Eindecken – Ja oder nein?

Wenn’s kalt und nass wird….

Alle Jahre wieder entbrennt in den Ställen die Diskussion, ob, wann und wie Pferde besonders in den kühleren Monaten eingedeckt werden sollten. Viele Faktoren spielen für die richtige Antwort eine Rolle. Und leider glauben immer noch viele Pferdebesitzer, wenn sie selbst frieren und eine dicke Jacke anziehen, dann gälte dies auch für den Vierbeiner. Hier ein Überblick zum Thema Thermoregulation und Eindecken.

Ob ein Mensch oder Tier friert hängt davon ab, ob er oder es in der Lage ist, seine eigene Körpertemperatur mühelos aufrechtzuerhalten. Dieser (optimale) Temperaturbereich nennt sich thermoneutrale Zone, TNZ. Während sich die meisten Menschen un- oder leicht bekleidet bei Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad wohlfühlen, liegt bei Pferden in unserer Klimazone die TNZ zwischen 5 und 25 Grad Celsius. Heißt im Klartext: Wenn wir mit dünnem T-Shirt bei zehn Grad bibbernd draußen stehen, fühlt sich unser Pony pudelwohl. Das bestätigt auch Kim Hodgess vom Duchy College in Devon, Großbritannien, die 2019 ihre Studie “To rug or not to rug: Potential impacts on equine welfare“ im Rahmen der Konferenz der ISES (International Society of Equitation Science – Internationalen Gesellschaft für Pferdewissenschaften) vorstellte. „Häufig werden Pferde eingedeckt, weil der Besitzer glaubt, es würde frieren, weil er selbst friert“, resümiert die Wissenschaftlerin.
Dabei haben Pferd – über die recht großzügige TNZ hinaus – ein ausgeklügeltes Thermoregulationssystem, das es ihnen ermöglicht, tiefen Temperaturen, Nässe und Wind standzuhalten, allerdings immer vorausgesetzt, sie haben ein dichtes Winterfell und ausreichend Unterhautfettgewebe. Und genau da liegt das Problem, denn viele Faktoren bestimmen darüber, ob das Pferd überhaupt in der Lage ist, sich einen ordentlichen Pelz zuzulegen.

Thermoregulation, was passiert da?

Geschützt durch ein passendes Fell und ausreichend Unterhautfettgewebe sowie unterstützt durch Nahrungsaufnahme (vor allem Raufutter, denn die Aufnahme langer Fasern heizt den Organismus), Verdauungssystem (vor allem der Dickdarm, der rund 30 Prozent des Raufutters in Wärme umwandelt), Erhöhung des Muskeltonus’, Verringerung der Hautdurchblutung und Aufstellen des Fells sorgen Pferde für körpereigene Wärme. Das aufgestellte Winterfell sorgt dabei quasi als Isolierschicht zwischen den kalten Außentemperaturen und dem inneren (Heiz-)Kraftwerk. Ein ausgeklügeltes System, das durch unüberlegtes Eindecken ausgehebelt werden kann.
Neben den Haltungsbedingungen spielen Alter, Fütterung, Nutzung und natürlich auch das Klima eine Rolle, ob der Vierbeiner ohne Decke über den Winter kommt oder der Stallschrank gut gefüllt sein sollte. Das Deckenangebot ist riesig und natürlich freut sich im Sommer jedes Weidepferd am Waldrand über eine funktionstüchtige Fliegendecke. Ebenso ist mindestens eine gute Abschwitzdecke das absolute Muss im Schrank – nicht nur, wenn das Training schweißtreibend war, sondern auch, wenn zum Beispiel eine Kolik das Pferd schweißnass dastehen lässt. Dann nämlich braucht es dringend Schutz!
Schweißnass ist übrigens immer ein Grund, an vorübergehendes Eindecken zu denken, denn auch an mäßig warmen Sommertagen kann ein kühler Wind, der über den frisch trainierten Pferderücken weht, für schmerzhafte Verspannungen sorgen! Dies gilt für schwitzende Pferde nach dem winterlichen Ausritt oder Training natürlich umso mehr.

Hot hot hot?

Immer häufiger sieht man im Sommer Pferde, die statt mit einer üblichen Fliegendecke mit Ekzemerdecke rausgestellt werden. Letztere ist für echte Ekzempferde eine Wohltat, aber allen anderen sollte der normale Schutz mit einer möglichst luftigen, wenn möglich reflektierenden Fliegendecke reichen. Denn, auch das ergab die Studie von Kim Hodgess, unter einer Ekzemerdecke war es um mehr als vier Grad wärmer als ohne Decke. Was das bei sommerlichen Temperaturen von teilweise weit über 30 Grad für das Pferd bedeutet, sollte jedem klar sein.

