So geht Ausdauertraining!

Je länger, je lieber!

Spannende Showstarts, fröhliche Geländeausflüge, gemütliche Wanderritte – mit einem vielseitigen American Quarter Horse unter dem Sattel steht uns Pferdefreunden die ganze Welt des Westernreitens offen!  

Gewissenhaft werden unsere vierbeinigen Mit-Sportler ganz gezielt auf ihre unterschiedlichen Aufgaben vorbereitet. Informierte Pferdefreunde sorgen aber auch für sorgfältiges Grundlagentraining, um ihre Pferde konditionell breit aufgestellt für alle Anforderungen gewappnet zu wissen. Ein ganz wichtiger Baustein ist dabei die Ausdauer. 

Vierbeinige wie zweibeinige Sportler fahren bezüglich ihres Trainings meist nicht zweigleisig, sondern sogar dreigleisig:  

• Zum einen wird natürlich ganz konkret an den Anforderungen entsprechend des gewählten sportlichen Schwerpunkts gefeilt. Wer sein Pferd showt, übt die abgefragten Patterns, feilt an einzelnen Manövern. Werden gemeinsam lange Strecken unter die Hufe genommen, sind etwa Geländegängigkeit, Gruppenverträglichkeit und eine ökonomische Gangmechanik wichtige Trainingselemente.  

• Die Aufmerksamkeit des Reiters gilt aber auch den Grundlagen – das sind zum einen alle Faktoren, die zusammen die sportliche Leistungsfähigkeit des Pferdes ausmachen, zum anderen aber auch alles, was das Miteinander betrifft. So wird beständig daran gearbeitet, die Feinabstimmung zwischen Reiter und Pferd weiter zu verbessern, das gegenseitige Vertrauen zu stärken, den Schatz an gemeinsamen Erfahrungen zu vergrößern. 

• Ein dritter Faktor ergibt sich aus der Erkenntnis, dass auch Erholung, Rekonvaleszenz und Ausgleich integrale Bestandteile jedes sachkundigen Trainings sind. So gehören ruhige Bodenarbeit, Einheiten in Führanlage oder Aquatrainer, einfache Spaziergänge oder Geländeausflüge als Handpferd für viele vierbeinige Sportler zum Trainingsalltag dazu. 

Die Mischung macht’s, ein kluges Abwägen und Abwechseln führt zum Erfolg.  

Sportliche Leistungsfähigkeit

Konditionstraining dient der Verbesserung der sportlichen Leistungsfähigkeit. Dabei sind verschiedene Aspekte zu betrachten: Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit (Dehnfähigkeit und Gelenkigkeit), Koordination und Ausdauer. Je nach sportlichem Schwerpunkt sind sie von jeweils unterschiedlich großer Bedeutung für den Gesamterfolg, die Ausdauer spielt aber immer eine Rolle. Man könnte Ausdauer als Fähigkeit definieren, eine sportliche Leistung besonders lange erbringen zu können.  

Ausgesprochene Ausdauersportarten oder -disziplinen sind dadurch gekennzeichnet, dass nicht in einer kurzen Zeitspanne eine maximale Leistung erbracht wird, sondern die Anstrengung weniger ausgeprägt ist, aber über einen längeren Zeitraum erfolgt. Andere Aspekte wie etwa Kraft oder Beweglichkeit spielen dann gegenüber der Ausdauer eine untergeordnete Rolle. Beim Menschen und Pferden gilt etwa der Langstreckenlauf bzw. -ritt als typischer Ausdauersport, aber auch das Wandern bzw. Wanderreiten gehört dazu. 

