sein? Das muss nun jeder Reiter für sich (und sein Pferd) entscheiden… Wer tatsächlich (vorerst) ohne Showambitionen Reining trainiert, kann allerdings problemlos auf das Training des Sliding Stops verzichten, denn all die anderen Manöver geben genügend Inhalte für effektives Lernen und nachhaltige Erfolge her. Wird dann doch auf eine Show hin trainiert, müssen früher oder später zumindest zeitweise Slider aufgezogen werden.

Wer slidet so spät durch Nacht und Wind…

Mit Slidern alleine ist es nicht getan – wer Reining und insbesondere, wer Stops reitet, tut dies auf einem speziellen Reiningboden. Der besteht traditionell aus einem festen Lehm-untergrund mit einer Sandauflage. Diese Kombination unterstützt das weite und gleichmäßige Sliden optimal und spielt auch bei anderen Manövern wie Rollback oder Spin eine Rolle. Für den Außenbereich eignet sich dieser Bodenaufbau allerdings nicht, außerhalb der Reithalle werden deshalb andere Systeme verbaut. Bedeutet für den ambitionierten Reiner: Der vorhandene Boden in der Halle und auf dem Außenreitplatz bestimmt darüber, welche Manöver geritten, welche Vorübungen dazu trainiert werden können – und welche vielleicht nicht oder nur eingeschränkt. Oberste Priorität hat immer das sichere und pferdeschonende Training, daher müssen Reiter auf Reitanlagen ohne einen solchen Spezialboden auf manche typischen Reiningelemente verzichten oder ihr Training dauerhaft in die Halle verlegen, wenn für den Außenbereich kein Reining-Untergrund vorgesehen ist.

Reiningpferde – geboren oder gemacht?

Unseren zukünftigen Reiner holen wir auf seinem aktuellen Ausbildungsniveau ab. Jung oder alt, weit ausgebildet oder noch ganz am Anfang, gut trainiert oder momentan weniger fit – es spielt im Grunde keine Rolle, wird allerdings natürlich im individuellen Trainingsplan berücksichtigt. Ebenfalls beachtet wird der Gesundheitszustand, insbesondere die Fitness des Trageapparats und von Herz und Lunge. Pferde mit bestehenden Problemen in diesem Bereich bedürfen besonderer Rücksichtnahme. Das hat dann etwas von einer Gratwanderung: Auf der einen Seite profitieren gesundheitlich angeschlagene Pferde oft besonders von einem durchdachten, angepassten Training, auf der anderen Seite kann eine Überforderung den Zustand schnell verschlimmern.
Knirscht es etwa arthrotisch im Sprunggelenk (Spat), so sind enge Wendungen tabu, hakt es im Bereich der Hufrolle (Podotrochlose), so verbieten sich alle die Vorhand stark fordernden Übungen. Ist die Lunge durch eine chronische Erkrankung belastet, sind der Ausdauer enge Grenzen gesetzt. Andererseits – Bewegung, Bewegung und nochmal Bewegung ist die effektivste Vorbeugung wie auch unerlässlicher Bestandteil der Behandlung bei arthrotischen Erkrankungen; Bewegung, Bewegung und nochmal Bewegung durchlüftet die Lunge und unterstützt deren Funktion. Augenmaß und eine gute Absprache zwischen Behandler, Reiter und evtl. Trainer helfen, den individuell besten Weg zu finden.
Hinter bekannten Weltklasse-Reinern steht oft ein langes Pedigree mit illustren Namen – es scheint, als würde diese Showdisziplin wie auch andere schon so manchem Fohlen in die Wiege gelegt. Reiter wissen: Um wirklich ganz weit vorne mitmischen zu können, muss das Pferd bestimmte Anlagen bereits mitbringen, was Gebäude, Gangwerk und die „inneren Werte“ angeht.
Wie wichtig ist denn die „richtige“ Abstammung in der Praxis? Fragen wir Volker Schmitt. Er meint: „Nicht jedes top Reining gezogene Pferd ist auch tatsächlich für diese Disziplin geeignet, trotzdem sind die Erfolgsaussichten bei einer Reininglinie, bei Nachkommen eines bekannten Reining-Vererbers wesentlich größer.“ Andere Pferde, die vielleicht nicht über diese Merkmale verfügen oder die sich aufgrund individueller Eigenschaften sogar schwer tun mit bestimmten Bewegungsabläufen, mit speziellen Anforderungen an Charakter und Temperament oder anderen sehr spezifischen Talenten wären überfordert, würde man sie an einem geborenen Reiner messen. Es wäre ungerecht und nicht zuletzt frustrierend, stellte man an sie dieselben Erwartungen. Diese Einschränkung sollte nun niemanden davon abhalten, mit dem eigenen Pferd engagiert und ehrgeizig in das Reiningtraining zu starten – doch unsere eigenen Wünsche und Hoffnungen müssen immer wieder einem Realitätstest unterzogen werden. Manche Pferdetypen, manche speziellen Merkmale fordern den Reiter beim Reiningtraining eben besonders heraus, manchmal müssen die Ziele auch langfristig eher niedrig gesteckt werden.

Jeder Reiter ist ein Reiner

Jetzt ist das Pferd zwar ein essentielles Element, aber zu einem guten Reining-Team gehört der Reiter unbedingt dazu. Welche Voraussetzungen sollten Reiter mitbringen, wenn es um den Start ins Reiningtraining geht? Das ist nicht leicht zu beantworten und kommt auch auf den Partner auf der anderen Seite des Sattels an: Manchmal lernt das Pferd vom Reiter, manchmal der Reiter vom Pferd und nicht selten wachsen beide gemeinsam und aneinander in neue Aufgaben hinein. Als Grundvoraussetzung formuliert Volker Schmitt: „Reiter sollten eine gewisse Sattelfestigkeit mitbringen, um bei höheren Geschwindigkeiten nicht aus der Balance zu kommen oder das Pferd zu behindern, etwa über eine unruhige Hand“. Und zudem ist es immer eine gute Idee, sich Unterstützung zu holen: Gute Trainer begleiten Reiter auf ihren individuellen Wegen, sei es in Form von Kursen oder von regelmäßigem Reitunterricht. Das gilt auch für „Reining für alle“ – ein aufgeschlossener, kundiger Trainer akzeptiert Ihre Wünsche, respektiert etwaige Einschränkungen, bietet genau die Unterstützung, die es aktuell braucht, leitet Sie aber auch effektiv an, ohne dass es zu Abhängigkeiten kommt. Reiten lernt man nur durch Reiten – und Reining nur durch Reiningtraining. Und wie das nun konkret aussehen kann, wie Sie am besten Reiningelemente mit anderen Formen des Trainings verbinden, dazu mehr in der nächsten Ausgabe.

Text und Foto: Angelika Schmelzer