Eindecken: immer individuell

Es sollte also immer kritisch und vor allem individuell geprüft werden, ob das Pferd zwingend eine Decke benötigt. Vor allem ältere Pferde, die wenig Muskelmasse und Unterhautfettgewebe besitzen, frieren schnell, auch weil sie sich weniger bewegen als jüngere Kollegen. Wenn dann noch eine pferdegerechte Haltungsform hinzukommt, sollte in der Tat eingedeckt werden.
Auch bei lang anhaltenden Herbst- und Winterstürmen mit Regen und Schnee sind wetterfeste Decken häufig angesagt, vor allem, wenn die Pferde über längere Zeit der Witterung ausgesetzt sind. Und eisig kalte Winternächte von unter minus zehn Grad Celsius machen das Eindecken häufig unumgänglich, wenn der Stall nicht ausreichend Schutz und wärmere Temperaturen bieten kann.
Dabei ist es für den Pferdebesitzer nicht immer einfach, den richtigen Zeitpunkt des Ein-, aber auch wieder Abdeckens zu ermitteln. Ganz eindeutig für das Eindecken spricht, wenn das Pferd nicht mehr in der Lage ist, sich selbst zu wärmen, wenn es anhaltend zittert, die Haut nass ist und sich kalt anfühlt. Dann nämlich isoliert das Unterfell nicht mehr und das Pferd kühlt aus.
Fühlt sich das Pferd allerdings unter einer Decke mollig warm an, deutet dies darauf hin, dass die Temperatur unter der Decke viel zu hoch für das Tier ist. So stellte sich bei der Studie von Kim Hodgess heraus, dass sich die Temperaturen bei kühlen vier Grad Außentemperatur bei den eingedeckten Pferden zwischen Pferd und Decke zwischen 24 und 30 (!) Grad bewegten (wir erinnern uns: die TNZ bei Pferden liegt zwischen 5 und 25 Grad), bei den Pferden ohne Decke lag die Temperatur unmittelbar über dem Fell bei 12,5 bis 18,5 Grad, also wesentlich niedriger und genau im Bereich der Wohlfühltemperatur.

Schutz für Importpferde!

Pferde, die – wie viele American Quarter Horses – aus dem Süden der USA importiert werden, benötigen mehrere Jahre, um sich an die hiesigen Wetterverhältnisse und die nasskalten Winter anzupassen. Bei ihnen bildet sich kein ausreichendes Winterfell und solange dies der Fall ist, sollten sie grundsätzlich eingedeckt werden. Die Umstellung kann unter Umständen mehrere Jahre dauern.

Schwitzen im Winter

Was im Sommer gewünschter Effekt ist, nämlich Abkühlen durch Schwitzen (dabei leitet die Nässe die Hitze durch Verdunstung ab), stellt uns Reiter im Winter häufig vor Probleme. Nässe durch Schweiß sitzt direkt auf der Haut und lässt das Pferd viel schneller auskühlen als Nässe von außen, die durch das Oberhaar und Hautfett von der isolierenden Fellschicht abgehalten wird. Und wenn unser Vierbeiner im Winterfell schwitzt, dauert es wesentlich länger, bis er wieder trocken ist. Neben ausgiebigem Trockenreiten kann man auch trockenführen, dabei Stroh als luftige Zwischenschicht unter die Abschwitzdecke legen – dann geht’s noch schneller. Ist kein Stroh zur Hand, sollte die Abschwitzdecke gewechselt werden, sobald sie klamm ist!
Von diesen dürfen also ruhig mehrere Modelle zur Hand sein. Das grundlegende Problem in vielen, auch modernen Ställen liegt darin, dass die Innentemperatur und die Luftfeuchtigkeit zu hoch sind, die Pferde im Winterfell schnell schwitzen und nach dem Training im Stall nur sehr langsam trocknen, da die gesättigte Raumluft kaum noch Feuchtigkeit aufnehmen kann. In vielen Fällen hilft dann in der Tat nur noch eine Schur und konsequentes Eindecken, wenn man sein Pferd auch im Winter sportlich nutzen will.
Alternativ – wenn man das Pferd nicht komplett scheren möchte – kann man möglichst früh beginnen, das Pferd einzudecken, damit sich kein dichter Winterpelz bildet.
In beiden Fällen gilt dann aber für diese (Winter-)Saison: Einmal eingedeckt – immer eingedeckt!

Text: Friederike Fritz