Die sportliche (Ausdauer-)Leistungsfähigkeit wird häufig alleine auf das Erbringen dieser Leistung bezogen, umfasst aber ebenso die Fähigkeit des Organismus zur schnellen und umfassenden Regeneration. Gutes Ausdauertraining zielt also darauf ab, die Widerstandsfähigkeit des Organismus gegen Ermüdung zu steigern und seine Fähigkeit zur Regeneration nach der Anstrengung zu vergrößern. Insgesamt darf nicht alleine die rein körperliche Leistungsfähigkeit betrachtet werden, denn mit der Ermüdung sinkt auch das geistige Leistungsvermögen des Organismus. Ein ausdauernd trainierter Körper erbringt über längere Zeit eine Leistung, ohne dabei körperlich und/oder geistig zu ermüden und er erholt sich anschließend rasch und vollständig. 

Ausdauertraining – fit und gesund

Konzentriert sich der Reiter beim Training darauf, vor allem die Ausdauer seines Pferdes zu verbessern, wird der Körper des Vierbeiners nicht nur befähigt, über längere Zeit eine Leistung zu erbringen – gerade das Ausdauertraining punktet mit vielen weiteren positiven Wirkungen. Gutes Ausdauertraining hat eine umfassende Stärkung von Gesundheit und Wohlbefinden zur Folge. Herzkreislaufsystem und Immunsystem, aber auch die psychische Verfassung werden unterstützt. Weitere positive Effekte für das Pferd sind langfristig auch bezüglich der Gesundheit von Knochen und Gelenken sowie der Atemwege und des Verdauungstrakts zu erwarten. Legt der Reiter den Fokus zukünftig vermehrt auf die Grundlagenausdauer, lassen sich damit auch die bekannten negativen Effekte der modernen Pferdehaltung – Bewegungsmangel bei Futterüberschuss – abmildern. 

Schneller, höher, weiter war gestern

In Abwandlung des Mottos der Olympischen Spiele „Citius, altius, fortius“ gilt „Schneller, höher, weiter“ vielfach als Grundgedanke des Sports. Bei dieser Betonung des Wettkampfcharakters treten aber andere Vorzüge der sportlichen Betätigung völlig in den Hintergrund. Zudem weiß man heute um die Gefahren eines einseitig auf die Anforderungen einzelner Disziplinen ausgerichteten Trainings, insbesondere den frühzeitigen Verschleiß einzelner Körperstrukturen. Mit einem Grundlagen-Ausdauertraining besinnen wir uns zum einen wieder auf die Basis dessen, was Sport so gesund macht und schaffen zum anderen eine gute Ausgangsposition für alle Formen reitsportlicher Betätigung über Disziplinen mit reinem Ausdauercharakter hinaus. Auch wenn der Fokus auf der Ausdauer liegt, spielen natürlich alle anderen Aspekte der körperlichen Fitness eine Rolle und werden in gewissem Umfang mit trainiert. 

Im Grundlagen-Ausdauertraining wird angestrebt, 

• längere Zeit oder längere Strecken  

• häufiger in 

• oft höherer Grundgeschwindigkeit bzw. in höherer Intensität mit 

• geringerer Ermüdung und verbesserter Erholung zurücklegen zu können. 

Um die Ausdauer eines Pferdes grundlegend und dauerhaft zu verbessern, muss in langen Zeiträumen gedacht werden. Zwar lässt sich die Muskulatur recht schnell auftrainieren, das Herzkreislaufsystem aber braucht schon erheblich länger und bis sich Gelenke und Knochen auf die erhöhten Anforderungen einstellen, dauert es Monate bis Jahre. Deswegen: Am besten gleich loslegen!  

Wie ist der aktuelle Stand?  

Spazierritt, Wanderritt, Distanzritt?

Welche Leistung könnte das zu trainierende Pferd aktuell problemlos erbringen? Und wie gut erholt es sich danach? Diese Parameter sollten so genau wie möglich erfasst werden.  

Dazu überlegen Sie: Welche Strecke wird zurückgelegt? In welcher Zeit? Wieviel davon in Schritt, Trab, Galopp? Wie lange am Stück wird getrabt, wie lange galoppiert? Welche Streckeneigenschaften spielen dabei möglicherweise zusätzlich eine Rolle (Geht es etwa ständig bergauf und bergab? Oder wiederholt durch sehr tiefes Geläuf?)?  

