Osteopathie fürs Pferd – Was bringt‘s?

Sanft & effektiv

Es gibt zahlreiche manuelle Therapiemöglichkeiten für Pferd und Mensch, vielen Pferdefreunden bekannt ist die Osteopathie. Die Fakten kurz erklärt: Das Wort „Osteopathie“ setzt sich aus den altgriechischen Wörtern Os (Knochen) und Pathos (Leiden) zusammen. Innerhalb der Osteopathie wird unterschieden in parietale (Muskulatur und Skelett), viszerale (Organe) und craniosacrale (Gehirn und Rückenmark) Osteopathie. In der Osteopathie werden Gelenke, Muskeln, Sehnen, Bänder und Faszien auf Bewegungseinschränkungen untersucht und behandelt.

Warum Osteopathie fürs Pferd? Pferde sind Fluchttiere. Bewegungseinschränkungen und Schmerzen bringen sie instinktiv in eine sprichwörtliche Opferrolle. Darum sind sie Meister darin, Schonhaltungen zu finden, unphysiologische (unnatürliche) Bewegungsabläufe zu entwickeln und ihren Körper umzustrukturieren, um weiter in Bewegung bleiben zu können. Auf längere Sicht führt das zu schmerzhafter Muskulatur, Muskelatrophie oder -hypertrophie (Muskelschwund oder -überentwicklung), Muskelverhärtungen und einer Veränderung oder sogar einem Verschleiß der Strukturen. Das alles kann unter anderem zu Gelenkerkrankungen oder Sehnenschäden führen.
Über längeren Zeitraum verspannte Muskulatur schmerzt nicht nur, sie verkürzt sich, schränkt so die Beweglichkeit der Gliedmaßen ein und zieht, vereinfacht ausgedrückt, Wirbel in eine unnatürliche Position. So entstehen Blockaden. Muskelverhärtungen führen außerdem unter anderem zu Durchblutungsstörungen, was zu Entzündungen führen und die Selbstheilungskräfte des Körpers einschränken kann.
Ziele der Pferdeosteopathie sind, die Muskulatur zu entspannen, die Selbstheilungskräfte zu aktivieren und den physiologischen Bewegungsablauf des Pferdes wieder herzustellen. Dabei soll der individuelle Körperbau des Pferdes betrachtet werden. Der französische Tierarzt Dominique Giniaux gilt als einer der Pioniere in der Osteopathie für Pferde, und hat es so ausgedrückt: „Kein Individuum entspricht der Norm. Ein Pferd heilen heißt nicht, es zu einem der Norm entsprechenden Pferd zu machen, sondern ihm zu einem Zustand zu verhelfen, in dem es sich wohl fühlt.“

Sanft und effektiv

Die Pferde-Osteopathie arbeitet mit sehr sanften, effektiven Techniken. Pferde sind groß und stark, wiegen durchschnittlich zirka 600 Kilo und reagieren dennoch hochsensibel auf Berührungen, können viele Muskeln einzeln anspannen, loslassen und kontrollieren. Das schon häufig aufgeführte Beispiel hierfür ist die Fliege, die sich auf das Pferd setzt. Genau an dieser Stelle lässt es seine Muskeln spielen, um den Plagegeist zu vertreiben.
Muskulatur reagiert auf starken Druck mit Kontraktion (zusammenziehen). Gerade weil die Osteopathie so sanft ist, ist sie auch so wirkungsvoll. Ganz einfach ausgedrückt: Entspannung löst die Muskulatur und macht sie weich. Durch Stress verhärten die
Muskeln. Der Körper schüttet Cortisol und Adrenalin aus, gerät in Alarmbereitschaft, die Muskulatur spannt sich an und alles steht im Zeichen der Flucht- und Kampfbereitschaft. Das gilt auch für Menschen. Rückenschmerzen zum Beispiel entstehen oft durch Stress.

Einmal osteopathisch behandeln und alles ist gut?

Weil Pferde so gut im Kompensieren sind, fällt häufig erst auf, dass etwas nicht stimmt, wenn sie es nicht mehr schaffen, ihre Schonhaltung einzuhalten. Das zeigt sich dann durch Rittigkeitsprobleme, Schmerzverhalten wie Buckeln oder Durchgehen u. v. m. Blockaden bestehen also häufig schon über einen langen Zeitraum, bevor das Pferd sie zeigt. Dann sind nach der Erstbehandlung auch Folgebehandlungen wichtig, damit das Pferd das neue, physiologische Körpergefühl annehmen und einhalten kann. Die verkürzte Muskulatur braucht Zeit, wieder in ihre natürliche Haltung zu finden und diese wieder als „normal“ anzuerkennen. Eine regelmäßige präventive Behandlung hilft, Bewegungseinschränkungen vorzubeugen.

Wie läuft eine osteopathische Behandlung am Pferd ab?

Ein sprichwörtlich feinfühliger Pferdetherapeut nimmt sich Zeit für das Pferd und geht auf seine Bedürfnisse ein. Das Pferd bestimmt das Tempo. Er zwingt dem Pferd keine Behandlung auf „Biegen und Brechen“ auf, sondern lässt sich vom Pferdekörper leiten. Die Dauer ist von Pferd zu Pferd unterschiedlich, durchschnittlich liegt eine Erstbehandlung bei 1,5 bis zwei Stunden. Dabei führt der Pferdeosteopath ein ausführliches Gespräch mit dem Besitzer über das Pferd, seine Probleme, Reitweise, Haltung usw. Er schaut sich das Pferd in allen Gangarten auf unterschiedlichen Böden an. Oft gibt das Gangbild schon erste Hinweise auf mögliche Probleme. Anschließend wird die Muskulatur und der Zustand des Körpers mit den Händen befundet und behandelt.
Es gibt viele Behandlungsmöglichkeiten in der Pferdeosteopathie, die effektiv wirken und überlegt eingesetzt werden sollen. Nicht jede Technik ist für jedes Pferd und jedes Problem geeignet. Richtig angewendet verhilft die Osteopathie dem Pferd wieder zu mehr Bewegungsfreude und weniger Schmerzen.

Wenn die Behandlung gut tut

Pferde zeigen auf unterschiedliche Art und Weise, ob ihnen die Behandlung hilft. Manche sind extrovertiert und zeigen es ganz deutlich, manche sind introvertiert und geben nur kleine Zeichen. Wer bei der osteopathischen Behandlung auf sein Pferd achtet, erkennt an folgenden Signalen, ob sie ihre Wirkung zeigt und sich Verspannungen und/oder Blockaden lösen:

  • Entspannte Haltung, dösen,
  • geschlossene Augen,
  • in sich gekehrter Blick, „in sich hinein horchen“,
  • Zucken ums Maul herum,
  • Kauen, Schmatzen, Lecken,
  • Schnauben,
  • Schütteln,
  • Gähnen

Bewegung ist Leben. Ein Körper, der sich leicht und gerne bewegt, ist die notwendige Basis für Gesundheit, Kraft und Leistungsfähigkeit. Und das bringt die Osteopathie.

Text und Foto: Claudia Wichtmann, pferdetherapie-wichtmann.de