Zudem sollten Sie einige Male unmittelbar vor, außerdem direkt, etwa 10 oder 20 Minuten und eine Stunde nach dem Ende des Trainings Puls und Atmung des Pferdes erfassen und aufschreiben. Indem Sie zunächst die Ruhewerte erfassen und dann mitverfolgen, wie lange Ihr Pferd nach der Anstrengung braucht, um wieder zu diesen Werten zurückzukehren, verschaffen Sie sich einen Eindruck von seiner Erholung und damit von seinem Trainingszustand. 

Wenn der Ist-Zustand von allen Seiten betrachtet und so gut wie möglich in Zahlen erfasst wurde, geht es an die Planung. Grundsätzlich kann – nicht nur für dieses Vorhaben – das Führen eines Trainingstagebuchs empfohlen werden, da sich so der rote Faden besser einhalten lässt und auch im Fall auftretender Probleme die Forschung nach der Ursache, sofern sie im Training selbst liegt, vereinfacht wird. 

Ausgehend von der aktuellen Fitness wird nun die Ausdauer gezielt trainiert, indem immer nur an einer Stellschraube gedreht wird. 

Sie können also 

• pro betrachtetem Zeitraum öfter trainieren (also statt dreimal wöchentlich nun viermal pro Woche) ODER 

• die Trainingsdauer pro Einheit verlängern (also das Training nicht nach 30 Minuten, sondern erst nach 35 Minuten beenden) ODER 

• eine längere Strecke unter die Hufe nehmen ODER 

• die Intensität erhöhen, indem Sie dieselbe Streckenlänge nun schneller zurücklegen (insgesamt länger traben bzw. galoppieren oder länger am Stück traben bzw. galoppieren), aber auch mehr Schwierigkeiten wie etwa Bergaufstrecken einbauen. 

Im Umkehrschluss bedeutet dies: Wenn Sie heute länger trainieren wollen, sollten Sie nicht gleichzeitig auch flotter reiten. Wenn morgen eine längere Strecke auf dem Plan steht, muss dafür mehr Zeit eingeplant werden, um nicht auch gleichzeitig schneller zu reiten. Wenn Sie dabei korrekt vorgehen, werden sich die Belastungs- und vor allem die Erholungswerte nicht wesentlich ändern. Und vor allem: Sie werden Ihr Pferd nicht überlasten und recht schnell ein gutes Gefühl für seine Stärken und Schwächen bekommen und dafür, wie Sie Ihr Training sinnvoll gestalten. Erst nach einiger Zeit können Sie dazu übergehen, gelegentlich an zwei Stellschrauben gleichzeitig zu drehen – mit Augenmaß.  

Fair zum Pferd

Wenn nun noch der Reiter das Augenmerk auch auf die eigene Person richtet, wird aus dem Fitnessprogramm ein Erfolgsmodell: Unfitte Reiter sind eine echte Belastung für das Pferd und hindern es daran, eine dem Trainingsaufwand entsprechende Leistung zu erbringen. Wer allzu großzügige Pölsterchen abbaut und gleichzeitig an der eigenen Grundlagenausdauer arbeitet, schlägt zwei Fliegen in einer Klappe: Zum einen wird das Pferd entlastet, zum anderen aber erfahren auch wir hautnah, was beim Training im Körper passiert. Viele Reiter haben nur eine unklare Vorstellung davon, was sie ihren Pferden abverlangen. Wer selbst einmal einen Berg hinaufgeächzt ist bekommt Respekt vor der Leistung des eigenen Pferdes, das diesen Anstieg im Galopp und mit jeder Menge Gepäck auf dem Rücken anpackt. Und wird das Training zukünftig vielleicht mit mehr Verständnis für die Grenzen des Pferdekörpers angehen…  

Text: Angelika Schmelzer, Foto: K.-J. Guni